Update 16. April 2024: Hier geht es zum aktuellen Stand
Aufgrund eurer überwältigenden Spendenbereitschaft konnten wir bereits mehr als 88.000 Euro zur Deckung von Anwalts- und Therapiekosten für Betroffene zusichern, die sich im Zuge der Vorwürfe gegen den Sänger der Band Rammstein, Till Lindemann, bei uns gemeldet hatten.
Gleichzeitig haben sich bei uns viele Betroffene gemeldet, deren Erfahrungen zwar keinen Bezug zum Umfeld der Band Rammstein aufwiesen, aber über ihre geschlechtsspezifischen Gewalterfahrungen, insbesondere im Kultur-Bereich, berichtet und nach Unterstützung gefragt haben. Deshalb wollen wir die Spenden auch hierfür einsetzen, weil damit der gleiche Zweck verfolgt wird: Die Machtverhältnisse bei geschlechtsspezifischer Gewalt auszugleichen! So kamen wir durch unsere Kooperation mit dem bff: Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe in Kontakt mit #STATTBLUMEN, einer gemeinnützigen Organisation, die sich seit der Corona-Pandemie für mehr Geschlechtergerechtigkeit einsetzt. Nach intensiven Gesprächen wurde deutlich, dass #STATTBLUMEN schon seit Langem an einem Fonds für Betroffene geschlechtsspezifischer Gewalt arbeitet, allerdings das Startkapital bisher fehlte.
Dank der großartigen Spendenbereitschaft konnte dieser Plan nun in die Tat umgesetzt werden: Knapp 80 % der gesammelten Spendengelder (beruhend auf der Annahme, dass die Spender*innen nicht widerrufen) fließen in „Tilda – Fonds gegen geschlechtsspezifische Gewalt“. Das ist ein riesiger Schritt nach vorne, um denen zu helfen, die dringend Unterstützung benötigen und die weit zahlreicher sind als nur im Fall Rammstein.
Um sicher zu gehen und die Botschaft nach außen zu tragen, dass sich auch weiterhin mögliche Betroffene im Zuge der Vorwürfe gegen den Sänger der Band Rammstein, Till Lindemann, melden können, haben wir mit #STATTBLUMEN vereinbart, dass für diese Betroffenengruppe innerhalb des Fonds Tilda 100.000 Euro bereitgehalten werden. Sollte für diese dennoch mehr Geld benötigt werden, können sie aber auch ab Januar 2025 ganz regulär über die Beratungsstellen im bff Gelder von Tilda beantragen.
Damit schaffen wir mit der Hilfe von über 70.000 Spender*innen etwas, das es nie zuvor gab, aber umso dringender brauchte.
Wie im Spendenaufruf bereits angekündigt, erhält auch der Sheroes Fund, der von der Amadeu Antonio Stiftung verwaltet wird einen Teil der Spenden, um Frauen, trans*, inter* und nicht-binäre Personen zu unterstützen, die sich gegen Gewalt und Diskriminierung einsetzen. Es ist großartig zu sehen, wie vielfältig die Unterstützung ist und wie viele Menschen davon profitieren werden.
Stand 1. September 2023:
Die Staatsanwaltschaft Berlin hat vor einigen Tagen ihr Verfahren gegen Till Lindemann eingestellt. Dabei handelte es sich um ein Strafverfahren, das basierend auf entsprechenden Strafanzeigen von Seiten Dritter „nicht am Tatgeschehen beteiligter Personen“ eingeleitet wurde. Im Rahmen der Einstellung wurde mitgeteilt, dass keine der unmittelbar von strafrechtlich relevanten Handlungen betroffenen Personen bereit war, mit der Staatsanwaltschaft in Kontakt zu treten und keine Strafanzeige vonseiten direkt Betroffener gestellt wurde.
Wie leider zu erwarten war, wird diese Nachricht nun von rechten Medien und “Influencern” wieder einmal dazu genutzt, um einerseits mutmaßlich Betroffene zu diffamieren und andererseits Bemühungen zur Unterstützung der Betroffenen durch die Spendenkampagne “Wie viel Macht 1 €?” zu delegitimieren.
