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Gute Nachrichten

“Es reicht, es muss sich gehörig was ändern!” Die Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus 2021 starten

Mit 150 Veranstaltungen in allen Bundesländern und digital sowie einer bundesweiten Plakat- und Online-Kampagne machen die Aktionswochen in den kommenden Wochen auf den alltäglichen Antisemitismus aufmerksam und machen deutlich: Es reicht! Es muss sich gehörig was ändern! 

Seit 2003 und auch in diesem Jahr machen die Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus mit einer bundesweiten Kampagne und zahlreichen Veranstaltungen den antisemitischen Alltag in Deutschland sichtbar, zeigen Möglichkeiten auf, was dagegen zu tun ist und unterstützen die Zivilgesellschaft in ihrem tagtäglichen Kampf gegen Antisemitismus.

Aber nach den Anschlägen in Halle und Hanau, nach den massiven antisemitischen Ausschreitungen der letzten Jahre im Mai 2021 unter dem Deckmantel der “Israelkritik” und auch nach zahlreichen Versuchen, die Errungenschaften der Anti-Antisemitismusbekämpfung rückgängig zu machen und einen Schlussstrich zu ziehen, lautet die Botschaft in diesem Jahr: machen und einen Schlussstrich zu ziehen, lautet die Botschaft in diesem Jahr: Ja, wir machen endlich Schluss. Schluss mit Antisemitismus und Schluss mit Shalom Deutschland: mit den Phrasendrescher:innen, die große Sonntagsreden schwingen und sich bei konkreten Handlungen zurückhalten, Schluss mit Goysplainer:innen, die Jüdinnen:Juden erklären, was Antisemitismus ist und auch Schluss mit den Israelkritiker:innen, die angeblich nichts gegen Juden haben, aber Israel von der Landkarte tilgen wollen.

Und das alles im Jahr 2021, eigentlich einem Festjahr: Gefeiert werden 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. Die Stimmung wird aber getrübt. 2021 ist ein Festjahr mit Beigeschmack. Gleichzeitig waren aber auch die 1699 Jahre jüdisches Leben in Deutschland vor der Corona-Pandemie – gelinde gesagt – nicht einfach. Denn Antisemitismus hat eine lange Geschichte, Verfolgungen, Vertreibungen, Morde prägen die deutsch-jüdische Geschichte.

Vielleicht ist das Festjahr aber auch gerade durch die aktuelle Gleichzeitigkeit von alltäglichem Antisemitismus und resilientem jüdischem Leben repräsentativ für die letzten 1700 Jahre: Ja, es gibt jüdisches Leben in Deutschland, es gibt jüdische Perspektiven und es gibt auch Verbündete, die sich gegen Antisemitismus engagieren, trotz alledem. Deshalb senden die Aktionswochen gleichzeitig ein <3 Shalom Deutschland <3 an diejenigen, die tagtäglich gegen diesen Antisemitismus kämpfen. Wir brauchen Standhafte und Verbündete, – wie euch – mit denen wir Schulter an Schulter gegen Antisemitismus stehen und ohne die wir unsere Arbeit nicht machen könnten.

Aus Gesprächen mit v.a. jüdischen Netzwerk- und Kooperationspartner:innen wurde diese Stimmung deutlich und floss in die Kampagnengestaltung mit ein. “Es reicht, es muss sich gehörig was ändern!“, erläutert der Projektleiter der Aktionswochen Nikolas Lelle. “Nach Hanau, nach Halle, nach antisemitischen Ausschreitungen darf sich niemand ausruhen und denken, wir hätten Antisemitismus im Griff. Es muss mehr passieren. Die jüdische Community findet sich zwischen Lobhudelei und Ignoranz wieder.” Das Ziel der Aktionswochen ist es also weiterhin den jüdischen Perspektiven Sichtbarkeit zu verschaffen. “Wo Anschläge wie Halle erst Monate her sind, kann Harmonie auf Knopfdruck keine Realität sein. Stattdessen blicken wir auf die Praktiken jüdischer Widerständigkeit, die jüdisches Leben in diesem Land überhaupt erst ermöglicht haben”, erläutert Lelle.

Diese Haltung spiegelt sich nicht nur in der Plakat- und Online-Kampagne, sondern auch in zahlreichen Kooperationsveranstaltungen, die im Rahmen der diesjährigen Aktionswochen stattfinden:

Eine Übersicht der weiteren Veranstaltungen, Hintergrundtexte zu den Plakaten, und erschienenen Publikationen im Rahmen der diesjährigen Aktionswochen finden Sie hier: www.shalom-deutschland.de

Bei Fragen wenden Sie sich an: aktionswochen@amadeu-antonio-stiftung.de

Stellungnahme

Die Bedrohungen gegen Jasmina Kuhnke sind Angriffe auf die Zivilgesellschaft

Die Schwarze Aktivistin und vierfache Mutter Jasmina Kuhnke setzt sich unter dem Social Media Synonym Quattromilf seit Jahren unentwegt und entschlossen gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit ein. Nun wurde ihre Adresse mit den Worten „Massakriert Jasmina Kuhnke“ veröffentlicht. Dies zwang sie und Ihre Familie aus der eigenen Wohnung zu fliehen und unterzutauchen.

Aktivist*innen, Politiker*innen und Organisationen, die offen die Zivilgesellschaft und demokratische Werte verteidigen, waren schon immer Ziel und Opfer von rechten Hetzkampagnen. Doch seit einigen Jahren müssen wir beobachten, wie sich menschenfeindliche Sprache im Netz derart etabliert, dass Menschen von Rassist*innen und der extremen Rechten offen bedroht und sogar körperlich angegriffen werden.

Die Verteidigung von Menschenrechten und Aktionen, sind schon Anlass für Hass und Hetze. Dabei werden Menschen, nach dem Geist des Grundgesetzes, die für die Demokratie und das Gleichwertigkeitsprinzip einstehen, zum Feindbild gemacht.

Insbesondere Frauen werden besonders häufig attackiert und gelten den Angreifer*innen als Dorn im Auge: Das Frauenbild der extremen Rechten reagiert besonders hasserfüllt auf Frauen, die sich für emanzipatorische Werte engagieren.

Ein aktuelles und besonders brutales Beispiel ist die Markierung der Frau und Mutter Jasmina Kuhnke als Zielscheibe. Nach dem jahre langem Engagement der Schwarzen Aktivistin, wurde sie nicht nur rassistisch und antifeminitsich attackiert, ihre Adresse wurde veröffentlicht und schließlich erhielt sie Morddrohungen mit dem Aufruf „Massakriert Jasmina Kuhnke“. Daraufhin musste sie mit ihrer sechsköpfigen Familie fluchtartig ihre Wohnung verlassen und schließlich umziehen. Dabei musste sie nicht nur die gesamten Kosten des Unttertauchens zahlen, sondern ebenso die Anwält*innen zur Verfolgung der Straftaten und zur Durchsetzung des Polizeischutzes.

Als seien die Anfeindungen der extremen Rechten nicht genug, kamen im Falle von Jasmina Kuhnke auch noch rechtskonservative Medien hinzu, die durch Behauptungen wie „der Kampf gegen Rassismus sei für Betroffene und Unterstützer*innen zum lukrativen ‚Geschäftsmodell‘ geworden“, die Wut und Gewaltphantasien jener Personen befeuerten, die nur allzu bereit waren Worten auch Taten folgen zu lassen.

Besonders skandalös ist, dass die Polizei die Bedrohung nicht ernst genommen und Hilfe abgelehnt hat. Es kann nicht sein, dass engagierte Personen wie Jasmina Kuhnke vom Staat nicht beschützt werden. Es sollte nach den Fällen von Hanau, Halle und dem Mord an Walter Lübcke auch der Polizei bekannt sein, dass Rechtsextremist*innen durchaus dazu in der Lage sind, Menschen zu töten. Diese unterlassene Hilfeleistung ist sowohl ein Skandal gegenüber Jasmina, aber auch gegenüber allen, die sich gegen Rechtsextremismus exponieren.

Doch Aktivist*innen wie Jasmina Kuhnke sind keine Opfer, sie sind Held*innen. Auch weil sie und viele andere aktivistische Mütter nicht nur sich selbst schützen müssen, sondern ebenso die Sicherheit ihrer Familien verantworten, ist der Schutz dieser tapferen Frauen auch unsere Verantwortung.

Deshalb unterstützen wir den Spendenaufruf unter dem Motto „SHEROES Fund“, die Aktivist*innen wie Jasmina Kuhnke unterstützen soll, die durch das fluchtartige Untertauchen, die Finanzierung von Anwält*innen und den zeitgleichen Umzug Kosten von 50.000€ tragen musste. Nachdem das Fundraising-Ziel von 50.000 € für die Unterstützung von Jasmina Kuhnke erreicht ist, soll der “Sheroes Fund” ebenso andere Sheroes unterstützen.

Sie und viele andere Sheroes werden nicht die Letzten sein, die im Kampf gegen Menschenfeindlichkeit Bedrohungen erfahren werden und keine von ihnen sollte allein gelassen werden. Deshalb rufen wir jede Person dazu auf, den Aufruf mitzutragen und zu spenden!

Unter dem Link finden Sie den Spendenaufruf und die Beschreibung zu Jasmina Kuhnkes Situation.

https://www.betterplace.org/de/projects/93203-deine-spende-fuer-shero-jasmina-kuhnke

Illustrationscredits: Beno Meli

Stellungnahme

Zum Safer Internet Day 2021: Für ein Internet, in dem sich alle sicher fühlen!

Verschwörungsideologien in Sozialen Netzwerken mobilisieren Menschen. Der “Sturm auf das Kapitol” in den USA und ein halbes Jahr davor der „Sturm auf den Reichstag“ hier in Berlin haben das gezeigt. Online-Hetze, Desinformation und Radikalisierung kann sehr reale und tödliche Folgen haben. In Christchurch, Neuseeland, tötete im Januar 2019 ein online radikalisierter Täter 51 Menschen und streamte die Tat live in Sozialen Netzwerken. Und es gab Folgetaten: die Attentate von Halle im Oktober 2019 und Hanau im Februar 2020 sind Beispiele dafür.

Neben Facebook, Youtube und Co. ist besonders Telegram ein Hotspot für die Verbreitung von Verschwörungsmythen und die Markierung von politischen Feind*innen. Was dieses hybride Medium besonders macht: Es gibt so gut wie kein Handeln der Betreiber*innen – keine Moderation, keine Sperrungen, keine Löschungen. In Kanälen mit zum Teil mehr als 100.000 Abonnent*innen, verbreiten Akteur*innen der extremen Rechten und Verschwörungsideolog*innen die Adressen von politischen Gegner*innen oder ihre Dienstanschriften. Wir wissen, dass sich Berliner Jüdinnen und Juden von den Inhalten in Atilla Hildmanns Telegram-Kanal mit rund 114.000 Abonnent*innen bedroht fühlen.

Was macht digitale Gewalt mit den betroffenen Organisationen und Einzelpersonen?

Menschen, die von solchen Anfeindungen betroffen sind, ziehen sich zurück, äußern sich weniger in Sozialen Netzwerken. So sind engagierte Frauen besonders häufig von misogynen Attacken betroffen. Die Täter veröffentlichen Telefonnummern, Mailadressen und private Anschriften – wir sprechen hier von „Doxing“. Viele Betroffene lassen sich dazu drängen, ihre Social Media-Profile zu schließen oder geben beispielsweise ihren Beruf auf. So ein Rückzug bedeutet: Den Betroffenen wird ein Teil ihres Lebens- und Informationsraums genommen. Die Folgen können wie bei anderen Gewalterfahrungen traumatisch sein. Sie reichen von Stress, Angst, Unruhe bis hin zu Depressionen und Suizidgedanken. Doch auch erzwungene Umzüge oder Arbeitsplatzverluste sind sehr konkrete, schwerwiegende Lebensveränderungen – selbst wenn es nicht zu offline-Gewalt kommt.

Was sind die Auswirkungen für unsere Gesellschaft als Ganze?

In einer Studie des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft von 2019 haben 44% der Berliner Befragten angegeben, dass sie wegen drohender und tatsächlicher Hasskommentare seltener ihre politische Meinung bei Diskussionen im Internet einbringen. Auf Organisationsebene ist es übrigens so, dass zum Beispiel ganze Medienhäuser ihre Kommentarfunktion auf Plattformen oder ihrer Website abschalten. Hassrede ist somit eine Einschränkung der Meinungsvielfalt: Denn die Stimmen von marginalisierten und diskriminierten Gruppen fehlen zunehmend. So verschieben sich auch gefühlte Mehrheiten im Land.  Denn wenn sich ganze Gruppen von besonders häufig angefeindeten Menschen aus Angst von Diskussionen zurückziehen, fehlt ihre Perspektive. Das ist für die Meinungsvielfalt besonders deshalb problematisch, weil die Stimmen marginalisierter Gruppen schon per Definition im Diskurs unterrepräsentiert sind. Wir müssen daher gegensteuern.

Was können Zivilgesellschaft, Politik und Strafverfolgung tun?

Aus Sicht der Betroffenen ist bei strafbaren Inhalten ein schneller zuverlässiger Schutz und effiziente Strafverfolgung am Wichtigsten. Wir empfehlen deshalb, Ansprechpersonen zum Thema Digitale Gewalt bei Polizei und Staatsanwaltschaft zu benennen. An sie könnten sich Betroffene und Zivilgesellschaft wenden. Sinnvoll ist ebenso, wenn das Land Berlin eine Ansprechperson zu digitaler Gewalt benennt. Diese könnte eine Brückenfunktion zwischen Politik, Verwaltung, Strafverfolgung, Zivilgesellschaft und Wissenschaft bilden.

Wir empfehlen, dass die Polizei proaktiv entsprechenden Kanäle, z.B. bei Telegram in Form von Online-Streifen in den Blick nimmt, auch um mögliche zukünftige Anschläge zu verhindern. Das wird aber nicht reichen: Online-Communities mit radikalisierenden Dynamiken gibt es im Internet überall. Es gibt aber auch überall Menschen, denen solche Aktivitäten auffallen. Bitte nehmen sie deren Warnungen ernst. Dafür ist aus unserer Sicht wichtig, dass Mitarbeitende aller Polizeidienststellen für das Thema digitale Gewalt sensibilisiert werden.

Transparenz und Wirksamkeit von Meldewegen verbessern: Viele Menschen wissen nicht, dass sie Online Anzeigen erstatten oder hetzerische Kommentare melden können. Hier benötigt es weitere Aufklärung. Zur Verbesserung der Prozesse empfehlen wir eine wissenschaftliche Evaluation.

Gegen Diskriminierung in digitalen Räumen hilft am Effektivsten zivilgesellschaftliche Präventionsarbeit und Bildung. Deshalb bietet unser Projekt Workshops zu Gegenrede und Moderation an. Darüber hinaus braucht es aus unserer Sicht Digital Streetwork, also die 1-zu-1-Ansprache von radikalisierungsgefährdeten Personen.

Digitale Räume dürfen nicht als etwas betrachtet werden, das getrennt von der Offline-Welt funktioniert. Für Täter*innen wie Betroffene sind digitale Räume ein ganz normaler Lebensraum, der sich mit dem Offline-Bereich verschränkt. Menschenfeindlichkeit im digitalen Raum hat Auswirkungen auf die offline-Welt und andersherum. Betroffene von digitaler Gewalt verdienen die gleiche Anerkennung, Schutz und Unterstützung wie andere Gewaltopfer.

Das Internet muss endlich ein Ort werden, an dem sich alle Menschen sicher fühlen!

Unser Mitarbeiter Oliver Saal vom Projekt „Civic.net – Aktiv gegen Hass im Netz“ war am 20. Januar 2021 als Sachverständiger zur öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Verfassungsschutz beim Berliner Abgeordnetenhaus eingeladen. Dies ist die gekürzte und redigierte Version seiner Rede.

Seit 2004 findet jährlich im Februar der internationale Safer Internet Day (SID) statt. Über die Jahre hat sich der Aktionstag als wichtiger Bestandteil im Kalender all derjenigen etabliert, die sich für Online-Sicherheit und ein besseres Internet engagieren.

