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„Am Schlimmsten ist das Schweigen über Rassismus“ – Newsletter Juni 2020

"Am Schlimmsten ist das Schweigen über Rassismus" - Newsletter Juni 2020

In eigener Sache

Liebe Leserinnen und Leser,

gerade sprechen alle über Rassismus. Der Tod von George Floyd in den USA, der durch rassistische Polizisten auf offener Straße umgebracht wurde, empört Politiker wie Medien. Und das ist gut so. Den Rassismus in den USA anzuprangern ist wichtig, so wie empört zu sein über die Politik von Präsident Trump. Wohlfeil wird es jedoch in dem Moment, wenn Rassismus als Erfahrung, als Wort, als Problem in Deutschland gleichzeitig verschwiegen oder kleingeredet wird. Ich weiß nicht, wie es Ihnen damit geht, mir jedenfalls bricht es das Herz, wenn ich sehe, was in den USA passiert – den omnipräsenten Rassismus ebenso wie die Gesten der Solidarität. Und ich werde wütend, wenn hier in Deutschland die Berichterstattung so tut, als gäbe es Rassismus in Deutschland nicht. Als sei es nur „da drüben“, eben woanders, bei „denen“. Diese Externalisierung eines so zentralen Problems innerhalb der deutschen Gesellschaft, wie sie mit dem Blick auf die USA zelebriert wird, ist hochmütig und schäbig. Denn hier, nicht irgendwo anders, sollten die Zahlen der Straftaten im Bereich Rechtsextremismus, so wie sie gerade vom Innenministerium vorgestellt wurden, Bescheidenheit anmahnen. Antisemitische und auch rassistische Straftaten haben heftig zugenommen. Und das Dunkelfeld gerade bei Rassismus ist sehr hoch.

Auch in Deutschland werden Schwarze Menschen von der Polizei grundlos behelligt. Sie werden im Alltag angefeindet, auf der Straße bespuckt, in der Schule gemobbt und im Job anders behandelt als alle anderen. Ihre Erfahrungen werden nicht gehört, die tägliche Belastung durch Feindseligkeiten in Kauf genommen. Weshalb werden in Talkshows keine Schwarzen Menschen eingeladen, wenn es um Rassismus geht? Wieso keine Juden, wenn es um Antisemitismus geht? Oder nur jeweils solche, die der mehrheitsdeutschen Befindlichkeit gerade passen? Dieses Messen mit zweierlei Maß macht mich wütend. Wir haben auch in Deutschland Rechtsextreme in Polizei und Bundeswehr, sogar einige in der Justiz. Es gibt individuelle und strukturelle Diskriminierung Schwarzer Menschen und anderer sichtbarer Minoritäten. Und zwar viel und heftig. Die Tatsache, dass die Öffentlichkeit dies erst seit Kurzem wahrzunehmen beginnt, macht es nicht besser. Im Gegenteil. Das Schweigen über Rassismus ist das Schlimmste, vor allem für diejenigen, die ihn erleben müssen. Die Ungerechtigkeit, das Gefühl von Ohnmacht führen zu Wut und/oder Depressionen. Das darf nicht sein. Auch das Grundgesetz verbietet, dass Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe diskriminiert werden.

Ein Jahr nach dem Mord an Walter Lübcke hat sich einiges getan in den Sicherheitsbehörden. Diese Tat führte zu einem Schock. Walter Lübcke, Regierungspräsident, Hesse, CDU Mitglied wurde ermordet, weil er sich für Geflüchtete einsetzte und dafür mit christlichen Werten argumentierte. Diese Tat war ein Wendepunkt. Mit ihr hat ein Umdenken über rechtsextreme Strukturen, Tätermentalitäten und Terror begonnen. Wir alle werden Walter Lübcke in Erinnerung behalten. Er wurde dafür ermordet, etwas Selbstverständliches anzumahnen, nämlich Menschlichkeit.

Die fast 200 Todesopfer rechter Gewalt, die ihm vorausgegangen waren, hatten Überlegungen dieser Art nicht auszulösen vermocht. Seit vielen Jahren eskaliert die Gewalt gegen Geflüchtete, gegen Eingewanderte und Schwarze Deutsche. Die Tatsache, dass dies nicht zu einem Umdenken geführt hatte, ist beschämend. Deshalb wünsche ich mir, dass Rassismus, bevor hierzulande woanders hingezeigt wird, hier in Deutschland bekämpft wird. Wir solidarisieren uns mit allen, die gegen Rassismus kämpfen. Er ist Gift für die Demokratie. Egal wo!

Ihre Anetta Kahane

P.S. Bundesweit wird am Samstag zu Demonstrationen gegen Rassismus aufgerufen. Ganz herzlich lade ich Sie dazu ein, an den Kundgebungen in Ihrer Region teilzunehmen.

Anetta Kahane. Foto: © Peter van Heesen

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