Aber wie lässt sich die Nachricht über die Einstellung einordnen?
Wie aus der jahrzehntelangen Beratungsarbeit mit Gewaltbetroffenen insgesamt und Betroffenen von sexistischer und sexualisierter Gewalt im Besonderen bekannt, ist die Hemmschwelle eine Anzeige zu erstatten – und sich damit dem Prozess einer juristischen Prüfung auszuliefern – sehr hoch. Scham und die Angst vor Repressalien durch die Täter, vor Reaktionen des Umfeldes und vor psychischen und materiellen Belastungen durch ein Strafverfahren können Gründe sein, warum Betroffene ihre Erlebnisse für sich behalten. Dies ist auch dem gesamtgesellschaftlichen Umgang mit sexualisierter Gewalt geschuldet.
Dass Verfahren zu sexualisierter Gewalt eingestellt werden, ist leider traurige Realität. Nur 10 % der Fälle werden in Deutschland angezeigt, die wenigsten werden ausreichend verfolgt und in davon nur 8 % der angezeigten Fälle kommt es letztendlich zu Verurteilungen. Zahlen und Fakten dazu liefert unser Partner, der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe – Frauen gegen Gewalt.
Umso sensibler ist die Unterstützungsarbeit für Betroffene. Betroffene brauchen zunächst ein sicheres Umfeld, ausführliche Beratungen zum Vorgehen und Sondieren ihrer rechtlichen Möglichkeiten, psychologische Begleitung. Dass dies Zeit in Anspruch nimmt und keine schnellen “Ergebnisse” liefert, liegt auf der Hand.
Dennoch wird versucht, die Bemühungen um die Unterstützung Betroffener zu delegitimieren und sich dabei vor allem an der erfolgreichen Spendensammlung öffentlich abgearbeitet. Der Vorwurf, dass wir Spendengelder veruntreuen würden, ist falsch und arglistig. Seit Monaten arbeiten wir intensiv daran, möglichst vielen Betroffenen Zugang zu der finanziellen Unterstützung, die sie in ihrer Situation brauchen, zu ermöglichen. Diese Arbeit verliert an keinerlei Berechtigung angesichts der Nachricht über die Einstellung des Verfahrens, im Gegenteil, ihre Notwendigkeit wird dadurch weiter bestätigt.
Neben der finanziellen Unterstützung geht es auch darum, einen Rahmen zu schaffen, in dem Betroffene auf professionelle Begleitung zurückgreifen können. Betroffene brauchen zunächst ein sicheres Umfeld, Beratungen zum Vorgehen und Sondieren ihrer rechtlichen Möglichkeiten, um eventuelle strafrechtliche Schritte einzuleiten. Wir sind dabei, unser Angebot für Betroffene weiter auszubauen und nachhaltige Strukturen zu schaffen.
Aus Gründen des Betroffenenschutzes können wir keine detaillierten Angaben zu unserem Austausch mit Betroffenen machen. Eine öffentliche Kommunikation ist nur möglich, wenn Betroffene dies explizit wünschen.
Mit den Angriffen auf unsere Arbeit soll das Ansinnen der Kampagne diffamiert werden. Und damit wird – wie so oft – das Erleben und die Bedürfnisse von Betroffenen verächtlich gemacht. Seit Monaten bekommen Menschen, die sexualisierte Gewalt erfahren haben, vor allem mit, dass ein großer Teil der Gesellschaft sich mit den Tätern solidarisiert und dass das, worüber Betroffene gerade berichten, keine Gewalt sei.
Das traumatisiert, das ist schmerzhaft – und es entmutigt, darüber offen zu sprechen. Und damit sich genau das ändert, machen wir mit dem Projekt weiter, für das uns die zahlreichen Spender*innen im Rahmen der Kampagne unterstützt haben.