Stellenausschreibung

Gesucht: Referent*in Monitoring im Projekt Good Gaming Support

Foto von Mateo auf Unsplash

Werde Teil einer lokal, regional und bundesweit agierenden Stiftung, die sich erfolgreich für die demokratische Zivilgesellschaft, eine menschenrechtsbasierte demokratische Kultur und für Betroffene rechter Gewalt einsetzt! Die Amadeu Antonio Stiftung sucht für ihren Standort in Berlin zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine*n Referent*in Monitoring für das Projekt Good Gaming Support (30h / Woche).

Über uns

Die Amadeu Antonio Stiftung engagiert sich seit 1998 für eine starke demokratische Zivilgesellschaft. Benannt nach Amadeu Antonio, einem der ersten Todesopfer rechter Gewalt nach der Wiedervereinigung, setzen wir uns konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und alle Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ein.

Dafür unterstützen wir schnell und unbürokratisch lokale Initiativen und Projekte vor Ort, sensibilisieren die Öffentlichkeit, analysieren aktuelle Entwicklungen und entwickeln effektive Strategien, um demokratische Werte zu stärken und Menschenrechte zu schützen. Dabei stehen wir solidarisch an der Seite der Betroffenen und tragen ihre Anliegen in Gesellschaft und Politik.

Deine Aufgaben

Das Projekt Good Gaming Support ist eine Weiterentwicklung des Projekts Good Gaming – Well Played Democracy und verfolgt als primäres Ziel die Unterstützung von Betroffenen von Hass im Gaming. Vor allem die Vermittlung eines konsequenten Umgangs mit Hass im Netz und die Identifizierung menschenfeindlicher Akteur*innen und toxischer Narrative stehen im Vordergrund. Gleichzeitig fokussiert das Projekt das Themenfeld Rechtsextremismus im Gaming und entwickelt unterschiedliche Formate um auf die Problemsituation aufmerksam zu machen. Die*Der Referent*in Monitoring analysiert zentrale Diskurse in verschiedenen Gaming-Communitys und bereitet die Erkenntnisse in qualitativen Berichten für das Projektteam auf. Dabei werden auch relevante Plattformen, Akteur*innen und Narrative identifiziert und eingeordnet.

Deine Tätigkeit

Projektdurchführung und -weiterentwicklung:

  • Monitoring extrem Rechter und toxischer Handlungsfelder im Bereich Gaming
  • Qualitative und quantitative Analysen zu Narrativen und politischer Debatten auf Videospiel- und videospielaffinen Plattformen

Außenvertretung des Projekts sowie Netzwerkarbeit

  • Unterstützung bei Vorträgen und Workshops zum Thema Rechtsextremismus und Gaming
  • Unterstützung und Beratung von Contentschaffenden auf Youtube, Twitch und Instagram bei der Erstellung von Inhalten
  • Zusammenarbeit mit anderen Digitalprojekten innerhalb der Amadeu Antonio Stiftung
  • Vernetzung mit anderen Akteur*innen im Feld

Dokumentation, Evaluation und Publikation von Projektergebnissen:

  • Implementierung von Monitoring- und Evaluationsansätzen, um die Wirksamkeit der Bildungsprogramme zu messen
  • Erstellung von Berichten und Präsentationen für die interne und externe Kommunikation sowie die Teilnahme an Arbeitsgruppen und Netzwerktreffen

Dein Profil

  • Abgeschlossenes Hochschulstudium in Politik-, Sozial-, Kommunikationswissenschaften oder einer vergleichbaren Fachrichtung
  • Erfahrung im Monitoring sowie fundierte Kenntnisse quantitativer und/oder qualitativer empirischer Forschungsmethoden; idealerweise vertraut mit wirkungsorientierten Ansätzen und Indikatorenentwicklung
  • Affinität für digitale Themen und gutes Verständnis für komplexe Dynamiken in Onlinewelten; sprechfähig zu demokratiebezogenen sowie antidemokratischen Erscheinungsformen in digitalen Räumen, insbesondere in Gaming-Spaces
  • Wissen über Contentcreator*innen und die deutsche Influencer*innen-Szene sowie deren Relevanz für politische Meinungsbildung
  • Ausgeprägtes Organisationstalent, zielorientierte und strukturierte Arbeitsweise, gutes Zeitmanagement sowie Erfahrung in der Aufbereitung und Vermittlung von Ergebnissen für unterschiedliche Zielgruppen
  • Eigenständige Arbeitsweise, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit in einem dynamischen, interdisziplinären Umfeld
  • Sicherer Umgang mit gängigen Office- und Internetanwendungen; idealerweise Grundkenntnisse in Tools zur Datenanalyse oder Visualisierung
  • Fundiertes Know-how im Bereich rechtsextremer Narrative, Symbole und Codes sowie Sensibilität für diskriminierungskritische Perspektiven

Wir bieten dir

  • Inspirierendes Team: Ein hochmotiviertes, kompetentes und herzliches Team, das gemeinsam Großes bewegt.
  • Flexibilität, die zu dir passt: Flexible Arbeitszeitmodelle zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, inklusive Möglichkeiten zur mobilen Arbeit.
  • Attraktiver Arbeitsplatz: Ein zentral gelegener Standort in Berlin-Mitte mit hervorragender ÖPNV-Anbindung.
  • Persönliche Weiterentwicklung: Raum für deine berufliche und persönliche Entfaltung mit Fortbildungs- und Supervisionsangeboten.
  • Work-Life-Balance: Freizeitausgleich für jede Überstunde und 30 Tage Urlaub im Jahr (bei einer 5-Tage-Woche) sowie zusätzliche freie Tage am 24. und 31. Dezember.
  • Faire NGO-Vergütung: Eine Bezahlung angelehnt an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVÖD EG 11)

Die Stelle ist bis zum 31.12.2025 befristet. Eine anschließende Verlängerung wird angestrebt. (Projektlaufzeit 31.12.2028)

Das aktive Einbringen und Abbilden vielfältiger Expertisen, Perspektiven und Lebensrealitäten sind für unsere Arbeit essenziell. Um diese im Team abbilden zu können, bestärken wir insbesondere Juden*Jüdinnen, BIPoC, Menschen mit eigener oder familiärer Migrationsgeschichte, LGBTQIA+, Sinti*zze und Rom*nja und Menschen mit Behinderung sich zu bewerben. Der Arbeitsplatz ist leider nicht barrierefrei.

Haben wir dein Interesse geweckt?

Dann bewirb dich bis zum 20.05.2025 per E-Mail. Schicke deine Bewerbung (Anschreiben, Lebenslauf mit Kontaktangaben von zwei persönlichen Referenzen, Arbeitszeugnisse) zusammengefügt in einem PDF-Dokument (max. 4 MB) mit dem Betreff „Bewerbung Good Gaming Support Monitoring“ an bewerbung@amadeu-antonio-stiftung.de.

Wir bitten, in der schriftlichen Bewerbung von Bewerbungsfotos und Angaben zu Alter, Familienstand sowie Kindern abzusehen. Bitte teile uns aber deine gewünschten Pronomen mit.

Wende dich bei Fragen gerne an Mick Prinz – Mick.Prinz@amadeu-antonio-stiftung.de


Datenschutzhinweis

Die Datenverarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen des Bewerbungsverfahrens geschieht ausschließlich zweckgebunden und im Einklang mit der Datenschutzgrundverordnung. Alle Informationen zur Datenverarbeitung gemäß Art. 12 ff. DS-GVO findest du unter https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/datenschutz/

Stellenausschreibung

Gesucht: Bildungsreferent*in Good Gaming Support

Foto von Lorenzo Herrera auf Unsplash

Werde Teil einer lokal, regional und bundesweit agierenden Stiftung, die sich erfolgreich für die demokratische Zivilgesellschaft, eine menschenrechtsbasierte demokratische Kultur und für Betroffene rechter Gewalt einsetzt! Die Amadeu Antonio Stiftung sucht für ihren Standort in Berlin zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine*n Bildungsreferent*in für das Projekt Good Gaming Support (34h / Woche).

Über uns

Die Amadeu Antonio Stiftung engagiert sich seit 1998 für eine starke demokratische Zivilgesellschaft. Benannt nach Amadeu Antonio, einem der ersten Todesopfer rechter Gewalt nach der Wiedervereinigung, setzen wir uns konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und alle Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ein.

Dafür unterstützen wir schnell und unbürokratisch lokale Initiativen und Projekte vor Ort, sensibilisieren die Öffentlichkeit, analysieren aktuelle Entwicklungen und entwickeln effektive Strategien, um demokratische Werte zu stärken und Menschenrechte zu schützen. Dabei stehen wir solidarisch an der Seite der Betroffenen und tragen ihre Anliegen in Gesellschaft und Politik.

Deine Aufgaben

Das Projekt Good Gaming Support ist eine Weiterentwicklung des Projekts Good Gaming – Well Played Democracy und verfolgt als primäres Ziel die Unterstützung von Betroffenen von Hass im Gaming. Vor allem die Vermittlung eines konsequenten Umgangs mit Hass im Netz und die Identifizierung menschenfeindlicher Akteur*innen und toxischer Narrative stehen im Vordergrund. Gleichzeitig fokussiert das Projekt das Themenfeld Rechtsextremismus im Gaming und entwickelt unterschiedliche Formate um auf die Problemsituation aufmerksam zu machen. Die Bildungsreferent*in bildet die Schnittstelle zu verschiedenen Zielgruppen und vermittelt die Inhalte des Projekts in Form von Workshops, Vorträgen und Medienbeiträgen.

Deine Tätigkeit

Projektdurchführung und -weiterentwicklung:

  • Konzeption, Durchführung, Evaluation und Dokumentation von Vorträgen, Workshops und Bildungsveranstaltungen zum Thema Rechtsextremismus und Gaming
  • Konzeption didaktische Materialien und Entwicklung von innovativen Fortbildungsformaten zur Durchführung von Qualifizierungsworkshops mit Influencer*innen, Sozialarbeiter*innen, Schüler*innen und Gamer*innen

Außenvertretung des Projekts sowie Netzwerkarbeit

  • Netzwerkarbeit mit heterogenen Akteur*innen, sowohl analog, als auch in digitalen Formaten (Twitch, Instagram, Youtube)
  • Beratung und Coaching von Multiplikator*innen und Contentschaffenden auf Youtube, Twitch und Instagram bei der Erstellung von Inhalten
  • Repräsentation der Amadeu Antonio Stiftung und des Projekts u.a. in Workshops, Vorträgen und auf Konferenzen
  • Zusammenarbeit mit anderen Digitalprojekten der Amadeu Antonio Stiftung

Dokumentation, Evaluation und Publikation von Projektergebnissen:

  • Implementierung von Evaluationsmechanismen, um die Wirksamkeit der Bildungsprogramme zu messen
  • Erstellung von Berichten und Präsentationen für die interne und externe Kommunikation sowie die Teilnahme an Arbeitsgruppen und Netzwerktreffen

Dein Profil

  • Abgeschlossenes Hochschulstudium im Bereich: Politik, Sozialwissenschaften, Kommunikationswissenschaften oder ähnlich vergleichbare Qualifikationen
  • Fundierte Erfahrung in der politischen Bildungsarbeit, in der Konzeption und Umsetzung; Affinität für digitale Themen und Wissen über komplexe Entwicklungen und Zusammenhänge von online Welten
  • Sprechfähigkeit bezüglich demokratischer und antidemokratischer Agitationen in Gaming-Spaces
  • Wissen über Contentcreator*innen und der deutschen Influencer*innen Szene
  • Hervorragende Kommunikations- und Präsentationsfähigkeiten sowie sicheres und empathisches Auftreten in Netzwerkarbeit
  • Organisationstalent mit zielorientierter und strukturierter Arbeitsweise und gutem Zeitmanagement
  • Eigenständige Arbeitsweise, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit in einer sich verändernden Umgebung
  • Beherrschung der gängigen Office- und Internetanwendungen

Wir bieten dir

  • Inspirierendes Team: Ein hochmotiviertes, kompetentes und herzliches Team, das gemeinsam Großes bewegt.
  • Flexibilität, die zu dir passt: Flexible Arbeitszeitmodelle zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, inklusive Möglichkeiten zur mobilen Arbeit.
  • Attraktiver Arbeitsplatz: Ein zentral gelegener Standort in Berlin-Mitte mit hervorragender ÖPNV-Anbindung.
  • Persönliche Weiterentwicklung: Raum für deine berufliche und persönliche Entfaltung mit Fortbildungs- und Supervisionsangeboten.
  • Work-Life-Balance: Freizeitausgleich für jede Überstunde und 30 Tage Urlaub im Jahr (bei einer 5-Tage-Woche) sowie zusätzliche freie Tage am 24. und 31. Dezember.
  • Faire NGO-Vergütung: Eine Bezahlung angelehnt an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVÖD EG 11)

Die Stelle ist bis zum 31.12.2025 befristet. Eine anschließende Verlängerung wird angestrebt. (Projektlaufzeit 31.12.2028)

Das aktive Einbringen und Abbilden vielfältiger Expertisen, Perspektiven und Lebensrealitäten sind für unsere Arbeit essenziell. Um diese im Team abbilden zu können, bestärken wir insbesondere Juden*Jüdinnen, BIPoC, Menschen mit eigener oder familiärer Migrationsgeschichte, LGBTQIA+, Sinti*zze und Rom*nja und Menschen mit Behinderung sich zu bewerben. Der Arbeitsplatz ist leider nicht barrierefrei.

Haben wir dein Interesse geweckt?

Dann bewirb dich bis 20.05.2025 per E-Mail. Schicke deine Bewerbung (Anschreiben, Lebenslauf mit Kontaktangaben von zwei persönlichen Referenzen, Arbeitszeugnisse) zusammengefügt in einem PDF-Dokument (max. 4 MB) mit dem Betreff „Bewerbung Good Gaming Support Bildungsreferent*in“ an bewerbung@amadeu-antonio-stiftung.de.

Wir bitten, in der schriftlichen Bewerbung von Bewerbungsfotos und Angaben zu Alter, Familienstand sowie Kindern abzusehen. Bitte teile uns aber deine gewünschten Pronomen mit.

Wende dich bei Fragen gerne an Mick Prinz – Mick.Prinz@amadeu-antonio-stiftung.de


Datenschutzhinweis

Die Datenverarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen des Bewerbungsverfahrens geschieht ausschließlich zweckgebunden und im Einklang mit der Datenschutzgrundverordnung. Alle Informationen zur Datenverarbeitung gemäß Art. 12 ff. DS-GVO findest du unter https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/datenschutz/

Stellenausschreibung

Gesucht: Berater*in / Digital Streetwork Good Gaming Support

Foto von Fausto Sandoval auf Unsplash

Werde Teil einer lokal, regional und bundesweit agierenden Stiftung, die sich erfolgreich für die demokratische Zivilgesellschaft, eine menschenrechtsbasierte demokratische Kultur und für Betroffene rechter Gewalt einsetzt! Die Amadeu Antonio Stiftung sucht für ihren Standort in Berlin zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine*n Berater*in für Betroffene zum Thema Hass im Gaming (20h / Woche).

Über uns

Die Amadeu Antonio Stiftung engagiert sich seit 1998 für eine starke demokratische Zivilgesellschaft. Benannt nach Amadeu Antonio, einem der ersten Todesopfer rechter Gewalt nach der Wiedervereinigung, setzen wir uns konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und alle Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ein.

Dafür unterstützen wir schnell und unbürokratisch lokale Initiativen und Projekte vor Ort, sensibilisieren die Öffentlichkeit, analysieren aktuelle Entwicklungen und entwickeln effektive Strategien, um demokratische Werte zu stärken und Menschenrechte zu schützen. Dabei stehen wir solidarisch an der Seite der Betroffenen und tragen ihre Anliegen in Gesellschaft und Politik.

