Die Ergebnisse stehen nicht für ein gemeinsames Signal gegen Rechtsextremismus, sondern ein Hinterherrennen hinter Themen der AfD mit fatalen Folgen: Die Brandmauer gegen Rechts schwindet, es kommt zu fatalen Diskursverschiebungen bei Schlüsselthemen der AfD und zu einem Gewöhnungseffekt an eine regressive Politik. Ein populistischer Wahlkampf demokratischer Parteien auf dem Rücken von Minderheiten zahlt letztlich auf das Konto der AfD ein.
Die Demokratie ist nicht untergegangen
Nach den Kommunalwahlen 2024 haben rechtsextreme Parteien in ostdeutschen Kommunen starke Fraktionen gebildet und zentrale Ämter erlangt. Und die Ergebnisse der Landtagswahlen zeigen: Die rechtsextreme Landnahme ist in der Fläche weit fortgeschritten. Trotz aller Spekulationen im Vorfeld: Es lassen sich nach den Ergebnissen demokratische Bündnisse bilden. Rechtsextreme dürfen auf keinen Fall Einfluss auf die Regierungsbildung in Thüringen und Sachsen haben. Jede Überlegung über eine Zusammenarbeit mit der AfD – egal ob innerhalb der außerhalb einer Koalition – trägt zur weiteren Normalisierung des Rechtsextremismus bei.
Es braucht in beiden Bundesländern demokratische Mehrheitsregierungen, die rechtsextremen Positionen klar und entschieden entgegentreten. Die demokratischen Parteien haben in der Summe versagt, dem entgegenzutreten. Im Wahlkampf ging es kaum um Thüringen oder Sachsen, um konkrete Probleme vor Ort, stattdessen wurden abstrakte Ängste befeuert. Der Wahlkampf war von einer flüchtlingsfeindlichen Rhetorik geprägt, der autoritären und rechtsextremen Parteien genutzt hat. Wer jetzt – im Glauben, Rechtsextremen ihre Themen wegzunehmen – ihre Positionen bedient, macht ihre Politik. Dann haben die Rechtsextremen bekommen, was sie wollen, auch ohne Regierungsbeteiligung.
Es gibt den anderen Osten
Trotz rechtsextremer Wahlerfolge gibt es ein anderes Ostdeutschland. Egal ob in Sachsen oder Thüringen, überall setzen sich Menschen für eine starke demokratische Zivilgesellschaft ein. Trotz massiver Anfeindungen, Gewalt und dem Rücken zur Wand bleiben sie stabil und machen sich für einen anderen Osten stark. Einen Osten fernab von Rassismus, Antisemitismus und rechter Gewalt als Normalität. Seit Jahren unterstützen wir diese Menschen. Und wir dürfen sie jetzt nicht allein lassen, gerade jetzt nicht. Klar, spenden ist gut, Solidarität geht weiter. Ruft eure Freund*innen an, besucht Veranstaltungen vor Ort und unterstützt Engagierte. Und das nicht nur nach den Wahlen, sondern langfristig.
Wer Rechtsextreme unterstützt, befördert Gewalt
Auch wenn die Demokratie in Sachsen und Thüringen nicht untergegangen ist, wird das Klima für Betroffene noch rauer. Egal ob für Queers, Kulturvereine, Geflüchtete, Migrant*innen, Jugendliche, demokratische Politiker*innen und Engagierte: Die sicheren Räume werden weniger, die Unterstützung immer kleiner. Und das für alle Menschen, die nicht in das Weltbild der AfD passen, die unsere Demokratie mit Leben füllen und verteidigen. Die AfD und ihre Wählerschaft machen daraus keinen Hehl: Für sie ist politische Gewalt mehr als legitim. Das hat bereits der Wahlkampf gezeigt, das belegen Studien: Angriffe auf demokratische Politiker*innen und Zivilgesellschaft gelten als legitimes Mittel der politischen Auseinandersetzung. Das muss uns genauso besorgen wie die vielen Stimmen für demokratiefeindliche Parteien.
Doch standhaft bleiben geht nicht allein
Demokratie braucht Demokrat*innen und die brauchen unsere Unterstützung. Seit Jahrzehnten fördern und unterstützen wir die demokratische Zivilgesellschaft in Ostdeutschland. Kümmern uns um die Sicherheit von CSDs, supporten demokratische Freiräume, unterstützen Betroffene rechter Gewalt und lassen niemanden allein. Dafür brauchen wir eure Unterstützung. Nicht nur in der Form von Spenden, sondern durch Solidarität. Hört den Menschen zu, nehmt ihre Perspektiven ernst, werdet politisch aktiv, organisiert euch, fahrt dorthin, wo Rechtsextreme nach der Macht greifen und unterstützt den demokratischen Gegenwind von unten. Mit Zynismus und Fingerzeigen a la „selbst schuld“ ist niemandem mehr geholfen.
