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Völkischer Kampfverband mit zutiefst rassistisch-antisemitischem Weltbild: „Artgemeinschaft“ verboten

Als Gruppensymbol nutzt die Artgemeinschaft die sogenannte "Irminsul" (auch Weltenbaum genannt). Das Gegensymbol zum christlichen Kreuz wurde im Nationalsozialismus von Ahnenforschern der SS genutzt. Foto: Anna Schmidt

Das Bundesinnenministerium hat den rassistisch-völkischen Verein „Artgemeinschaft – Germanische Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung“ aufgelöst. Das Verbot trifft die richtigen. Die religiös-esoterisch anmutende Gruppierung ist ein völkischer Kampfverband mit zutiefst rassistisch-antisemitischen Weltbild. Trotzdem kommt das Verbot der Vorfeldorganisation, wie immer, Jahre zu spät.

Der Gruppe werden etwa 150 Mitglieder bundesweit zugerechnet, davon mehr als 40 aktive Mitglieder. Gegründet wurde die Gruppe bereits 1951 und war auf der Führungsebene immer wieder von zentralen Akteur*innen der extremen Rechten besetzt.

Die Artgemeinschaft ist eine der einflussreichsten rechten Organisationen zum Erhalt völkischen Brauchtums. Dabei verschmelzen heidnisch-germanische, naturreligiöse Ideen mit einer völkischen, rassistischen, antisemitischen Ideologie zu einer pseudo-religiösen Lehre. Die Mitgliedschaft in der Organisation, das „Artbekenntnis“ hängt von einem Nachweis der „nordischen Abstammung“ ab. Die Mitglieder haben ein sogenanntes „Sittengesetz“ zu befolgen, das die „gleichgeartete Gattenwahl, die Gewähr für gleichgeartete Kinder“ sowie „Härte und Hass gegen Feinde“ vorschreibt.

Mehrmals im Jahr richtet die Artgemeinschaft zu germanischen Feiertagen Veranstaltungen aus, die in der rechten Szene sehr gefragt sind. Zu diesen Treffen kommen aus ganz Deutschland ganze Familien einschließlich ihrer Kinder – hier wird der rechte Nachwuchs indoktriniert. Insbesondere die rechtsextreme Indoktrination von Kindern gab nun scheinbar auch den Ausschlag für die seit mehr als einem Jahr vorbereiteten Razzien in 12 Bundesländern. Ihren organisatorischen Schwerpunkt hatten sie in Thüringen, auch wenn der Verein in Berlin gemeldet war.

Indoktrination von Kindern und Jugendlichen

Durch ihr biologistisches Weltbild und ihrer Rollenzuteilung nach einer vermeintlichen “natürlichen Geschlechterordnung” ist abzusehen, dass es für die Kinder in den Familien der Artgemeinschaft zu massiven Einschränkungen in der Entfaltung ihrer Persönlichkeit und individuellen Entfaltungsmöglichkeit kommt. Kinder in völkischen Familien werden von klein auf indoktriniert und in einer Lebenswelt groß gezogen, die geprägt ist von rassistischen und antisemitischen Feindbildern. Oftmals bleiben diese in den familiären und politischen Zusammenhängen verbunden und tragen das Gedankengut an nächste Generationen weiter.

Deutschsein, gar die deutsche Rasse, definiert sich bei ihnen über das Blut, über die Vorfahren. Menschen, die seit Generationen in Deutschland leben, deren Großeltern jedoch beispielsweise aus der Türkei kamen, sind für sie trotz ihres deutschen Passes keine Deutschen. Damit steht die Artgemeinschaft in der direkten Folge der Blut-und-Boden-Ideologie des Nationalsozialismus.

Die Artgemeinschaft steht in der Tradition verbotener Organisationen wie der „Heimattreuen Deutschen Jugend“ & der „Wiking-Jugend“. Doch wer wirklich rechtsextremen Nachwuchsschmieden den Hahn abdrehen will, hätte auch gleich den „Sturmvogel“ verboten.

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Vorfeldorganisation des Rechtsterrorismus

Gefährlich ist die Artgemeinschaft vor allem aufgrund ihrer Netzwerkfunktion. Mitglieder von „Blood & Honour“ sowie „Combat 18“ finden sich hier zusammen. Auf der Mitgliederliste der Artgemeinschaft tauchte auch der Lübcke-Mörder Stephan Ernst auf. Beate Zschäpe, Terroristin des NSU, nahm 1997 an einer Schulung der Artgemeinschaft teil. Auch NSU-Helfer André Eminger und sein Bruder Maik nahmen an mindestens einer der Sonnenwendfeiern teil. Die Artgemeinschaft ist eine Vorfeldorganisation des Rechtsterrorismus.

Mitglieder der Artgemeinschaft nahmen ebenfalls wichtige Funktionen in weiteren rechtsextremen Strukturen ein, wie z.B. der HDJ (Heimattreuen deutschen Jugend, Verbot 2009). Sie sind in Schützenvereinen oder besitzen Jagdscheine mit dazugehörigen Waffen. Immer wieder gab es in der Vergangenheit Fälle von unsachgemäßer Aufbewahrung von Waffen oder Sprengstoff mit folgenden Anzeigen.

Völkische Siedlungsvorhaben

Neben dem Bund für Gotterkenntnis-Ludendorffer handelt es sich bei der Artgemeinschaft um die größte pseudo-religiöse Vereinigung der extremen Rechten. Ihr vermeintlich ursprüngliches Leben, meist in ländlichen Räumen und Praktizieren eines “germanischen Glaubens”, strahlt als kinderreiches, völkisches Vorbild in vielen Teilen der rechtsextremen Szenen hinein. Wie so viele völkische Gruppierungen setzt die Artgemeinschaft auf Expansion und Unterwanderung, möglichst unbehelligt vom Mainstream. Die völkische Siedler-Bewegung will sich im ländlichen Raum niederlassen, um dort ihre Idealvorstellung der „Volksgemeinschaft“ im Kleinen umzusetzen. Abseits von staatlichen Strukturen versuchen die rechtsextremen Siedler*innen hier, eigene Netzwerke aufzubauen und bereits bestehende Gefüge zu unterwandern. Sie zielen darauf ab, vor Ort eine Vormachtstellung und so politischen Einfluss zu erlangen. Oftmals zieht es Rechtsextreme, die einst auf der Straße aktiv waren, mit Beginn der Elternschaft in völkische Gemeinschaften.

Ein Verbot mag ein Dämpfer für diese Siedlungsvorhaben sein. Doch die Netzwerke sind längst verfestigt, die Siedlungsprojekte längst auf den Weg gebracht.

Verbote rechtsextremer Vereinigungen in der Vergangenheit haben gezeigt: Der offizielle Rahmen der Organisation verschwindet, die Beziehungen und Netzwerke bleiben. Teilweise werden neue Organisationen gegründet. Netzwerke bleiben oftmals über die Verbotsverfahren hinaus bestehen, insbesondere wenn Querverbindungen zu anderen rechtsextremen Organisationen und Einzelpersonen nicht vollends ermittelt werden.

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