Deine Aufgaben

Das Projekt Good Gaming Support ist eine Weiterentwicklung des Projekts Good Gaming – Well Played Democracy und verfolgt als primäres Ziel die Unterstützung von Betroffenen von Hass im Gaming. Vor allem die Vermittlung eines konsequenten Umgangs mit Hass im Netz und die Identifizierung menschenfeindlicher Akteur*innen und toxischer Narrative stehen im Vordergrund. Gleichzeitig fokussiert das Projekt das Themenfeld Rechtsextremismus im Gaming und entwickelt unterschiedliche Formate um auf die Problemsituation aufmerksam zu machen. Als Ansprechperson für von Hass im Gaming betroffene Akteur*innen nimmt die*der Berater*in Anfragen entgegen, bearbeitet diese und stimmt das weitere Vorgehen im Team ab.

Deine Tätigkeit

Projektdurchführung und -weiterentwicklung:

  • Beratung und Begleitung von Gamer*innen, die von Hass im Netz betroffen sind, sowie kontext- und plattformgerechte Anwendung von Methoden des digitalen Streetwork in heterogenen Online-Communitys
  • Konzeption, Durchführung und Weiterentwicklung von Vorträgen, Workshops und weiteren Bildungsformaten zu Rechtsextremismus und Gaming
  • Entwicklung und Umsetzung praxisnaher Materialien und innovativer Qualifizierungsangebote für unterschiedliche Zielgruppen, u. a. Contentschaffende, Fachkräfte der Sozialen Arbeit, Jugendliche und Gamer*innen
  • Zusammenarbeit mit analogen Unterstützungsstrukturen der Sozialen Arbeit zur Verzahnung von digitaler Beratung und realweltlicher Unterstützung

Außenvertretung des Projekts sowie Netzwerkarbeit

  • Repräsentation der Amadeu Antonio Stiftung und des Projekts in digitalen Debatten, Workshops, Konferenzen und auf Veranstaltungen
  • Beratung und Coaching von Contentschaffenden auf YouTube, Twitch und Instagram bei der Entwicklung von Inhalten
  • Vernetzung und fachlicher Austausch mit Kooperationspartner*innen, anderen Digitalprojekten sowie relevanten Community-Akteur*innen auf digitalen Plattformen

Dokumentation, Evaluation und Publikation von Projektergebnissen:

  • Implementierung von Evaluationsmechanismen, um die Wirksamkeit der Projektakivitäten zu messen
  • Erstellung von Berichten und Präsentationen für die interne und externe Kommunikation sowie die Teilnahme an Arbeitsgruppen und Netzwerktreffen

Dein Profil

  • Abgeschlossenes Hochschulstudium in Erziehungswissenschaften, Sozialwissenschaften, Kommunikationswissenschaften oder vergleichbare Qualifikationen
  • Affinität für digitale Themen und fundiertes Wissen über die Dynamiken und Zusammenhänge in Onlinewelten, insbesondere in Gaming-Communitys sowie Sprechfähigkeit über demokratische und antidemokratische Agitationen in digitalen Räumen, insbesondere in Gaming- und Social Media-Kontexten
  • Erfahrung im Umgang mit Contentcreator*innen und der deutschen Influencer*innen-Szene
  • Kenntnisse unterschiedlicher didaktischer Bildungsformate, mit Erfahrung in der Entwicklung und Durchführung von Workshops, Vorträgen und digitalen Bildungsangeboten
  • Pädagogische Expertise in der Arbeit mit digitalen Tools und Plattformen, insbesondere im Kontext von digitalem Streetwork und Beratung innerhalb von heterogenen Online-Communitys
  • Empathie und Beratungskompetenz, um individuelle Bedürfnisse von Gamer*innen zu erkennen und gezielte Unterstützung zu bieten
  • Kooperationsfähigkeit und strukturierte Arbeitsweise in interdisziplinären Teams sowie Erfahrung in der abgestimmten Umsetzung gemeinsamer Projekte

Wir bieten dir

  • Inspirierendes Team:Ein hochmotiviertes, kompetentes und herzliches Team, das gemeinsam Großes bewegt.
  • Flexibilität, die zu dir passt:Flexible Arbeitszeitmodelle zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, inklusive Möglichkeiten zur mobilen Arbeit.
  • Attraktiver Arbeitsplatz:Ein zentral gelegener Standort in Berlin-Mitte mit hervorragender ÖPNV-Anbindung.
  • Persönliche Weiterentwicklung:Raum für deine berufliche und persönliche Entfaltung mit Fortbildungs- und Supervisionsangeboten.
  • Work-Life-Balance: Freizeitausgleich für jede Überstunde und 30 Tage Urlaub im Jahr (bei einer 5-Tage-Woche) sowie zusätzliche freie Tage am 24. und 31. Dezember.
  • Faire NGO-Vergütung:Eine Bezahlung angelehnt an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVÖD EG 11)

Die Stelle ist bis zum 31.12.2025 befristet. Eine anschließende Verlängerung wird angestrebt. (Projektlaufzeit 31.12.2028)

Das aktive Einbringen und Abbilden vielfältiger Expertisen, Perspektiven und Lebensrealitäten sind für unsere Arbeit essenziell. Um diese im Team abbilden zu können, bestärken wir insbesondere Juden*Jüdinnen, BIPoC, Menschen mit eigener oder familiärer Migrationsgeschichte, LGBTQIA+, Sinti*zze und Rom*nja und Menschen mit Behinderung sich zu bewerben. Der Arbeitsplatz ist leider nicht barrierefrei.

Haben wir dein Interesse geweckt?

Dann bewirb dich bis 20.05.2025 per E-Mail. Schicke deine Bewerbung (Anschreiben, Lebenslauf mit Kontaktangaben von zwei persönlichen Referenzen, Arbeitszeugnisse) zusammengefügt in einem PDF-Dokument (max. 4 MB) mit dem Betreff „Bewerbung Good Gaming Support Beratung“ an bewerbung@amadeu-antonio-stiftung.de.

Wir bitten, in der schriftlichen Bewerbung von Bewerbungsfotos und Angaben zu Alter, Familienstand sowie Kindern abzusehen. Bitte teile uns aber deine gewünschten Pronomen mit.

Wende dich bei Fragen gerne an Mick Prinz – Mick.Prinz@amadeu-antonio-stiftung.de


Datenschutzhinweis

Die Datenverarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen des Bewerbungsverfahrens geschieht ausschließlich zweckgebunden und im Einklang mit der Datenschutzgrundverordnung. Alle Informationen zur Datenverarbeitung gemäß Art. 12 ff. DS-GVO findest du unter https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/datenschutz/

AfD als „gesichert rechtsextremistisch” eingestuft: Welche Folgen hat das?

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD bundesweit als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft. Das bedeutet, dass die Behörde nach intensiver Prüfung davon überzeugt ist, dass die Partei als Ganzes aktiv gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung arbeitet – insbesondere durch Missachtung der Menschenwürde, des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips.

„Maßgeblich für unsere Bewertung ist das die AfD prägende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis, das ganze Bevölkerungsgruppen in Deutschland abwertet und in ihrer Menschenwürde verletzt. Dieses Volksverständnis konkretisiert sich in einer insgesamt migranten- und muslimfeindlichen Haltung der Partei“, begründet der Verfassungsschutz die Entscheidung.

Was darf der Verfassungsschutz jetzt machen?

Diese Einstufung ist die höchste Alarmstufe im Verfassungsschutz und erleichtert die nachrichtendienstliche Beobachtung erheblich.

Der Verfassungsschutz kann die Partei und ihre Mitglieder weiterhin observieren, V-Leute anwerben und Telekommunikation überwachen. Es sind die gleichen Mittel wie bisher auch, aber die Verhältnismäßigkeit ist leichter zu begründen. Die Maßnahmen sind rechtlich eher gerechtfertigt und können umfassender angewandt werden.

Die AfD und ihre Finanzierung können intensiver überwacht werden. Außerdem darf die Behörde die Öffentlichkeit umfassender über die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der Partei informieren.

Kommt jetzt das Parteiverbot?

Ein Parteiverbot gegen die AfD geschieht nach der Einstufung keineswegs automatisch. Die AfD bleibt weiterhin eine zugelassene Partei, darf an Wahlen teilnehmen und ist im Bundestag vertreten.

Ein Verbotsverfahren ist komplex und langwierig: Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung müssen einen Antrag beim Bundesverfassungsgericht stellen. Es müssen umfassende Beweise vorgelegt werden, dass die AfD als Ganzes verfassungswidrig ist. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet dann über ein Verbot.

Die jetzige Einstufung ist dafür aber eine wichtige Grundlage. Sie bestätigt, dass die Partei gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung agiert.

Insbesondere jene Politiker*innen, die sich bisher gegen ein Verbotsverfahren ausgesprochen haben, müssen sich jetzt fragen, ob eine gesichert verfassungsfeindliche Partei wirklich eine „Partei wie jede andere“ ist.

Können AfD-Mitglieder jetzt noch im Staatsdienst tätig sein?

Beamte haben eine besondere Treuepflicht zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Aber die AfD-Mitgliedschaft allein führt nicht automatisch zur Entfernung aus dem Staatsdienst. Beamte sind auch nicht verpflichtet, Parteimitgliedschaften offenzulegen.

Behörden müssen weiterhin individuell nachweisen, dass ein*e Lehrer*in oder Polizist*in tatsächlich verfassungsfeindliche Positionen vertritt. Erst ein AfD-Verbot hätte unmittelbare und pauschale Folgen für Mitglieder im Staatsdienst, etwa die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.

Bayern und Hessen haben bereits angekündigt, AfD-Mitglieder im Staatsdienst genauer zu überprüfen. Es gibt aber noch keine einheitliche Regelung oder sofortige Maßnahmen.

Die rechtlichen Hürden für eine Entfernung aus dem Dienst sind gesunken, aber nicht verschwunden.

Bekommt die rechtsextreme AfD jetzt trotzdem Steuergelder?

Die AfD erhält weiterhin staatliche Parteienfinanzierung. Die Einstufung als „gesichert rechtsextremistisch“ ist nicht automatisch mit einem Ausschluss verbunden.

Über den Ausschluss entscheidet das Bundesverfassungsgericht in einem speziellen Verfahren – was etwas anderes ist als das Parteiverbotsverfahren. Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung können das Verfahren beantragen. Die rechtliche Grundlage dafür wurde 2017 ins Grundgesetz eingefügt (Artikel 21 Absatz 3 GG). Damit wurde Die Heimat (ehemals NPD) für sechs Jahre von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen, weil sie darauf ausgerichtet ist, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen.

Die AfD könnte von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden, wenn sich eines der drei Verfassungsorgane zu einem entsprechenden Antrag entschließt.

Müssen Lehrer*innen jetzt nicht mehr „politisch neutral“ sein?

Die AfD bringt gern ein Neutralitätsgebot gegen Lehrkräfte und die politische Bildung in Stellung, um sie mundtot zu machen – und legt es dafür falsch aus:
Das Neutralitätsgebot verbietet, im Unterricht einseitig oder provokativ für eine Partei zu werben oder diese zu diffamieren. Aber: Lehrer*innen sind gesetzlich verpflichtet, demokratische Werte wie Menschenrechte und Toleranz zu vermitteln.

Gegenüber einer verfassungsfeindlichen Partei wie der AfD dürfen Lehrkräfte kritisch Stellung beziehen. Die politische Bildung soll pluralistisch bleiben, aber rechtsextreme Positionen sind nicht als legitimer Teil des demokratischen Meinungsspektrums zu behandeln.

Die Einstufung stärkt die Möglichkeit und sogar die Pflicht von Lehrkräften, die AfD als verfassungsfeindlich zu benennen und ihre Inhalte kritisch zu behandeln, ohne dabei das Neutralitätsgebot zu verletzen.

Aktionswochen gegen Antisemitismus

[tacheles_4] “Arbeit macht frei” 80 Jahre Kriegsende

Vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Die Nationalsozialisten mussten vor den Alliierten kapitulieren. Eine Stunde Null gab es keineswegs und seit dem Mai 1945 stellt sich auch die Frage, wie an die Shoah und die Verbrechen der Deutschen erinnert werden kann und welche Kontinuitäten sich bis heute zeigen. 

Zum Jahrestag und anlässlich der neuen [tacheles]-Reihe veröffentlichen wir einen Auszug aus dem neuesten Buch “‘Arbeit macht frei’, Annäherungen an eine NS-Devise” von Nikolas Lelle ab.

Bezogen auf „Arbeit macht frei“ zeigen sich erstaunliche Wissenslücken. Viele Fragen, die sich stellen, sind schlicht nicht mehr zu beantworten. Es gibt kaum systematische Auseinandersetzungen mit der NS-Devise. Die historiografiische Bezeichnung der drei Worte als „KZ-Devise“ hegte den Bedeutungsgehalt auf die Lager ein und ließ übersehen, wie sehr dieser Satz dem Nationalsozialismus aus der Seele sprach. Anders als beim Antisemitismus ließ sich an die NS-Arbeitsauffassung aber problemlos auch nach 1945 anschließen. Hier dominieren die Kontinuitäten.

Aufarbeitung und Antisemitismus heute

Die nationalsozialistische Arbeitsauffassung hat sich ihrer Aufarbeitung erfolgreich entzogen. Sie wurde als vor- oder unpolitisch wahrgenommen. Damit wurde verkannt, wie sehr sie ins Zentrum des Nationalsozialismus ragt und wie tief sie mit dem Antisemitismus verwoben ist. Das deutsche Selbstbild speist sich aus dem antisemitischen Fremdbild. Eine Analyse der Arbeitsauffassung hätte das aufzeigen können. Stattdessen wurde dieses Selbstbild nach 1945 fortgeschrieben. Das gilt auch für die Fremdbilder. Die Hetze gegen „reiche Juden“, „faule Griechen“ oder „arbeitsscheue Deutsche“ war nie wirklich weg. Heute ist sie wieder gut zu vernehmen, am Stammtisch, bei Demonstrationen oder im Internet.

Bezogen auf die NS-Devise „Arbeit macht frei“ müsste eine wirkliche Aufarbeitung der Vergangenheit bedeuten, endlich anzufangen auch gesellschaftlich über die Fantasie von der „deutschen Arbeit“ zu sprechen, die Verbindung zum tiefsitzenden Antisemitismus zu verstehen und damit zu ermöglichen, die brutalen Bedeutungsgehalte von „Arbeit macht frei“ thematisierbar zu machen. Die „deutsche Arbeit“ macht niemanden frei, auch nicht „uns“. Die Freiheit dieser „deutschen Arbeit“ wurde mit der Unfreiheit, den Qualen und dem Tod von Menschen besiegelt, die für minderwertig oder für übermächtig gehalten worden sind. Hier verschränken sich Rassismus und Antisemitismus. Eine wirkliche Aufarbeitung dieses Zusammenhangs müsste auch einen radikalen Bruch mit der Geschichte und Vorstellung „deutscher Arbeit“ mit sich bringen.

Nicht nur der Zusammenhang von Freiheit und Unfreiheit ist gesellschaftlich unverstanden. Das Wissen über die NS-Zeit erodiert, wie Studien in den letzten Jahren zeigen, und es gibt immer weniger Zeitzeug*innen, die über das Erlebte berichten können. Ein Hoffnungsschimmer ist allerdings, dass junge Menschen durchaus Interesse an der NS-Zeit bekunden. Statt Schlussstrich-Rufen ist die Frage unter Jüngeren nicht ob, sondern wie an die NS-Zeit erinnert und die Vergangenheit aufgearbeitet werden sollte.

Adornos kategorischer Imperativ, alles dafür zu tun, „dass Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts ähnliches geschehe“, fordert heraus, danach zu fragen, ob die Bedingungen, die zu Auschwitz, zum Holocaust oder der Shoah geführt haben, wirklich verändert sind. Adorno war sich Ende der 1950er-Jahre sicher, dass „die objektiven gesellschaftlichen Voraussetzungen fortbestehen, die den Faschismus zeitigten“. Ist das heute anders? Ich bezweifle es. Ist der Nationalsozialismus Geschichte? Allein der Antisemitismus grassiert seit Jahrzehnten, die Corona-Pandemie und die genozidale Gewalt vom 7. Oktober 2023 in Israel haben als zusätzlicher Katalysator fungiert. Auch der Mythos der „deutschen Arbeit“ wird immer wieder aktualisiert und eine Devise wie „Arbeit macht frei“, die das Schicksal von Millionen KZ-Häftlingen begleitete und kommentierte, scheint einigen ein Sinnspruch des 21. Jahrhunderts zu sein; den Tabuisierungsversuchen zum Trotz.