Rechtsextreme mit Veto-Macht
In Thüringen verfügt die AfD nach aktuellem Stand über eine Sperrminorität, was ihr erheblichen Einfluss auf Verfassungsänderungen, Auflösungen des Landtags und Personalentscheidungen beim Verfassungsgericht gibt. Verfassungsänderungen wären aber gerade der Weg, um die Demokratie wehrhaft gegen antidemokratische Angriffe zu machen – Stichwort Landesdemokratiegesetze. Hier wurde eine Chance vertan, die im Vorfeld lange bekannt war und aus der demokratischen Zivilgesellschaft angemahnt wurde. Um ihre Zustimmung zu gewinnen, dürfen keine Zugeständnisse an die AfD gemacht werden. In Thüringen stellt die AfD zudem wahrscheinlich die Landtagspräsident*in, was ihr erhebliche Gestaltungsmacht gibt, unter anderem für den Ablauf von Sitzungen und damit die Themensetzung.
Überzeugung statt Protest
Schon seit es die Partei gibt, wird die rechtsextreme AfD nicht trotz, sondern wegen ihrer menschenfeindlichen Positionen gewählt. Das zeigen Befragungen regelmäßig nach allen Wahlen. Was sich seit Jahren verändert: Der AfD werden immer größere Kompetenzen zugeschrieben – und das trotz populistischer Parolen statt substantiellem Programm und einem Wahlkampf, der auf Kommunal- und Landesebene verspricht, Bundesthemen anzugehen, die lokal gar nicht entschieden werden. Die AfD zeigt, dass sie dort, wo sie in politischer Verantwortung ist, alles andere als zukunftsfähig gestaltet: In Sonneberg bspw. konnte der AfD-Landrat keines seiner Wahlversprechen umsetzen. Der Landkreis hat keinen funktionierenden Haushalt, die Kliniken sind insolvent, die Schule geschlossen. Aber um konkrete Politik geht es den Wähler*innen nicht, sie wissen genau, wofür die Rechtsextremen stehen und wollen diese Gesellschaft.
Junge Leute wählen rechtsextrem
Die AfD erreicht den stärksten Zuwachs bei Jung- und Erstwählenden und das hat verschiedene Gründe. Nach Jahren der Corona-Pandemie, einer drohenden Klimakatastrophe und anderen globalen Krisen, die sich teilweise unmittelbar auf die Lebenswelten Jugendlicher auswirken, ist die Verunsicherung groß. Kaum eine demokratische Partei macht ein überzeugendes Angebot, wie eine mögliche Zukunft aussehen kann und soll. Hinzu kommt die erfolgreiche TikTok-Strategie der AfD und ein Übermaß an Desinformation. Rechtsextreme Parteien machen ein verlockendes Angebot: Stärke durch die bewusste Abwertung anderer. Einfache Antworten auf komplexe Fragen, Abschottung statt Offenheit. Das verfängt und lässt sich nicht von heute auf Morgen auffangen. Langfristig braucht es verstärkte Schul- und Jugendsozialarbeit sowie Präventionsprogramme, um Jugendliche vor rechtsextremer Einflussnahme zu schützen.
Es braucht ein Umdenken in der politischen Kultur
Es braucht eine geschlossene Haltung der Demokrat*innen zu wesentlichen Themen bei den Koalitionsverhandlungen – aber auch einen einheitlichen Umgang mit Anti-Demokraten. Dazu gehört auch ein langes überfälliges Umdenken in der politischen Kultur, eine klare Kante gegen Rechtsextreme und ihre Politik und ein organisierter Gegenwind.Am Ende geht es nicht darum, ob die Leute mehr oder weniger rechtsextreme Parteien wählen, sondern ob und wie weit sie sich demokratisch positionieren und wie es um das Vertrauen in die Demokratie und ihre Prozesse steht. Wenn der Rechtsruck Realität wird, brauchen wir den Demokratieruck. Gerade in diesen schwierigen Zeiten heißt das, lagerübergreifend als Gesellschaft zusammenstehen und den demokratischen Zusammenhalt zu stärken, anstatt sich in der Auseinandersetzung mit Demokratiefeinden gegenseitig zu zerreiben.
Jetzt erst recht: Demokratischer Gegenwind von unten
Es ist unerlässlich, dass wir die Zivilgesellschaft in Ostdeutschland weiterhin stärken und die demokratische Beteiligung ausbauen, insbesondere in ländlichen Regionen. Allein im Jahr 2024 haben wir mit unserer Kampagne „Gegenwind“ bereits 104 Projekte gefördert, die sich gegen den drohenden rechtsextremen Normalzustand in Ostdeutschland einsetzen und eine Normalisierung von Rassismus und Antisemitismus bekämpfen. Das ist der andere Osten: Menschen, die trotz allem nicht aufgeben und sich jetzt erst recht nicht unterkriegen lassen. Eine Gegenreaktion kann nur von dort kommen, von unten, aus der demokratischen Zivilgesellschaft. Dafür brauchen wir eure Hilfe und Unterstützung. Gerade in diesen schwierigen Zeiten müssen wir als Gesellschaft solidarisch zusammenstehen und den demokratischen Zusammenhalt stärken!