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Jedes Mal aufs Neue eine schmerzende Rassismuserfahrung

© Melody LaVerne Bettencourt

Verfasst von Berty Mbuka.

„Das Kind ist aber hell. Das ist aber nicht ihr Kind, oder?“, “ Wo haben Sie denn das Kind her?“ – Für Unbeteiligte mögen diese Sätze leicht daherkommen. Für die betroffenen Mütter jedoch bedeuten sie jedes Mal aufs Neue eine schmerzende Rassismuserfahrung in ihrem Alltag. Wie traumatisierend es ist, wenn Fremde sich immer wieder bemüßigt fühlen, die eigene Elternschaft abzusprechen, ist für Außenstehende kaum vorstellbar.

Um Betroffene zu unterstützen, zu stärken und erstmals einen sicheren Raum des Austauschs zu schaffen, hat die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) in Kooperation mit dem Empowerment-Verein Phoenix e.V. eine Workshopreihe spezifisch für Schwarze Mütter innerhalb des Projekts „Empowern gegen Colourism“ ins Leben gerufen.

Colourism“ ist eine in Deutschland wenig aufgearbeitete Sub-Kategorie von anti-Schwarzem Rassismus und ein rassifizierendes Konstrukt, das sich explizit auf den Hautton bezieht und Schwarze Menschen hierarchisiert. Durch eine Kategorisierung nach dem Prinzip „je heller, desto besser“, wird das europäische weiße Schönheitsideal als Maßstab genommen. Demnach werden “Dark Skin”, also Schwarze Menschen mit dunklerem Hautton gegenüber “Light-Skin”, also Schwarzen Menschen mit hellerem Hautton abgewertet. Für Schwarze Mütter, deren Kinder als weiß gelesen werden, ist das sogenannte „Passing“ innerhalb des Colourism -Kontext es eine zwangsweise verletzende Erfahrung: Aufgrund des Hauttons wird die Schwarze Identität der betroffenen Kinder nicht (an-)erkannt und abgesprochen, den Eltern ihre Elternschaft.

Um im ersten Schritt die Erfahrungen der Mütter in sicherer Atmosphäre ohne Diskriminierung in den Fokus zu stellen, wurde 2019 der erste von zwei Workshops mit dem Titel „How to prevent Colourism – Schwarze Mütter weiß gelesener Kinder“ initiiert und im Rahmen der von der ISD Frankfurt gegründeten „KIDSemPOWERment“-Eltern-Kind-Gruppe in Frankfurt zum Thema gearbeitet. Mit Unterstützung der Amadeu Antonio Stiftung ging es dieses Jahr mit dem Folgeworkshop für die betroffenen Eltern weiter. Ziel war es, Strategien zur Stärkung des Selbstbildes und dem Umgang mit Alltagssituationen zu erarbeiten.

„Die Gemeinschaft und der Austausch mit anderen Schwarzen Frauen und Müttern war ein bereichernde und empowernde Erfahrung“, berichtet eine Teilnehmerin, „Das hat mir viele wertvolle Impulse an die Hand gegeben, Rassismus aus einem Ort der Selbstfürsorge und -reflexion heraus und gleichzeitig mit ganz konkreten Handlungsstrategien zu begegnen.“ Die Mutter, die zur Wahrung des Workshops als sicherem Rückzugsort für die Teilnehmerinnen anonym bleibt, hat im August 2020 zum zweiten Mal an einem Treffen unter der Leitung einer Trainerin von Phoenix e.V. teilgenommen. „Ich war gerade erst Mutter geworden und erlebte doch schon vom ersten Tag an, was dies für eine Schwarze Frau in einer rassistisch strukturierten Gesellschaft bedeutet“, berichtet eine andere Mutter.

Der sensible Umgang der Trainerinnen war es, der die Workshops so erfolgreich machte und die Frauen ermutigte. Mit sichtbarem Ergebnis: Die Aufarbeitung mündete in eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Titel „Weg zum Empowerment“. Das Objekt kann in der aktuellen Rassismus-Ausstellung „Ich sehe was, was du nicht siehst“ des Historischen Museum Frankfurt betrachtet werden. So soll das gesammelte Wissen für alle Menschen verfügbar sein, die sich mit dem Thema noch auseinandersetzen wollen – oder müssen: Damit Vielfalt gesehen und verstanden werden kann.

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„Erinnern heißt verändern“

Über ein Modellprojekt der Amadeu Antonio Stiftung erhalten seit Mitte 2023 elf Initiativen von Betroffene und Angehörige von rechten, rassistischen und antisemitischen Anschlägen sowie das gesamte Netzwerk Unterstützung für eine selbstbestimmte Erinnerungskultur. Gefördert wird das Projekt „Selbstbestimmt vernetzen, erinnern und bilden“ durch die Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus.

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