Die Aufarbeitung der Vergangenheit, diagnostizierte Adorno in den 1950er-Jahren, sei zu „ihrem Zerrbild“ verkommen, „dem leeren und kalten Vergessen“. In dieser Phase leben wir nicht mehr. An die Stelle des leeren Vergessens ist stattdessen eine Form der Ritualisierung, der Sonntagsreden und eingeübten Selbstvergewisserungen als Aufarbeitungsweltmeister getreten. Zugespitzt lässt sich vielleicht vom leeren Erinnern sprechen, dessen Ausdruck das zur Phrase verkommene „Nie wieder“ wurde. Die Ritualisierungen und Entleerungen sind in aller Schärfe zu kritisieren. Die Gründerin der Amadeu Antonio Stiftung Anetta Kahane hat mich allerdings einmal eindringlich davor gewarnt, die Sonntagsreden zu unterschätzen. Verglichen mit den Jahrzehnten davor, mit dem leeren Vergessen, stellt die Form des ritualisierten Gedenkens einen Fortschritt dar. Und bis hierhin war es bereits ein langer Weg. Seit 1996 ist der 27. Januar, der Tag, an dem die Konzentrationslager in Auschwitz befreit wurden, in Deutschland der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Weltweit wird der Tag als International Holocaust Remembrance Day begangen. Israel gedenkt am Jom haScho’a, am 27. Nisan, nach jüdischem Kalender.

Erinnerung in Deutschland ist heute mehr als Ritualisierung. Gegen viel Widerstand aus der nichtjüdischen deutschen Mehrheitsgesellschaft wurden in Deutschland Gedenken und Aufarbeitung erkämpft: von unten organisiert, von Engagierten und Ehrenamtlichen, auch von Jüdinnen:Juden. Dabei etablierte sich eine hervorragend arbeitende Gedenkstätten- und Erinnerungslandschaft, die Möglichkeiten stellt, sich über die Geschichte des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen zu informieren. Das ist ohne jeden Zweifel ein Fortschritt zu den Jahrzehnten davor. Die wenigen Errungenschaften der Erinnerungskultur gilt es zu bewahren und progressiv weiter zu denken.

Polemisch wurde vom Aufarbeitungsweltmeister gesprochen, um die von Eike Geisel in kritischer Distanz formulierte „Wiedergutwerdung“ Deutschlands zu beschreiben. Denn jetzt soll es die Erinnerungsarbeit sein, die die Deutschen auszeichne. Die Rufe nach einem Schlussstrich sind damit nicht verhallt und die Angriffe auf die Erinnerungskultur, auf Erinnerungsorte und Gedenkstätten nehmen zu. Wo in den 1980er-Jahren rechte Intellektuelle die Shoah relativierten, greifen jetzt auch linke Vordenker:innen die These von der Präzedenzlosigkeit der Shoah an und behaupten, Deutschland werde durch seine Erinnerungskultur provinziell. Bisheriger Höhepunkt eines solchen Versuchs war Dirk Moses’ Einwurf während des sogenannten Historikerstreits 2.0. Gearbeitet wird mit Relativierungen und Analogisierungen, nicht mit plumpen Forderungen nach einem Schlussstrich. Diesen Formen regressiver Erinnerungskritik gilt es zu widersprechen. Es braucht mehr, nicht weniger Erinnerung.

Die Attacken auf die Erinnerungskultur sind zugleich solche auf die Antisemitismusbekämpfung. Insbesondere israelbezogener Antisemitismus wird von denjenigen verharmlost und kleingeredet, die die Erinnerungskultur in Bausch und Bogen verdammen. Sie richten sich nicht zufällig gleichzeitig gegen den einzigen Schutzraum von Jüdinnen:Juden weltweit, gegen Israel. Die Botschaft dahinter ist „deutlich und unübersehbar“, so Sybille Steinbacher: „Der Holocaust darf also auch deshalb nichts Besonderes sein, weil sich dann – und erst dann – die Legitimität des jüdischen Staates in Frage stellen lässt.“

Sicherlich muss in einer Kritik der Erinnerungskultur der Stand der Aufarbeitung scharf untersucht und weitergetrieben werden. Es darf dabei aber nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet werden. Die wenigen Errungenschaften in der Aufarbeitung wie in der Antisemitismusbekämpfung sind zu bewahren und weiterzudenken. Angriffe, die vergessen oder ignorieren, dass der Stand der Aufarbeitung selbst auf gesellschaftlichen Kämpfen von unten beruht, sind anschlussfähig für den grassierenden Schuldabwehr-Antisemitismus, der von alledem nichts mehr wissen will – egal, ob sie von links oder rechts kommen. Und ein Narrativ, das behauptet, in Deutschland werde das Erinnern von einer Elite befehligt – und dabei das Engagement von unten vergisst oder wissentlich ignoriert –, ist anschlussfähig an Verschwörungserzählungen.

Nach Adorno ist die „Aufarbeitung der Vergangenheit als Aufklärung“ vor allem eine „Wendung aufs Subjekt, Verstärkung von dessen Selbstbewußtsein und damit auch von dessen Selbst“. Was hieße das bezogen auf die NS-Devise „Arbeit macht frei“? Zunächst wäre es notwendig zu verstehen, dass dieser Satz nicht aus einer anderen Welt stammt, keiner Hölle entsprungen ist, sondern der Ideologie von Deutschen, die sich ohne jeden Skrupel trauten, ihrer „deutschen Arbeit“ freien Lauf zu lassen. Hinter dem Ruf nach „deutscher Arbeit“ verschanzt sich die Volksgemeinschaft – und damit der Traum von der Freiheit vom „Jüdischen“. Der Verbindung von Antisemitismus und Arbeitsauffassung muss sich eine Gesellschaft stellen, die bis heute stolz auf den eigenen Fleiß ist und die „Arbeitsscheuen“ und „Faulen“ verachtet; eine Gesellschaft, in der Mitglieder leben, die die NS-Devise offensichtlich weiterhin für einen passenden Sinnspruch halten. „Arbeit macht frei“ hat viel mit dem Nationalsozialismus zu tun. Auch mit uns?

Dass all diese Zusammenhänge gesamtgesellschaftlich unverstanden sind, belegt der grassierende Antisemitismus der letzten Jahre, der mit Adaptionen von „Arbeit macht frei“ spielt, Täter-Opfer-Umkehr betreibt und ermöglicht auszurufen: „Wir sind die neuen Juden“. Die Ideologie der „deutschen Arbeit“ zu durchdringen, die NS-Devise „Arbeit macht frei“ in ihren unterschiedlichen Bedeutungsgehalten aufzuarbeiten, ist die Voraussetzung dafür, die zentrale Rolle des Antisemitismus zu verstehen, die nach Auschwitz und andernorts führte. Nur, wer den vergangenen Antisemitismus begreift, kann sich dem Gegenwärtigen stellen.

Eine gelungene Aufarbeitung der Vergangenheit würde die Gesellschaft dazu befähigen, sich ihrer Geschichte wie auch ihrer Gegenwart zu stellen. Es wäre die Voraussetzung dafür, das Erbe des Nationalsozialismus zu begreifen und sich davon lösen zu können. Es wäre auch eine Bedingung dafür, dem grassierenden Antisemitismus etwas entgegenzusetzen – und empathisch über Israel nachzudenken. Es würde zu einem Bruch mit der langen Geschichte „deutscher Arbeit“ führen, mit dem überhöhenden Selbstbild und den antisemitischen, antiziganistischen, rassistischen und sozialchauvinistischen Fremdbildern. Statt inhaltslos zu tabuisieren, hätte der Bruch zur Folge, dass „Arbeit macht frei“ als NS-Devise erscheint, die nationales Versprechen und barbarisches Verbrechen verbindet. Nein, Arbeit macht nicht frei. Im Konzentrationslager bedeutete der Satz Tod und Zwang. Jean Améry verwies gesellschaftskritisch darauf, wie Arbeit zur Unfreiheit führte. Die Bejahung dieser Unfreiheit prägt Deutschland. Zeit, dass sich das ändert.

Das Buch “‘Arbeit macht frei’ – Annäherungen an eine NS-Devise” von Nikolas Lelle wurde im Verbrecher Verlag veröffentlicht.



Wo Demokratiearbeit keine Tradition mehr ist: In Wurzen macht der Stadtrat AfD-Kritiker*innen mundtot

Das NDK Wurzen ist ein Ort zum Austausch für alle Demokrat*innen. (Quelle: NDK Wurzen)

„Als Zivilgesellschaft schaffen wir mit unserer Arbeit die demokratische Basis. Wenn die wegfällt, ist die Demokratie als Staatsform akut gefährdet.“ Ein Interview.

In der sächsischen Kleinstadt Wurzen nahe Leipzig ist seit 1990 eine aktive Neonazi-Szene gewachsen. Das Netzwerk für Demokratische Kultur e.V. (NDK) engagiert sich dort seit über 25 Jahren für die Stärkung der Demokratie, für mehr Beteiligung aller Menschen, für Offenheit und Vielfalt. Nun hat der Stadtrat auf Initiative der AfD und mit Stimmen von weiteren Fraktionen die Förderung für den Verein gekürzt. Die tagtägliche Arbeit gegen Rechtsextremismus und auch ganz konkrete Veranstaltungen können entweder gar nicht mehr oder nur noch beschränkt stattfinden.

Martina Glass ist Geschäftsführerin des NDK. Mit ihr haben wir über Diffamierungskampagnen von NPD bis AfD und die akute Bedrohung der Demokratie in Sachsen gesprochen.

Belltower.News: Was ist das Netzwerk für Demokratische Kultur (NDK) in Wurzen für ein Ort?
Martina Glass: Der Verein hat sich vor 25 Jahren gegründet, um dem rechten Mainstream in Wurzen klar entgegenzutreten. Die Idee war und ist, einen sicheren Ort für Menschen zu schaffen, die nicht rechtsextrem sind. Alle sind eingeladen, die Räume zu nutzen, Ideen zu entwickeln und sich zu verwirklichen, egal ob jung oder alt. Hier ist es möglich, Pluralität und Vielfalt zu leben, eigene Ideen zu entwickeln, miteinander zu diskutieren oder Veranstaltungen zu organisieren. Bildung und kulturelle Angebote gehören auch dazu. Seit 2015 ist auch die interkulturelle Arbeit ein wichtiger Schwerpunkt. Es gibt viele Menschen mit Migrationsgeschichte, die die Räume nutzen, sich hier treffen und gemeinsam Aktionen organisieren. Wir versuchen, die Leerstellen in Wurzen zu schließen, weil es hier wenig andere Angebote gibt.

Das NDK wird immer wieder durch Rechtsextreme angegriffen. Ob militante Nazis vor der Tür, Diffamierungskampagnen der NPD oder AfD und jetzt diese neue Form der Eskalation. Fühlt ihr euch in Wurzen in Anbetracht der rechtsextremen Einschüchterungsversuche noch sicher?
Die Frage kann ich klar mit Ja beantworten. Im Team ist das natürlich individuell verschieden. Aber wir sind fest miteinander verbunden und erfahren viel Unterstützung. Viele Menschen, die zu uns kommen, bekunden ihre Solidarität. Wir sind nicht allein, sondern haben eine große Basis, die uns stärkt. Sowohl in Wurzen als auch außerhalb.

Der Wurzener Stadtrat hat einen Förderantrag des NDK kürzlich abgelehnt. Was ist genau passiert?
Es gibt ein Kulturraumgesetz, über das Kulturprojekte in Kommunen gefördert werden können. Über dieses Programm stellen wir seit vielen Jahren Anträge. Das Gesetz sieht einen Anteil vor, den die Sitzgemeinde dazu geben muss, damit die Kulturraumförderung möglich ist. Dieser Anteil liegt aktuell bei acht Prozent der Gesamtsumme des Projektes. Den haben wir bisher immer bekommen. In diesem Jahr haben wir 12.900 Euro bei der Stadt Wurzen beantragt. Der Antrag wurde zunächst im Kulturausschuss des Stadtrates gemeinsam mit weiteren Anträgen von anderen Vereinen diskutiert. Der AfD-Stadtrat Lars Vogel hat sich gegen die Förderung für unsere Projekte ausgesprochen. Wir haben dem widersprochen, zusammen mit anderen beratenden Bürger*innen, die bei der Ausschusssitzung anwesend waren. Vogel hat dann mit Stimmen der AfD und der CDU durchgesetzt, dass unser Antrag durch den Stadtrat entschieden werden soll, nicht durch den Kulturausschuss. Wir haben unser Projekt dann also im Stadtrat vorgestellt. Vogel hat dort wieder sehr deutlich gemacht, weshalb die AfD-Fraktion unser Vorhaben auf keinen Fall für förderwürdig hält. Er hat sich selbst als Nationalist bezeichnet und argumentiert, die Kulturraum-Richtlinie sehe unter anderem vor, Traditionen zu fördern. Veranstaltungen wie der CSD oder feministische Punk-Konzerte, also das Thema Feminismus generell, seien damit nicht vereinbar. Zehn Minuten lang mussten wir uns das anhören, niemand hat irgendetwas dazu gesagt. Der Bürgermeister hat dann eine geheime Abstimmung veranlasst, weil angeblich zwei Stadträtinnen nach dem Kulturausschuss bedroht worden seien. Er hat damit das Narrativ vom „bedrohlichen Linksextremismus“ bedient. Ab dem Punkt war mir klar, dass die Abstimmung für uns nicht gut ausgeht.

In eurer Pressemitteilung schreibt ihr, der Stadtrat habe damit den „Weg für einen Abschied von demokratischen Werten geebnet“. Was heißt das?
Lars Vogel konnte unwidersprochen nationalistische Ideen präsentieren und darlegen, was aus seiner Perspektive Tradition ist und was nicht. Das war schon krass. Wir treten klar für demokratische Werte ein und er hat sich eindeutig dagegen positioniert. Dass das einfach durch den Stadtrat so hingenommen wurde und niemand etwas dazu gesagt hat, war erschreckend. Dazu kam die geheime Abstimmung, aus unserer Sicht ohne hinreichende Darstellung der Gründe. Dies hat auch eine Stadträtin kritisch angemerkt. Die Entscheidungen eines Stadtrates sollten transparent sein, damit die Menschen wissen, wofür die von ihnen gewählten Abgeordneten stehen. Damit entfernen wir uns von der Idee der Demokratie. Ich hätte mir in der Sache einen anderen Umgang im Stadtrat gewünscht.

Welche Folgen hat diese Entscheidung für die Arbeit des NDK? Welche Projekte sind davon betroffen?
Betroffen ist unsere Soziokulturarbeit, also unser gesamtes Veranstaltungsprogramm. Außerdem ist das Konzept des offenen Hauses gefährdet, also dass wir hier jeden Tag ansprechbar sind für Menschen, die Beratung suchen, die Räume nutzen oder Sachen kopieren wollen. Dafür finanzieren wir ebenfalls Stellen über die Förderung. Kooperationsprojekte, wie zum Beispiel das für 2026 geplante „Jahr der jüdischen Kultur“, können nicht weiter von uns unterstützt werden.

Das Land Sachsen plant aktuell, die Kommunen zu stärken und Landesmittel für Gleichstellung und Demokratie ab 2026 als Pauschalen an die Landkreise und Kommunen abzugeben. Diese sollen dann selbst darüber entscheiden, an welche Träger sie die Mittel weitergeben. Wie blickt ihr auf diese Veränderung?
In den Bereichen Demokratie- und Integrationsarbeit wären Kommunalpauschalen für Sachsen sicher kein geeignetes Instrument. Nicht in der politischen Situation, in der wir uns gerade befinden. Auch in Kommunen, in denen die AfD keine Mehrheit hat, gibt es oft andere Fraktionen, die ihre Vorhaben mit unterstützen. Das erleben wir immer wieder. Für Initiativen wie unsere würde das nicht gut ausgehen. Pauschalen machen es den Kommunen leichter, denen die Förderung zu streichen, die kritisch sind. Dabei ist Kritik das, was Demokratie ausmacht. Die Landesregierung würde damit ein wichtiges Instrument aus der Hand geben.
 
