Liebe Leser:innen,
ich möchte Ihnen Alex vorstellen. Alex gehört zu den vielen Menschen in Deutschland, die sich gerade Tag und Nacht für Geflüchtete aus der Ukraine engagieren. Ich bin Alex und allen anderen Menschen, zu denen auch Kolleg:innen aus der Stiftung gehören, wahnsinnig dankbar dafür, dass sie an Bahnhöfen die Ankommenden empfangen, Unterkünfte zur Verfügung stellen und bei Behördengängen unterstützen. Alex hilft jedoch noch auf eine andere Art. Er kümmert sich um die Geflüchteten, die nicht so gern aufgenommen werden, weil sie nicht dem Bild von christlichen und weißen Flüchtlingen aus der Ukraine entsprechen. Menschen, die sich nachts auf einmal eine neue Unterkunft suchen müssen, weil die Gastgeber:innen es sich doch anders überlegt haben, oder die in eine Polizeikontrolle geraten sind und denen es die Polizei nicht abnimmt, dass sie aus der Ukraine geflohen sind. Zu Alex gehören Laura, Fetsum, Teddy und viele andere, die zum Teil selbst eine Fluchtgeschichte haben. Dass sie zusammen mit dem Verein „Peace by Peace“/PxP diese Arbeit leisten können, verdanken sie auch Ihnen, liebe Unterstützer:innen der Amadeu Antonio Stiftung. Denn die Stiftung konnte ihre humanitäre Arbeit mit einer Förderung unterstützen. Jetzt im Vorfeld der Innenminister:innen-Konferenz Mitte Mai versuchen sie, für eine Bleiberechtsregelung von Drittstaatler:innen aus der Ukraine zu werben. Dazu gehören beispielsweise afrikanische Studierende. Die Stiftung wird dieses Anliegen auf jeden Fall mittragen.
Dass manche auf die Idee kommen, es gäbe Menschen, die es wert sind, dass man ihnen hilft, und andere, die es nicht sind, ist kein Zufall. Von Beginn an hetzen Rechtsextreme gegen Geflüchtete aus der Ukraine und versuchen den russischen Angriffskrieg auf unterschiedliche Weisen zu instrumentalisieren. Wie sie das tun, haben unsere Kolleg:innen, die gegen Verschwörungserzählungen arbeiten, zusammen mit der Belltower-Redaktion analysiert.
Der russischen Regierung spielt das für ihre imperial-eurasischen Weltmachtsfantasien in die Hände. Sie nutzen die Rechtsextremen in Deutschland und in Europa schon länger für ihre „Kriegsführung der neuen Generation“, eine mehrdimensionale Strategie mit dem Ziel, politische Spannungen zu verstärken, gesellschaftliche Spaltungen auch in Deutschland zu vertiefen, Menschen, Religionen und Länder gegeneinander auszuspielen. Das tun sie auch mit den Maßnahmen eines Desinformationskrieges, offener Sympathie für Rassist:innen und Antisemit:innen, dem Hofieren von rechtsextremen Abgeordneten sowie deren direkter finanzieller Unterstützung.
Das alles ist nicht neu – wir erleben nicht nur einen Krieg gegen die Ukrainer:innen, sondern auch einen gegen unsere Demokratie, gegen die Idee einer offenen pluralen Gesellschaft, den Liberalismus, den „Westen“ und die Menschenrechte. Es ist wichtig, diese Facette des Krieges ebenfalls zur Kenntnis zu nehmen und nicht nur auf die wirtschaftlichen Folgen und Gefahren für Deutschland zu schauen. Insofern hoffen wir auch hier auf eine „Zeitenwende“ – es darf keine Kompromisse mehr mit Spaltung, Diskriminierung und Menschenfeindlichkeit geben. Die deutsche Zivilgesellschaft ist übrigens schon länger Ziel russischer Angriffe, auch die Amadeu Antonio Stiftung wird immer wieder mittels so genannter „Putin-Trolle“ auf Veranstaltungen, in den Sozialen Netzwerken oder durch Cyber-Angriffe auf unsere Webseiten angegriffen.
Die Aufklärung über diesen Informationskrieg und die Verteidigung der Demokratie wird auch die Arbeit des neuen Vorstands der Stiftung prägen, ebenso wie die Auseinandersetzung mit Antisemitismus, Rassismus, Antifeminismus und allen anderen Spielarten von Menschenfeindlichkeit. Wir werden dabei mit den ukrainischen und russischen Communities zusammenarbeiten und insbesondere auch den Rassismus ihnen und anderen gegenüber thematisieren. Wir werden die Debatte in den Sozialen Netzwerken, aber auch innerhalb der rechtsextremen Szene genau beobachten und mit Einordnungen und Handlungsempfehlungen darauf aufmerksam machen, wo der Krieg für die eigenen autoritären Gesellschaftsvorstellungen, Bürgerkriegsprojektionen und Hetze gegen Geflüchtete genutzt wird. Dabei werden wir uns als neuer Vorstand auch immer wieder auf die Erfahrungen und Einschätzungen unserer langjährigen Vorsitzenden Anetta Kahane stützen, die wir diesen Monat offiziell mit einer Laudatio des Bundeslandwirtschaftsministers Cem Özdemir, der schon Gründungskurator der Amadeu Antonio Stiftung war, verabschieden. Und wir werden ihre Arbeit feiern.
An dieser Stelle begrüßt Sie im Juni meine Vorstandskollegin Tahera Ameer. Bleiben Sie uns gewogen!
Herzlichen Gruß
Timo Reinfrank