Sie sind als Geschäftsführerin des NDK auch im Sprecher*innenrat des Netzwerks Tolerantes Sachsen vertreten und haben damit den Blick über Wurzen hinaus. Der aktuelle Haushaltsentwurf der neuen schwarz-roten Landesregierung sieht umfangreiche Fördermittelkürzungen vor, unter anderem in den Bereichen Integration, Gleichstellung und Demokratieförderung. Was bedeuten diese Pläne für die sächsische Zivilgesellschaft?
Die demokratische Zivilgesellschaft war in Sachsen finanziell noch nie besonders gut ausgestattet. Auch ohne Kürzungen können wir vor Ort maximal die Hälfte aller Anfragen zu Rechtsextremismus und Demokratie-Themen beantworten. Wenn uns jetzt Förderungen genommen werden, entsteht noch mehr Unsicherheit. Wir verlieren dadurch Fachkräfte, die anspruchsvolle Arbeit leisten und in Sachsen gut vernetzt sind. Die Kürzungspläne würden Strukturen zerstören, die über viele Jahre aufgebaut wurden. Auch ehrenamtliche Arbeit braucht eine Basis, die finanziert ist, sonst läuft es nicht. Es braucht demokratische Orte, damit Leute sich treffen und miteinander arbeiten können. Die Kürzungspläne im Bereich Integration sind besonders katastrophal. Es kann nicht sein, dass in Zeiten wie diesen an so wichtigen gesellschaftlichen Themen gespart wird und Demokratieförderung immer noch eine freiwillige Aufgabe ist. Als Zivilgesellschaft schaffen wir mit unserer Arbeit die demokratische Basis. Wenn die wegfällt, ist die Demokratie als Staatsform akut gefährdet.

Die Entscheidung des Wurzener Stadtrats scheint eine Entwicklung zu sein, die durch das Erstarken der AfD potentiell deutschlandweit droht. Was braucht es, um unersetzliche Arbeit wie die eure jetzt besser abzusichern?
Langfristig braucht es mehr Unterstützung aus der Gesellschaft, auch finanziell. Spenden und Fördermitgliedschaften würden helfen, unsere Projekte 2026 doch noch umzusetzen und unsere Arbeit darüber hinaus zu sichern. Auch Unternehmen sollten sich vor Ort stärker engagieren, auch sie sind Teil der gesellschaftlichen Basis. Auf politischer Ebene ist es wichtig, sich für den Erhalt von Förderprogrammen einzusetzen und diese auch in schwierigen Zeiten auszubauen.

Zusammen durch unruhige Zeiten – Sächsische Zivilgesellschaft vernetzt sich mit Initiativen aus Ungarn, Österreich und der Slowakei

Beim Landestreffen des Netzwerks Tolerantes Sachsen kamen fast 100 Aktive der demokratischen Zivilgesellschaft zusammen, um angesichts fortschreitender rechtsextremer Normalisierung Überlebensstrategien zu entwickeln. Im Mittelpunkt stand der Austausch mit Demokrat*innen aus Österreich, Ungarn und der Slowakei.

Von Vera Ohlendorf

Es war bereits das 20. Landestreffen des Netzwerks Tolerantes Sachsen, das – gefördert von der Amadeu Antonio Stiftung – Anfang April über 50 Vertreter*innen von Vereinen und Initiativen ins Kraftwerk in Chemnitz zog. Die Warteliste war lang, denn die sächsische Zivilgesellschaft steht unter Druck: Viele Träger sind akut von Fördermittelkürzungen bedroht und erleben immer häufiger Angriffe auf Veranstaltungen und Büros oder Diffamierungen ihrer Arbeit. Beispiele wie die rechtsextreme Hasskampagne gegen den Verein „Buntes Meißen – Bündnis Zivilcourage“ inklusive Brandanschlag, Bombenattrappe und Fördermittelentzug oder die Anfeindungen der AfD-Stadtratsfraktion gegen den Jugendclub H2 in Glauchau zeigen, dass die Arbeit für Demokratie und Menschenrechte in sächsischen Landkreisen Mut und viel Kraft erfordert. Das Netzwerktreffen war eine wichtige Gelegenheit, um sich über Resilienzstrategien auszutauschen. Im Mittelpunkt stand eine Podiumsdiskussion mit Vertreter*innen der demokratischen Zivilgesellschaft in Ungarn, Österreich und der Slowakei.

Beschränkungen zivilgesellschaftlicher Arbeit in Ungarn, der Slowakei und Österreich

Veronika Bohrn Mena von der Bundesstiftung COMÚN in Österreich, Bálint Farkas vom ungarischen Netzwerk Civilizacio und Michal Klembara vom Netzwerk Antena aus der Slowakei wissen, was es heißt, wenn autoritäre Regierungen die Arbeit für Demokratie und Minderheitenschutz massiv erschweren oder Grundrechte einschränken.

In Ungarn brachte die seit 2010 amtierende rechtspopulistische Fidesz-Regierung ein Gesetz auf den Weg, das zivilgesellschaftlichen Organisationen den Zugang zu Finanzierung erheblich erschwert. Bálint berichtet, dass staatliche Förderprogramme zwar vorhanden seien, ihre Mittel aber an Organisationen fließen, die der Regierung nahestehen. Diese dulde keine Kritik und übe Zensur aus. Zum Ende der vormals partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Regierung und Zivilgesellschaft habe auch das ungarische „Agentengesetz“ beigetragen. Dieses kriminalisiert zivilgesellschaftliche Akteur*innen, die finanzielle Mittel aus dem Ausland, etwa über Stiftungen oder EU-Förderung, erhalten und führt zu restriktiven Kontrollen durch die ungarischen Finanzämter. Die Androhung weiterer Sanktionen habe den Effekt, dass Träger ihre Arbeit aus Angst einschränkten und es vermieden, sich öffentlich kritisch zu äußern.

Verbindungen zwischen FPÖ und der Terrorgruppe Sächsische Separatisten

Veronika aus Niederösterreich berichtet, dass sich die öffentliche Demokratieförderung der österreichischen Regierung allein auf Sensibilisierung gegenüber Antisemitismus und Gedenkarbeit im Kontext des 2. Weltkrieges beschränke. Entsprechende Programme werden durch den Nationalratspräsidenten gestaltet, dessen Büroleiter Verbindungen zur Terrorgruppe der Sächsischen Separatisten pflegte. Demokratische Strukturen, Landes- und Kommunalparlamente würden zunehmend durch die extreme Rechte dominiert, was zu einer Zunahme rechtsextremer Gewalt auf den Straßen führe. Die Stiftung vergibt spendenfinanzierte Kleinststipendien an kritische Journalist*innen, organisiert Diskussionsveranstaltungen und unterstützt Wissenschaftler*innen und Medienschaffende, die wegen ihrer kritischen Aktivitäten durch die extreme Rechte verklagt werden. „Wir haben Morddrohungen bekommen und sind bei Veranstaltungen auf Personenschutz angewiesen. Die Baseballschlägerjahre sind zurück“, berichtet Veronika.

Die Slowakei hat seit 2023 eine linkspopulistisch-rechtsnationale Regierung unter Premier Robert Fico, die trotz Widerstand der Zivilgesellschaft eine restriktive Kulturpolitik und Zensur betreibt. Michal beschreibt, wie leitendes Personal aus Kulturinstitutionen systematisch gegen regierungsnahe Personen ausgetauscht, der öffentliche Rundfunk umgebaut und Fördermittel gekürzt werden. Glücklicherweise gelinge es immer wieder, geplante Gesetzesänderungen durch Proteste abzuwehren oder Modifizierungen durchzusetzen. Massive Eingriffe in die Kunstfreiheit und politischen Restriktionen seien dennoch spürbar. „Wir organisieren permanent Druck von allen Seiten, aber das ist zeitlich und personell auch schwierig“, beschreibt Michal.

Voneinander lernen und grenzüberschreitend zusammenarbeiten

Die Podiumsgäste betonten die Bedeutung zivilgesellschaftlichen Protestes. Es sei wichtig, auch in Zeiten von Zensur und systematischen Einschränkungen der Arbeit Menschenrechtsverletzungen und Missstände sichtbar zu machen und denen eine Stimme zu geben, die sonst keine haben. Bedeutsam sei die europaweite Vernetzung und Zusammenarbeit, auch um Ressourcen zu teilen und grenzüberschreitende Projekte zu entwickeln. „Es ist nötig, voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu verstehen. Wir werden von der Zivilgesellschaft in europäischen Ländern aber oft erst eingeladen, wenn die Katastrophe schon eingetreten ist“, stellt Bálint fest.

Besser sei es, sich frühzeitig auf die Politik autoritärer Regierungen vorzubereiten, internationale Kontakte aufzubauen und resilient zu werden. „Rechtsextreme in Europa sind eng miteinander vernetzt, auch finanziell“, beschreibt Veronika. „Wir brauchen mehr zivilgesellschaftlichen Austausch, um auf diese Entwicklungen reagieren zu können“, sagt sie. Es komme darauf an, Kommunikationsstrategien zu professionalisieren, als Zivilgesellschaft positiv sichtbar zu werden und Fundraising unabhängig von öffentlichen Förderungen zu betreiben.

Aufgeben ist keine Option

Die Inhalte des Podiums wurden durch die Teilnehmenden des Netzwerktreffens im Anschluss intensiv diskutiert. In Workshops hatten sie Gelegenheit, Ideen und Strategien für erfolgreiches Unternehmenssponsoring, Schutzstrategien bei öffentlichen Veranstaltungen, positive Kommunikation über die eigene Arbeit und Demokratieförderung in ländlichen Räumen zu beraten.

Fazit: Die sächsische Zivilgesellschaft hat aus dem Treffen viele Impulse mitgenommen, um sich noch stärker gegen Bedrohungen zu wappnen und gegen die rechtsextremen Verhältnisse aktiv zu werden. Weitere Strategie- und Landestreffen werden folgen, denn: Aufgeben ist keine Option.

80 Jahre nach dem Schwur von Buchenwald: Weimar feiert Fest der Vielfalt

Am 11. April 1945 wurde das Konzentrationslager auf dem Ettersberg bei Weimar befreit. Kurz vor dem Eintreffen der US-Armee hatten die Inhaftierten selbst das Lager unter ihre Kontrolle gebracht. Acht Tage später leisteten die Überlebenden der NS-Verbrechen den Schwur von Buchenwald. Am 19. April 2025 setzt das Bündnis Zäsur24 ein Zeichen für Demokratie und Solidarität – gegen das Vergessen. 

Von Vera Ohlendorf

Nach einem Rundgang durch die Gedenkstätte Buchenwald sind am Nachmittag etwa 100 Menschen auf dem Weimarer Theaterplatz zusammengekommen, um an die Mahnung des Schwurs von Buchenwald zu erinnern und gemeinsam Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen. Zahlreiche Initiativen aus Weimar und Umgebung sind der Einladung des Aktionsbündnisses Zäsur24 gefolgt, darunter der Jugendclub Nordlicht, der Mitmach-Zirkus Tasifan, das Bündnis gegen Rechts Weimar, Dykemarch Weimar, Fridays for Future, Seawatch, der Landesverband Frauen mit Behinderungen in Thüringen und die Initiative Buntes Weimarer Land. Gemeinsam bringen sie, mit einer Förderung der Amadeu Antonio Stiftung, ein vielfältiges Programm auf die Bühne: Musik, Redebeiträge, Workshops und Podien laden dazu ein, den Schwur von Buchenwald nicht als historisches Relikt, sondern als Auftrag in Zeiten rechtsextremer Normalisierung in Thüringen zu verstehen.

Der Schwur ist nicht erfüllt

„Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“ (Auszug aus dem Schwur von Buchenwald)

Für Johann, einem der Organisatoren von Zäsur24, ist klar: „Der Schwur ist aktuell und darf nicht in Vergessenheit geraten. Er wartet noch auf Erfüllung. Wir alle können und müssen etwas dazu beitragen.“ Zäsur24 versteht sich als offenes Aktionsbündnis. Der Name ist bewusst gewählt: „Die Ergebnisse der Thüringer Landtags- und Europawahlen im letzten Jahr waren ein politischer Einschnitt. Es hätte angesichts der Ergebnisse passieren können, dass wir einen Rechtsextremen als Ministerpräsidenten bekommen“, erklärt Michael, der ebenfalls Teil des achtköpfigen Organisationsteams ist. „Da war das Gefühl: Jetzt ist es genug. Wir wollten das nicht unbeantwortet lassen und gemeinsam etwas aufbauen“.

„Exilthüringer*innen“ übernehmen Verantwortung

Zäsur24 besteht zur Hälfte aus Menschen, die in Weimar oder Umgebung leben, zur anderen Hälfte aus „Exilthüringer*innen“, wie Johann es nennt – Menschen mit Wurzeln in Thüringen, die inzwischen in Berlin, Leipzig, Hamburg oder Frankfurt leben. „In den Großstädten ist es noch etwas sicherer, auch wenn dort die Schutzräume bröckeln. Für uns als Thüringer*innen ist es aber bitter, vom eigenen Bundesland in den Nachrichten zu lesen“, berichtet Johann. „Wir wollen engagierte Menschen hier vor Ort unterstützen und ihre Arbeit gegen rechtsextreme Ideologien sichtbar machen.“

Zäsur24 hat sich das Ziel gesetzt, verschiedene Initiativen und ihre Arbeit zusammen zu bringen: Viele Kultureinrichtungen, Bündnisse, Jugendclubs, Vereine und Gruppen seien in Weimar für demokratische Werte und ein solidarisches Miteinander aktiv, nicht immer wüssten aber alle Aktiven voneinander. „Uns geht es darum, Brücken zwischen den einzelnen Gruppen zu schlagen, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen und sich besser gegenseitig zu unterstützen“, beschreibt Michael.

Ich habe Angst, dass Ausgrenzung und Vernichtung sich wiederholen”

Das Fest der Vielfalt verbindet Geschichte und Gegenwart. „Weimar ist ein historisch aufgeladener Ort, hier wurde die erste demokratische Verfassung beschlossen. Gleichzeitig war Thüringen ein erstes Versuchslabor des Faschismus. Hier nicht mit der Geschichte zu arbeiten, verbietet sich“, erklärt Johann. Der Glockenturm von Buchenwald ist für viele Weimarer*innen ein täglicher Anblick, das Thema NS-Verbrechen ist omnipräsent. „Die Gewissheit, dass Dinge wieder passieren könnten, muss gerade hier deutlich thematisiert werden“, ergänzt Michael.

Nancy vom Landesverband für Frauen mit Behinderung in Thüringen bringt es in ihrem Redebeitrag auf den Punkt: „Früher haben wir uns als behinderte Menschen versteckt. Heute verstecken wir uns wieder. Ich habe Angst, dass Ausgrenzung und Vernichtung sich wiederholen. Das darf nie wieder passieren!“ Ihr Appell: „Helft uns, unterstützt uns – jetzt mehr als je zuvor!“

Den Organisator*innen ist ein lebendiges, zugängliches Format wichtig, das Menschen aus allen Altersgruppen anspricht. „Vielleicht wirkt es für Einige kontrovers, wenn wir ein Fest mit dem Schwur von Buchenwald verbinden und Themen wie Demokratieerhalt, vergessene NS-Opfergruppen, das Sterben von Geflüchteten im Mittelmeer oder Euthanasie neben einer Hüpfburg besprechen“, beschreibt Johann. „Aus unserer Sicht passt das aber gut zusammen. Wie soll man auf die aktuellen politischen Entwicklungen sonst reagieren?“. Wichtig sei ihnen, nicht nur gegen etwas zu sein, sondern auch Spaß zu vermitteln und zu zeigen, dass ein vielfältiges Miteinander glücklich machen kann.

Allianzen stärken, auch im ländlichen Raum

Michael und Johann freuen sich, dass die Stadtverwaltung Weimar das Fest der Vielfalt unterstützt und Genehmigungen unkompliziert erteilt wurden. Im Vorjahr kam es am Rande der Veranstaltung zu Störversuchen. In diesem Jahr wurde das Sicherheitskonzept überarbeitet. Sichtbarer Polizeischutz ist so nicht nötig, das Fest der Vielfalt verläuft ohne Probleme.

Die Organisator*innen ziehen ein positives Fazit. Das Bündnis möchte künftig auch in den ländlichen Räumen Thüringens aktiv werden, Engagierte ganz praktisch unterstützen und neue Formate ausprobieren. „Eine Zäsur muss kein negativer Einschnitt sein“, sagt Johann. „Sie kann auch eine positive Wendung bringen. Daran wollen wir mitwirken.“

Gedenken

Demmin: Wie Rechtsextreme Opfergedenken instrumentalisieren

Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs begehen in Demmin Hunderte Menschen Selbstmord. Seit fast 20 Jahren „trauern” deswegen Rechtsextreme. 

Inhaltswarnung: Sexualisierte Gewalt und Suizid

Demmin Ende April 1945. Die Rote Armee nähert sich der ostdeutschen Kleinstadt. Mehrere tausend Kriegsflüchtlinge kommen in der Hansestadt an und finden Unterschlupf in bereits verlassenen Häusern. Es werden Erfahrungen ausgetauscht. Viele haben Schlimmes erlebt und gesehen. Hinzu kommt die nationalsozialistische Propaganda-Erzählung von der kommunistischen Sowjetunion als das universell Böse. Insbesondere Frauen haben begründete Angst vor sexualisierter Gewalt. Langsam beginnen einige Deutsche, das unvorstellbar große, genozidale Ausmaß der Verbrechen und die eigene Schuld zu erkennen. Sie fürchten Rache.

Andere sind desillusioniert. Die nationalsozialistische Ideologie, die alle Bereiche ihres Lebens dominierte, fällt Stück für Stück in sich zusammen. Es herrscht Untergangsstimmung. Adolf Hitler ordnet die Zerstörung der zivilen Infrastruktur an, um diese nicht dem immer näher rückenden Feind zu überlassen. Rüstungsminister Albert Speer fasst den sogenannten Nerobefehl in einem Brief so zusammen: „Wenn der Krieg verloren geht, wird auch das Volk verloren sein. Es ist nicht notwendig, auf die Grundlagen, die das Volk zum primitivsten Weiterleben braucht, Rücksicht zu nehmen. Im Gegenteil ist es besser, selbst diese Dinge zu zerstören. Was nach dem Kampf übrig bleibt, sind ohnehin die Minderwertigen; denn die Guten sind gefallen.“

Als die deutsche Wehrmacht Demmin in den letzten Tagen des April 1945 verlässt, sprengt sie hinter sich drei Brücken, um das weitere Vorrücken der Roten Armee gen Westen, Norden und Süden zu verlangsamen. Bürgermeister, Landrat, Polizei und viele NSDAP-Funktionäre setzen sich gemeinsam mit der Wehrmacht ab. In Demmin befinden sich zu dieser Zeit noch etwa 15.000 Einwohner*innen sowie mehrere tausend Geflüchtete, die nach den Brückensprengungen nun nicht mehr weg können.

Am 30. April 1945 erreicht die Rote Armee Demmin. Sowjetischen Soldaten beginnen mit dem Bau von Behelfsbrücken, sitzen jedoch erst einmal in der Stadt fest. Demmin entwickelt sich zum rechtsfreien Raum. Deutsche Bewohner*innen der Stadt schießen aus ihren Häusern heraus auf sie Sowjets. Die wiederum plündern Wertgegenstände und Alkohol aus Wohnhäusern und Geschäften. Vor allem Frauen und Mädchen werden Opfer von Racheexzessen der Soldaten. Viele werden vergewaltigt. Offizielle Opferzahlen gibt es nicht. In der Nacht zum 1. Mai brennen zwei Drittel der Stadt nieder. Wer die Brände ausgelöst hat, bleibt unklar.

Im Zeitraum vom 30. April bis zum 4. Mai 1945 begehen hunderte Menschen in Demmin Suizid. Brigitte Roßow, damals zehn Jahre alt, berichtet in der ARD-Doku „Kinder des Krieges” von leblos hängenden Körpern in der Stadt. Von Frauen, die Rasierklingen verteilten und die Pulsadern ihrer eigenen Kinder aufschnitten. Von Müttern, die sich ihre Kinder um den Körper banden und dann mit Steinen in den Taschen in die Flüsse Tollense, Trebel und Peene gingen. Andere vergifteten oder erschossen sich. Demmin wurde zum Schauplatz des wohl größten Massensuizids in der deutschen Geschichte. Wie viele Menschen sich zum Kriegsende das Leben nahmen, ist unklar. Die Zahlen über die (erweiterten) Selbsttötungen variieren je nach Quelle zwischen einigen hundert bis über tausend.

In seinem Buch „Kind versprich mir, dass du dich erschießt. Der Untergang der kleinen Leute 1945” beschreibt der Historiker Florian Huber die Suizide im ganzen Reichsgebiet als „zwingendes Begleitphänomen der finalen Kämpfe um das Dritte Reich”: „Die Selbstmordwelle war der extreme Ausdruck einer Sinnleere und eines Schmerzes, in den sich die Menschen angesichts von Irrtum, Niederlage, Demütigung, Verlust, Scham, persönlichem Leid und Vergewaltigung geworfen sahen.“

Neonazis melden jedes Jahr einen Trauermarsch” an

Seit 2007 meldet die rechtsextreme Partei „Die Heimat”, ehemals NPD, zum 8. Mai regelmäßig einen „Trauermarsch” in Demmin an. Ähnlich wie in anderen Orten Deutschlands, in denen das Kriegsende in der kollektiven Erinnerung mit Zerstörung und Gewalt verbunden wird, missbrauchen auch in Demmin Rechtsextreme das menschliche Leid der deutschen Zivilbevölkerung, um die Verbrechen des Nationalsozialismus zu verharmlosen.

In der Bundesrepublik galt der 8. Mai lange Zeit als Chiffre für die deutsche Niederlage im Zweiten Weltkrieg, als vor allem negativ konnotierte „Stunde Null”. Die Rede vom damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker 1985 gilt als Ausdruck einer erinnerungspolitischen Wende: „Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.“

Die circa 200 Rechtsextremen, die jedes Jahr dem Aufruf der „Heimat” folgen und nach Demmin pilgern, haben einen deutlich anderen Blick auf das Ende des Zweiten Weltkrieges. Sie nutzen das Datum, um das geschichtsrevisionistische Narrativ eines deutschen Opfermythos zu verbreiten. „Mit Schmerz erinnern wir uns an die bedingungslose Kapitulation der deutschen Streitkräfte und die Zerstörung des Reiches. Wir erinnern uns an das große Leid, das über uns Deutsche hereingebrochen war – ein Leid mit all seinen Schrecken”, so der ehemalige Parteivorsitzende der „Heimat” Frank Franz in einem Redebeitrag zum 8. Mai 2019. Er relativiert die Singularität der deutschen Schuld am Holocaust und am Zweiten Weltkrieg, indem er diese mit Kriegsverbrechen der Alliierten aufwiegt: „Während die Eliten dieses Staates nur an die Opfer anderer Völker denken, ist es uns ein Anliegen der Angehörigen unseres eigenen Volkes zu gedenken. Befreit wurden wir nicht!” Mit Fackeln und Fahnen rechtsextremer Gruppierungen wie den Jungen Nationalisten in der Hand tragen die Neonazis ihre Propaganda auf die Straßen Demmins. Manche sind als verletzte Kriegsgeflüchtete verkleidet. Andere tragen Eselsmasken, um all jene zu verspotten, die den 8. Mai als Tag der Befreiung feiern.

Tatsächlich begann die NS-Ideologie zu Kriegsende durch ihre allumfassende Propaganda und Kriegssucht neben ihren direkten, als „Volksfeinde” definierten Opfergruppen auch ihre eigenen Kinder zu fressen. Das kollektive Trauma Demmins bleibt unbestritten. Rechtsextreme nutzen jedoch die nicht schließbaren wissenschaftlichen Lücken innerhalb der transgenerationalen Erinnerung über das Geschehene. Denn Kriegsgeschehen machen eine objektive Wissenschaft meist unmöglich. Rechtsextreme missbrauchen diese dünne, kaum verifizierbare Quellenlage, um ihre eigenen Fakten zu verbreiten. Noch heute sind diese gefärbt von der nationalsozialistischen Ideologie und Propaganda, die durch das einseitige Gedenken an die Opfer Demmins von Generation zu Generation weitergegeben wird. Mit ihrer Wiederholung der immer gleichen Erzählung des deutschen Leidens beeinflussen sie den innerdeutschen Diskurs über die Kapitulation der deutschen Wehrmacht und den Untergang des Dritten Reiches bei. „Eine Lüge ist eine Lüge, aber eine Lüge, die ohne Konsequenzen wiederholt wird, wird zur Wahrheit”, schreibt Rechtsextremismus-Expertin Natascha Strobl. Verkleidet als „Trauermarsch” transportieren Rechtsextreme über ein zunächst legitimes Gedenken nationalsozialistisches Gedankengut in bürgerliche Kreise. Menschen, die den 8. Mai als Tag der Befreiung feiern, stellen sie als moralische Mittäter*innen der Verbrechen an der Zivilbevölkerung dar. Der Appell an das Gewissen wird zur Waffe der Rechtsextremen. Ihnen gelingt damit eine Verschiebung der Art und Weise, wie wir auf den nationalsozialistischen Zivilisationsbruch und das Ende des Dritten Reiches blicken.

Wer nicht die Verantwortung der vielen zivilen Opfer im Nationalsozialismus sucht, sondern stattdessen von einem „Konstrukt der Befreiungslüge” schwadroniert, entlarvt den wahren Grund seiner Trauer. Die Trauer der Rechtsextremen gilt nicht den vielen Menschen, die sich in Demmin und anderswo zum Kriegsende das Leben nahmen. Ihre Trauer gilt dem Ende des nationalsozialistischen Terrors, dem Zusammenbruch des Hitlerregimes und der Niederlage im Zweiten Weltkrieg.  Dieser Protest, der sich dennoch anmaßt, für die gestorbenen Menschen zu sprechen, braucht vor allem eins: Gegenwind.

„Auch 80 Jahre später, den Nazis keinen Meter!”

Seit 2009 mobilisiert nicht nur die „Die Heimat” nach Demmin. Das Aktionsbündnis 8. Mai des Vereins Demminer Bürger organisiert Jahr für Jahr ein Friedensfest mit Live-Musik und DJ-Sets. Über Mitmachaktionen, Infostände, Mahnwachen und einen Stadtspaziergang wollen die Veranstalter*innen ein klares Zeichen gegen Faschismus setzen.

Da sich der Tag der Befreiung dieses Jahr zum 80. Mal jährt, ruft das Bündnis Menschen in ganz Deutschland dazu auf, sich an den Gegenprotesten in Demmin zu beteiligen, die die Amadeu Antonio Stiftung mit einer Förderung finanziell unterstützt. Sie wollen das rechtsextreme Opfernarrativ entkräften, einem ambivalenten Gedenken Raum geben und das Ende des Nationalsozialismus feiern. Aus vielen Städten Deutschlands wird eine gemeinsame Busanreise organisiert.

Mehr Infos auf der Veranstaltungswebsite

 

Kommentar

Kommentar: Die Zeit wird knapp!

Auch die Omas gegen Rechts sollten durch die Kleine Anfrage der CDU/CSU kritisch überprüft werden. Trotzdem gehen sie weiter auf die Straßen für mehr Demokratie. (Quelle: picture alliance/dpa | Carsten Koall)

Während Trump die Demokratie in den USA angreift, ist in Deutschland die AfD im Aufwind. Autor Michael Kraske berichtet vom Mut und Tatendrang der Zivilgesellschaft, aber auch Rückschlägen. Ein Kommentar.

Von Michael Kraske

Der alltägliche Nachrichtenhagel fühlt sich zunehmend an wie eine aufziehende Naturkatastrophe, der man nicht entkommen kann. Trumps Zölle erschüttern die Weltwirtschaft. In den USA werden migrantisch gelesene Menschen gejagt, in Ketten gelegt und außer Landes gebracht. Elon Musk zerschlägt mit Massenentlassungen den Behördenapparat. Faschismus-Forscher Jason Stanley verlässt die USA, genau wie der Autoritarismusforscher Timothy Snyder. In der Türkei verfolgt Präsident Erdoğan seinen größten Rivalen, den Istanbuler Bürgermeister İmamoğlu, mithilfe der Justiz. In Deutschland treibt die AfD die demokratischen Parteien mit der Migrationspolitik vor sich her. Manche Aussagen von CDU-Chef Friedrich Merz waren zuletzt nicht mehr von denen der AfD zu unterscheiden, die in Umfragen mittlerweile die CDU als stärkste Kraft abgelöst hat. Viele fragen sich hierzulande sorgenvoll, wie stark die autoritäre Welle Deutschland noch erschüttern wird.


Michael Kraske lebt als Journalist und Buchautor in Leipzig. Zuletzt erschien von ihm bei C.H.Beck „Angriff auf Deutschland – Die schleichende Machtergreifung der AfD“ (mit Dirk Laabs). Der Autor wurde mehrfach für seine publizistische Arbeit ausgezeichnet, zuletzt mit dem Spezialpreis der Otto-Brenner-Stiftung für kritischen Journalismus.


In Sachsen und Thüringen werden Vertreter*innen der rechtsextremen AfD wohl auch mit Stimmen der CDU zu Ausschussvorsitzenden, Vize-Landtagspräsident*innen oder Verfassungsrichter*innen gewählt. In Sachsen wurde ein AfD-Kandidat auch von CDU-Abgeordneten in die Parlamentarische Kontrollkommission gewählt, die den Verfassungsschutz kontrolliert. Rechtsextremisten überwachen künftig also ihre eigene Überwachung. Das entsprechende AfD-Personal fiel mitunter durch Verbindungen zu Terrorverdächtigen, Verschwörungserzählungen und Hetze auf. Trotzdem werden diese Politiker*innen von geschichtsvergessenen Demokrat*innen in verantwortungsvolle Positionen gehoben. Das beschädigt die demokratischen Institutionen und bringt die AfD der Macht wieder einen Schritt näher.

Angriff auf die Demokratieförderung

Dass sich die Partei bei der Bundestagswahl verdoppeln konnte, hat im demokratischen Lager nicht etwa die Reihen geschlossen. Im Gegenteil. Der blaue Erdrutsch allen voran im deutschen Osten hat im Zeitraffer die Normalisierung der Rechstextremen beschleunigt – auf allen Ebenen. Zwar gingen kürzlich noch Millionen Menschen für eine rote Linie zur AfD auf die Straße, aber die Springer-Medien BILD und WELT stellten vor der Bundestagswahl nicht etwa den Tabubruch durch die gemeinsame Abstimmung von CDU/CSU und AfD im Bundestag an den medialen Pranger, sondern jene NGOs, die für Demokratie und gegen Rechtsextremismus mobilisieren. Die folgende Kleine Anfrage der Unionsparteien im Bundestag mit 551 teils absurden Fragen war ein Frontalangriff gegen die Zivilgesellschaft. Springer und Union machten sich dabei eine Argumentation zu eigen, die bis dahin exklusiv von Rechtsextremen verbreitet wurde: Verschwörungsideologisches Geraune von einem „deep state“ und Diskreditierung projektgebundener Demokratieförderung als schmutziger Lobby-Deal. Konservative Politiker*innen und Journalist*innen erweckten den absurden Eindruck, NGOs wie Campact, BUND oder die Omas gegen Rechts würden vom Staat finanziert, um linke Ideologie auf die Straße tragen.

Tatsächlich wird die Demokratieförderung, also Beratung, Opfer-Hilfe, Workshops, Tagungen und Podien zu Themen wie Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus aktuell geradezu rasiert. Ausgerechnet in einer Zeit, in der ganze Regionen im Osten der AfD verfallen und neue Rekordzahlen bei rechten Straftaten belegen, dass die völkisch-rassistische Dauerpropaganda längst hasserfüllte Taten befeuert. In Sachsen sieht der Haushaltsentwurf der Minderheitsregierung von CDU und SPD millionenschwere Kürzungen beim gesellschaftlichen Zusammenhalt und bei Demokratieprojekten vor. Betroffen sind Programme wie Integrative Maßnahmen (minus 14,9 Millionen), Weltoffenes Sachsen (minus 9,32 Millionen) oder Soziale Orte (minus 4 Millionen).

Im Bund soll unter Schwarz-Rot, so die Koalition denn zustande kommt, zwar das Programm „Demokratie leben!“ erhalten bleiben, aber das überfällige Demokratiefördergesetz zur langfristigen Absicherung zivilgesellschaftlicher Arbeit wurde schon von der Ampel leise beerdigt.

AfD-Personal unter Terrorverdacht

Unterdessen wächst die AfD scheinbar unaufhaltsam – begleitet von unkritischem Journalismus. Alice Weidel und Tino Chrupalla sind Dauergäste bei Markus Lanz & Co., wo es in Dauerschleife um Migration und so gut wie gar nicht um die Gefährlichkeit der AfD geht. Auf öffentlich-rechtlichen Talk-Bühnen hat das AfD-Personal mit seinen toxischen Erzählungen zu oft das letzte Wort – und bekommt zu wenig substanziellen Widerspruch.

Dass in Sachsen drei junge AfD-Leute unter Terrorverdacht festgenommen wurden, weil sie der mutmaßlichen Terrorgruppe „Sächsische Separatisten“ angehört haben sollen, blieb derweil eine journalistische Randnotiz. Niemand fragt, warum ein von der AfD geförderter Jungkader wie jener festgenommene Stadtrat aus Grimma, bis dahin auch Mitarbeiter im Landtag, unter Terrorverdacht gerät und was das über die Gefährlichkeit der AfD aussagt. Niemand konfrontiert Alice Weidel damit. Stattdessen kann eine Gastautorin im Spiegel behaupten: „Die Brandmauer löst keine Probleme“. Die AfD von gesellschaftlichen Debatten auszuschließen sei „undemokratisch und schwächt das Gemeinwesen“. Der Essay argumentiert offenbar ohne genaue Kenntnis über rechtsextreme Ideologie, Ziele, Strategie oder extremistisches Personal der AfD. Stattdessen geht es um angeblich verengte „Meinungskorridore“. Dieser faktenfreie Bauchgefühl-Journalismus verharmlost die AfD kaum weniger als  der Gastbeitrag von Elon Musk in der Welt am Sonntag, in dem der Trump-Vertraute die Partei vor der Bundestagswahl im Höcke-Sound als „letzten Funken Hoffnung für Deutschland“ anpreisen durfte. Kritische Aufklärung über die AfD dringt derzeit in den Medien nicht durch. Stattdessen setzt der Journalismus immer stärker auf vorauseilenden Gehorsam und Appeasement.

Der Mut der Zivilgesellschaft

Als Autor mache ich bei Lesungen, Vorträgen und Workshops derzeit Erfahrungen, die es nicht in die Presse und Polit-Talkshows schaffen. In einem Club in Salzwedel meldet sich in der Diskussion eine junge Frau zu Wort. Sie gibt sich als queer zu erkennen und bekennt: Ich habe Angst und mache mir große Sorgen. Sie fragt sich, ob sie ihre sexuelle Identität in Zukunft überhaupt noch frei leben kann. In einem digitalen Podium berichtet die Grünen-Politikerin Lamya Kaddor, dass in ihrer Familie nunmehr konkrete Pläne kursieren, das Land zu verlassen, sollte der Rechtsruck weitergehen. Und bei einer Lesung zur Leipziger Buchmesse berichten einige Omas gegen Rechts, dass ihnen auf der Straße mittlerweile nicht nur offener Hass entgegenschlägt, sondern sie auch mit körperlicher Gewalt bedroht werden. Die Frauen wollen jetzt einen Selbstverteidigungskurs machen. Viele, die diese Demokratie regelmäßig auf der Straße verteidigen, sind müde, erschöpft und wütend. Auch weil sie mit ihrer hunderttausendfach artikulierten Forderung, die AfD auf ihre Verfassungstreue zu überprüfen, politisch weder von der SPD, noch von den Grünen ernstgenommen werden. Von der Merz-CDU werden sie gar angefeindet und verächtlich gemacht.

Man macht als Autor auf Deutschland-Tour momentan aber auch eine andere Erfahrung: Überall sind die Säle voll, wenn es um den Angriff der AfD auf die Demokratie geht. Egal ob in Hamburg, Berlin, Frankfurt am Main, Mannheim, Salzwedel, Iserlohn, Rockenhausen, Leipzig, Wuppertal oder Wiesbaden. Überall gibt es nicht nur einen riesigen Bedarf an Aufklärung über die reale Gefahr von rechts, sondern auch die Bereitschaft, selbst für die Demokratie aktiv zu werden. Nach den öffentlichen Anfeindungen gegen die Omas gegen Rechts meldeten sich überall im Land neue Omas an, die aktiv werden wollen. Und bei jeder Podiumsdiskussion wird vielstimmig die Frage gestellt, was man tun kann, um die demokratischen Parteien doch noch von dem Verbotsantrag gegen die AfD zu überzeugen. Über diese Graswurzelbewegung, die Aufklärung, Diskurs und Demos für eine wehrhafte Demokratie organisiert, findet man in Zeitungen und im TV fast nichts.

Der Verein Campact hat vorgemacht, wie man sich erfolgreich gegen Einschüchterungsversuche wehrt. Campact erwirkte eine Einstweilige Verfügung gegen Welt-Herausgeber Ulf Poschardt. Der darf nach einer Entscheidung des Hamburger Landgerichts nicht wiederholen, dass Campact vom Staat finanziert werde. Es ist wichtig, sich gegen Desinformation und ideologisch motivierte Angriffe zu wehren. Noch wichtiger ist es für Initiativen, Vereine und Organisationen, danach wieder in die Offensive zu kommen, eigene Themen zu setzen und politische Forderungen zu stellen. Nach vorne zu schieben, was wirklich wichtig ist: Klima, Demokratieschutz, Bildung, soziale Sicherheit (Löhne, Gesundheit, Pflege, Rente, Wohnen). Und ja, auch den politischen Druck zu erhöhen.

Gutachten, Verbotsverfahren und Positionierung

Die Massendemonstrationen gegen Rechtsextremismus und für Demokratie vor einem Jahr waren ein starkes Signal für die politische Kultur. Aber jetzt braucht es konkrete Projekte und Forderungen. Das überfällige Gutachten des Verfassungsschutzes, das SPD-Innenministerin Nancy Faeser unter Verschluss hielt, muss endlich veröffentlicht werden. Die Menschen in diesem Land haben ein Recht zu erfahren, für wie gefährlich der Verfassungsschutz die AfD hält. Zweitens sollten SPD und Grüne aufgefordert werden, endlich das fahrlässig verspielte AfD-Verbotsverfahren im Bundestag fraktionsübergreifend auf den Weg zu bringen. Die vom abgewählten SPD-Kanzler Scholz vorgebrachten Ausreden, wonach angeblich die Beweise fehlen, sind eine Farce. Drittens ist die Zivilgesellschaft gefragt, in dem von Rechts aufgezwungenen Kulturkampf laut und hörbar für ein modernes, solidarisches und vielfältiges Deutschland ein- und aufzustehen.

Bislang sind es die üblichen Verdächtig(t)en, die das überall im Land bis zur Erschöpfung tun. Vereine, Initiativen, lokale antifaschistische und demokratische Bündnisse. Sie werden dabei ausgerechnet von jenen im Stich gelassen, die aufgrund ihrer Größe und Bedeutung den Unterschied machen könnten. Es ist zwar richtig, dass einige Institutionen aufgewacht sind: Nach langer Zurückhaltung haben sich sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche eindeutig gegen die menschenverachtende AfD positioniert. Einzelne große Arbeitgeber wie die Diakonie schulen mittlerweile ihre Belegschaft und versorgen sie mit fundierten Argumenten, warum völkische Politik nicht mit christlichen Werten und der eigenen Arbeit vereinbar ist. Aber zu viele ducken sich weg, bleiben stumm und unsichtbar. Allen voran in der Wirtschaft. Und das, obwohl Wirtschaftsforschende eindringlich vor den katastrophalen Folgen einer AfD-Regierung warnen. Unter völkisch-nationalistischer Abschottungspolitik würden Unternehmen und Belegschaften gleichermaßen massiv zu leiden haben.

Autoritäre Kundschaft

Über Lippenbekenntnisse und sonnige Label wie „Made by Vielfalt“ hinaus scheuen große Konzerne sowohl die Auseinandersetzung mit der AfD-Wählerschaft in den eigenen Reihen als auch die klare Positionierung nach außen. Aus einem deutschen Welt-Konzern ist zu hören, man wolle weiter „inklusiv“ mit allen kommunizieren. Was meint, dass man die AfD-Wählerschaft nicht ausgrenzen will. Wer aber gegenüber der Ermächtigung von Menschenfeindlichkeit inklusiv auftritt, schließt gleichzeitig angefeindete Minderheiten aus. Zurückhaltung gegenüber Demokratiefeindlichkeit schadet auch der Wirtschaft. Die Botschaft ist in den Chefetagen entweder noch nicht angekommen oder wird aus Opportunismus verdrängt, weil man es sich in dem aufziehenden autoritären Zeitalter mit der autoritären Klientel nicht verscherzen will.

Mit dem Rücken zur Wand

Die politische Lage wird sich absehbar weiter verschärfen. Bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt könnte die AfD im kommenden Jahr einen Erdrutschsieg erringen. Nicht nur im Osten mehren sich die Rufe aus der CDU nach einem Ende der „Brandmauer“. Unions-Fraktionsvize Jens Spahn fordert mit dem Hinweis auf den Wählerwillen, die AfD im Bundestag künftig wie eine demokratische Partei zu behandeln. Das verharmlost sowohl den Rechtsextremismus der AfD als auch jene, die ihn per Wahlzettel ermächtigen. Die Konservativen führen sich ohne Not selbst in Versuchung.

Schon jetzt stehen die demokratischen Einzelkämpfer*innen vielerorts mit dem Rücken zur Wand. Die Omas gegen Rechts berichten von einem Mitglied in einer AfD-Hochburg in Thüringen. Die Frau arbeitet dort als Selbständige und hat durch ihr politisches Engagement schon die Hälfte ihrer Kundschaft verloren. Ihr Mann betreibt ein Geschäft, dessen Fassade von Unbekannten beschmiert wurde. Immer wieder mangelt es für die Mutigen vor Ort an Solidarität und prominenten Vorbildern. Durch die Normalisierung der AfD wird es für die wenigen Aufrechten noch schwerer. Widerspruch gegen Rassismus und völkische Scheinlösungen wird noch leiser. Das Schweigen der Mehrheit über Anfeindungen, rechte Gewalt und völkische Politik noch lauter, ebenso wie offene Zustimmung. In den rechten Hotspots geht es jetzt darum, marginalisierten Minderheiten beizustehen und weitere Ansteckungseffekte zumindest einzudämmen.

Noch haben in den Kirchen, Gewerkschaften, Konzernzentralen, Schulen, Universitäten, Vereinen, Behörden und Stiftungen zu wenige verstanden, wie schnell die demokratische Stabilität auch hierzulande kippen kann. Wie viele demokratische Kipppunkte längst überschritten sind. Was auf dem Spiel steht. Dass Lippenbekenntnisse, Sonntagsreden und PR-Slogans nicht reichen werden. In allen gesellschaftlichen Bereichen braucht es dringend eine Strategie gegen den rechten Angriff. Es braucht die Bereitschaft zu kämpfen, mit neuen Initiativen in gemeinsamen Bündnissen – und mit langem Atem. Es braucht Geld, Akteure und Strukturen. Unter einem Kanzler Friedrich Merz wird das absehbar nicht leichter. Also braucht es politischen Druck. Die Zeit wird knapp.

Hintergründe

Polizeiproblem: 21-jähriger Lorenz A. in Oldenburg von der Polizei erschossen

Zahlreiche Blumen und Kerzen stehen in der Innenstadt an einer Hauswand in der Achternstraße, in der am frühen Sonntagmorgen ein Mensch von Schüssen aus einer Polizeiwaffe tödlich verletzt wurde. (Quelle: picture alliance/dpa | Hauke-Christian Dittrich)

In Oldenburg hat ein Polizist einen 21-jährigen Schwarzen mit Schüssen von hinten getötet. In Konfliktsituationen mit der Polizei haben PoC schlechtere Chancen als weiße, diese zu überleben, das seien „US-amerikanische Verhältnisse“, sagt ein Polizeiforscher. 

In der Nacht zu Ostersonntag wollte der 21-jährige Lorenz A. eine Disco in der Oldenburger Innenstadt betreten. Dort verwehrte man ihm den Einlass. Laut der Polizeimeldung habe er anschließend „Menschen verletzt und bedroht“, weshalb ein Beamter von seiner Schusswaffe Gebrauch machte und Lorenz das Leben nahm. Vor den tödlichen Schüssen soll der junge Schwarze mit Reizgas gesprüht haben. Laut Staatsanwaltschaft hatte A. ein Messer bei sich, trug es während der Schüsse aber in der Hosentasche.

Drei Schüsse von hinten

Eine Obduktion ergab, dass der 21-Jährige dreimal von hinten getroffen wurde: in Hüfte, Oberkörper und Kopf. Ein vierter Schuss soll ihn am Oberschenkel gestreift haben. Der 21-Jährige starb der Polizei zufolge im Krankenhaus. Gegen den Polizisten ist ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Totschlags eingeleitet worden – das ist in solchen Fällen Routine.
A.s Tod macht viele Menschen betroffen. Sie wirft Fragen auf: War es den Beamt*innen nicht möglich, Lorenz A. auch ohne Waffengewalt zu mäßigen? Wie bedrohlich war die Situation, wenn Lorenz A. mit drei Schüssen von hinten getroffen wurde? Spielte die Hautfarbe von Lorenz A. eine Rolle, für die massive Gewaltanwendung der Polizei? Lorenz A. war Schwarz.

Polizeiproblem: Nicht weiße haben schlechtere Chancen einen Polizeieinsatz zu überleben

Rassismus, rassistische Denkmuster, sind tief in der deutschen Gesellschaft verankert und machen auch vor dem Sicherheitsapparat nicht Halt. Der Fall von Oury Jalloh wird oft als Beispiel genannt, wenn es um Rassismus in der Polizei geht. Aber er ist kein Einzelfall. In den letzten Monaten und Jahren sehen wir eine Zunahme rassistischer Polizeigewalt sowie mutmaßlicher Polizeimorde.

Polizeiforscher Alexander Bosch sieht zunehmend US-amerikanische Verhältnisse auch in Deutschland. „In den USA wissen wir, dass Polizist*innen bei PoC eher Schusswaffengebrauch machen als bei weißen“. Und auch in Deutschland scheint, „dass weiße Menschen in Stress- und Konfliktsituationen mit Beteiligung der Polizei eine größere Chance haben, diese zu überleben, als nicht-weiße Menschen“, so Bosch. „Das ist der Moment des strukturellen Rassismus in der Polizei“. Wissenschaftliche Daten gebe es dazu allerdings für Deutschland noch nicht, wären aber eine Untersuchung wert.

Rassistische und antisemitische Polizei-Chats, Machtmissbrauch im Amt, Racial Profiling, weit verzweigte rechtsextreme Netzwerke, tödliche Polizeigewalt – laut Innenministerien und Sicherheitsbehörden alles nur Einzelfälle. Für den Fall des gewaltsamen Todes von Lorenz A. stehen nun die staatlichen Institutionen in der Pflicht, vollumfänglich aufzuklären, wie es zu der Schussabgabe kam. In der Vergangenheit blieben bei ähnlich gelagerten Fälle immer Restzweifel, räumt der Polizeiforscher ein.

Denn: Statistiken belegen, dass Polizist*innen nach tödlichen Einsätzen fast nie belangt werden. Auch übermäßige Gewalt im Einsatz wird selten geahndet. Die Erfolgsaussichten nach einer Anzeige sind gering. Laut dem Statistischen Bundesamt wird ein Großteil der Verfahren gegen Polizeibedienstete eingestellt, bei 4.500 Ermittlungsverfahren im Jahr 2020 wurden lediglich 70 Strafverfahren eingeleitet.

Ermittlungsverfahren gegen Polizisten eingeleitet

Auch gegen den Polizisten aus Oldenburg wird nun ermittelt, wie in solchen Fällen üblich, von einer anderen Dienststelle, hier durch die Nachbardienststelle Delmenhorst. Alexander Bosch zweifelt jedoch an einer gänzlich unabhängigen Ermittlung. Schließlich sei es zum einen noch dieselbe Institution, die hier ermittelt. Zum anderen deutet er auf eine mögliche Wechselwirkung solcher Ermittlungen hin: 2021 starb in Delmenhorst der 19-jährige Qosay Khalaf, nachdem er im Polizeigewahrsam kollabiert war. Damals hat die Staatsanwaltschaft Oldenburg die Ermittlungen aufgenommen.

„Viel eher sollte es unabhängige Ermittlungsstellen für die Polizei geben“, meint Alexander Bosch. Aber auch ein unabhängiger Polizeibeauftragter mit Kompetenzen wie in Bremen oder Berlin wäre ein Fortschritt, meint Alexander Bosch weiter, „weil sich diese mit strukturellen Fehlentwicklungen in der Polizei beschäftigen können“.

Unabhängige Polizeibeauftragte fungieren wie eine Art Ombudsstelle, die in den Parlamenten angesiedelt sind. Noch gibt es diese Funktion in Niedersachsen nicht, sondern nur eine exekutive Beschwerdestelle. Ihre Einrichtung ist jedoch laut Koalitionsvertrag geplant, wird jedoch von der Polizeigewerkschaft kritisiert. „Durch solch eine Ombudsstelle könnte die Unabhängigkeit von Aufklärungsarbeit zwar nicht gewährleistet werden, aber sie könnten darauf einwirken, strukturelle Fehler zu beseitigen“, so Bosch.

Es braucht Aufklärung und Vertrauen

Staatliche Institution müssen nun aufklären, wieso Lorenz von hinten erschossen wurde. Über die Jahre verloren gegangenes Vertrauen muss zurück zugewonnen werden.

Dass in der Vergangenheit ähnlich gelagerte Fälle von Polizeigewalt in der Öffentlichkeit diskutiert wurden und überhaupt als solche wahrgenommen wurden, ist zu großen Teilen Betroffenen und Engagierten zu verdanken. „Überall dort, wo in den vergangenen Jahren Menschen durch Polizeigewalt gestorben sind, tauchten kurze Zeit später Initiativen auf, die Aufklärung einfordern, Erinnerung pflegen und trotz eines staatlichen und gesellschaftlichen Widerstands keine Ruhe geben. So auch nach den aktuellen Ereignissen in Oldenburg.“ schreibt Mohamed Amjahid in einem Kommentar für die taz. Die Initiative Gerechtigkeit für Lorenz entstand schnell nach dem gewaltsamen Tod.

In den kommenden Tagen finden bundesweit zahlreiche Demonstrationen statt, die Aufklärung und Gerechtigkeit für den Tod von Lorenz A. fordern.

Neuerscheinung

Selbstbestimmt erinnern: Neue digitale Plattform macht Gedenken an rechte Gewalt sichtbar

Rechte, rassistische und antisemitische Gewalt ist kein Relikt der Vergangenheit: Hanau, Halle, München, aber auch Orte der NSU-Morde sowie Solingen und Rostock-Lichtenhagen stehen sinnbildlich für eine Kontinuität rechter Gewalt in Deutschland. Doch staatliche Anerkennung und eine angemessene Erinnerungskultur bleiben häufig aus – viele Betroffene und Hinterbliebene müssen sich Gehör und Gedenken selbst erkämpfen.

Deutschlandweit zählen Initiativen inzwischen mehr als 219 Todesopfer rechter Gewalt seit der Wiedervereinigung. Doch vieler dieser Menschen wird bis heute nicht öffentlich gedacht. Städte, Gemeinden oder Bundesländer erkennen bislang nur 92 dieser Fälle offiziell an. Ohne das langjährige Engagement zivilgesellschaftlicher Gruppen und der Angehörigen würde die Mehrheit der Opfer vollständig in Vergessenheit geraten. Die neue Plattform stellt dem eine selbstbestimmte, von Betroffenen getragene Erinnerungskultur entgegen. Seit Jahrzehnten engagieren sich Überlebende und Angehörige in Gedenkinitiativen  für Aufklärung, Erinnerung und Solidarität. Ihr Wissen, ihre Erfahrungen und ihre Perspektiven sind zentral – wurden jedoch lange überhört und selten unterstützt.

Das Modellprojekt „Selbstbestimmt vernetzen, erinnern und bilden“ der Amadeu Antonio Stiftung schafft Räume für selbstbestimmte Erinnerung. Es fördert die Vernetzung lokaler Initiativen, unterstützt Betroffene in ihrem Einsatz gegen das Vergessen und stellt ihre Perspektiven in den Mittelpunkt.

Ein zentraler Baustein dieses Engagements ist die digitale Plattform: https://selbstbestimmt-erinnern.de/.

Im Mittelpunkt von selbstbestimmt-erinnern.de stehen nicht die Täter oder die Gewalt selbst, sondern die Geschichten der Betroffenen, ihre Biografien, ihre Stimmen und ihr Kampf um Aufklärung. Die Seite dokumentiert die unterschiedlichen Formen des Gedenkens, die in ganz Deutschland entwickelt wurden – oftmals unter schwierigen Bedingungen, mit viel Engagement und Ausdauer. Dabei reicht die Bandbreite vom öffentlichen Mahnmal über künstlerische Aktionen bis hin zu Bildungsarbeit in Schulen.

Ein zentrales Ziel der Plattform ist es, die Erinnerung aus Sicht der Betroffenen zu gestalten und öffentlich zu verankern. Dazu bietet sie neben Porträts und Fallgeschichten auch vielfältige Materialien für die politische Bildungsarbeit, darunter Leitfäden, Förderinformationen und Unterstützungsangebote für zivilgesellschaftliche Initiativen. Alle Inhalte entstehen in enger Zusammenarbeit mit den Betroffenen selbst oder werden direkt von ihnen veröffentlicht.

Hier werden Geschichten, Forderungen und Gedenkinitiativen erstmals aus der Betroffenenperspektive gesammelt sichtbar gemacht. Die Plattform bietet darüber hinaus für Presse, Wissenschaft, Unterstützer*innen und vor allem für Betroffene praktische Informationen, wie beispielsweise Leitfäden, Literaturlisten oder auch Informationen über Fördermöglichkeiten. Die Inhalte wurden gemeinsam mit Betroffenen erarbeitet und werden kontinuierlich weitergeführt. Die interaktive Webseite ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer solidarischen und demokratischen Erinnerungskultur.

Selbstbestimmt vernetzen, erinnern & bilden (SVEB)

Das Modellprojekt „Selbstbestimmt vernetzen, erinnern und bilden“ richtet sich an Gedenkinitiativen Überlebender und Hinterbliebener rechtsextremer, rassistischer, antisemitischer und antiziganistischer Anschläge nach 1945.

Das Projekt möchte das Bemühen und die Kämpfe der Initiativen um die Anerkennung der Taten, der Missstände während des Aufklärungsprozesses und des gesamtgesellschaftlichen Problems von rechtsextremer Gewalt, Rassismus und Antisemitismus sowie struktureller Diskriminierung unterstützen.

Die lokale Arbeit von elf Initiativen sowie die Vernetzung der Gruppen mit weiteren Überlebenden und Hinterbliebenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt werden gefördert. Unterstützt werden die Initiativen vorrangig durch die Weiterleitung finanzieller Mittel aus dem Etat der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration und zugleich Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus.

Die selbstbestimmte Arbeit der Überlebenden und Hinterbliebenen von rechtsextremer Gewalt soll nachhaltig gestärkt werden, in dem ihre Sichtbarkeit erhöht werden soll, Capacity Building entlang ihrer Bedarfe durchgeführt und ihre Vernetzung gefördert wird. Das langfristige Ziel dieser strukturellen Unterstützung ist es, den Initiativen zu ermöglichen, kontinuierlich und nachhaltig arbeiten zu können.

Todesopfer rechter Gewalt

Sächisches Innenministerium macht homofeindlichen Foltermord nachträglich unsichtbar

Der 27-jährige Christopher W. wird am 17. April 2018 von drei Rechtsextremen aus queerfeindlichen Motiven brutal gefoltert und umgebracht. Illustration: Moritz Stumm

2018 wird in Sachsen ein schwuler Mann von Rechtsextremen gefoltert und ermordet. Doch als Todesopfer rechter Gewalt gilt Christopher W. jetzt nicht mehr. 

Inhaltswarnung: Extreme Gewaltschilderung

Am 17. April 2018 wird der 27-jährige Christopher W. von drei Rechtsextremen aus queerfeindlichen Motiven gefoltert und umgebracht. Die Täter schlagen und treten auf ihn ein. Sie nutzen dafür u.a. eine abgebrochene Leuchtstoffröhre und zertrümmern seinen Schädel mit einer Tür. Das sächsische Innenministerium listet Christopher W. 2019 zunächst als Todesopfer rechter Gewalt in der Statistik politisch motivierter Gewalt-rechts (PMK-rechts). Eine Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Juliane Nagel enthüllt nun, dass diese Einstufung seit November 2024 nicht mehr gilt.

Bis zur Unkenntlichkeit massakrieren die drei Neonazis ihr Opfer. Die Gerichtsfotos dokumentieren das unvorstellbare Ausmaß des Exzesses: Schädel und Kiefer sind zertrümmert, dort wo die Nase war, ist nur noch ein Loch zu sehen. Die drei Täter, 22, 22 und 26 Jahre alt, halten ihren Gewaltrausch fotografisch fest, teilen die Bilder in Whatsapp-Gruppen und prahlen mit der Tat. Sie kennen ihr Opfer. Christopher W. wohnte mit zwei der Täter, Terenc H. und Jens H., seit mehreren Jahren im selben Haus im sächsischen Aue, sie waren vermeintlich „befreundet“. Der dritte Täter, Stephan H., stieß erst einen Monat vor dem Mord zur Gruppe dazu.

Die „Freundschaft“ der vier jungen Männer beruht jedoch auf der Vorstellung einer grundlegend unterschiedlichen Gleichwertigkeit. Laut einem Bericht der taz behandeln die Täter Christopher W. wie einen Sklaven. Sie schickten ihn zum Klauen, sehen in ihm einen „Opfertypen“ und bezeichnen ihn als „schwach“. Oft kommt es auch zu Misshandlungen, sie brechen ihm die Nase und schneiden seinen Arm mit einem Cuttermesser auf. Wenige Tage vor dem Mord erfährt Stephan H., der Neuling in der Gruppe, von der Sexualität von Christopher W., der offen schwul lebt. H. macht kein Geheimnis aus seiner Homofeindlichkeit und findet „sowas ekelhaft“, heißt es im Urteil. Ein Zeuge sagt aus: „Das Verhältnis von H. zu Christopher war nicht so gut, weil Christopher schwul war. Er hat ,Du Schwuchtel, verpiss dich‘ gesagt. Es war ein Schwulenhass. An dem Tag, wo wir auf dem Postplatz standen, sagte er: ,Die Schwuchtel ist auch noch dran.’“

Christopher W. gilt als aufgeweckt und fröhlich. Er macht eine Ausbildung zum Koch. Ein paar Monate lang lebt er in einer festen Partnerschaft. Viel über sein Leben ist nicht in Erfahrung zu bringen: Seine Eltern sind verstorben, seine Stiefmutter möchte nicht über ihn oder die Ereignisse sprechen.

„Die Tat überschreitet meinen Verstand“

Die Polizei kann die drei Täter schnell ausfindig machen. Die Ermittlungen decken deren rechtsextreme Einstellung auf, die die Tat zu einem Gegenstand der politischen Kriminalstatistik machen. Der Mord wird infolgedessen dem Innenministerium gemeldet, Christopher W. wird 2019 als Todesopfer rechter Gewalt staatlich anerkannt.

„Diese staatliche Anerkennung war eine wichtige Entscheidung. Denn eine Entpolitisierung erschwert die Aufklärung von Straftaten und eine verbesserte Prävention“, erklärt Robert Lüdecke von der Amadeu Antonio Stiftung. „Es geht aber auch um eine würdige Erinnerung, außerdem hat die Einstufung als politisch motivierte Straftat auch ganz konkret materielle Auswirkungen für Opfer und Angehörige.“ Im Rahmen des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) haben sie rechtliche Ansprüche auf finanzielle Hilfe für Verdienstausfall, Schmerzensgeld oder Behandlungskosten. Die Stiftung dokumentiert im Rahmen ihrer Chronik der Todesopfer rechter Gewalt 220 Todesopfer rechter Gewalt seit der Wiedervereinigung 1990, auch um die Abweichung zu den staatlich erfassten Fällen transparent zu machen und für die offizielle Anerkennung zu streiten. Lediglich 116 der 220 Tötungsdelikte wurden bislang seitens Behörden als politisch motiviert eingestuft, nun musste die Stiftung diesen Zähler auf 115 verringern.

Vor Gericht haben Staatsanwalt, Gutachter und die Richterin keine Worte zu Rechtsextremismus. „Die Tat überschreitet meinen Verstand“, sagt Staatsanwalt Stephan Butzkies in seinem Plädoyer. Dass gerade diese Nichterklärbarkeit des grausamen Tatverlaufs und der Tat selbst ein Hinweis auf ein rechtes Tatmotiv sein kann, kommt dem Staatsanwalt nicht in den Sinn. Die Täter sahen ihr Opfer als ungleich, schwach und lebensunwürdig an – Eine Wahrnehmung gefärbt von der sozialdarwinistischen Vorstellung der Ungleichwertigkeit von Menschen, die in brutale Gewalt gegen den „Volksfeind“ mündet.

Die polizeilichen Ermittlungen und Aussagen von Zeug*innen, die das Innenministerium zunächst dazu bewogen haben, die Tat als „rechtsmotiviert“ einzustufen, finden vor Gericht keine Beachtung. Ein psychiatrischer Gutachter wird zwar zu dem Fall hinzugezogen, er soll allerdings lediglich überprüfen, ob bei den Tätern psychiatrische Anomalien vorliegen. Ohne konkreten gerichtlichen Auftrag erklärt er, dass die Täter ein rechtes Motiv in der Befragung nicht angegeben haben. Die Täter kommen mit einem Totschlag-Urteil davon, ein niederes Tatmotiv wird ausgeschlossen.

Rechtsextreme Einstellung der Täter ist offensichtlich

Stephan H. erscheint zur Urteilsverkündung im Thor-Steinar-Shirt – einer Neonazi-Marke. H. ist der Polizei alles andere als unbekannt. Seine Sympathie mit dem Nationalsozialismus trägt er ganz offen zur Schau. Er fällt durch queerfeindliche Äußerungen auf, hört Rechtsrock in der Öffentlichkeit und hat auf seinen beiden Handrücken eine Variante des Hakenkreuzes tätowiert, die auch von der Neonazi-Organisation Blood and Honour genutzt wird. Auf Facebook postet er Reichskriegsflaggen, NS-Symbole und verherrlichende Inhalte zum Zweiten Weltkrieg. Die Wände in seinem Zimmer zieren Bilder von SS-Soldaten und ein Reichsadler mit Hakenkreuz. Seinem Ausbilder in der Werkstatt, in der er arbeitet, schenkt er einen selbst gebastelten Holzschlüsselanhänger in Form eines Hakenkreuzes.

Auch die anderen beiden Täter, Jens H. und Terenc H., haben zum Tatzeitpunkt über zwanzig Einträge in ihrer Polizeiakte, darunter auch rechtsextreme Straftaten. So fiel Terenc H. 2013 auf, weil er oberkörperfrei über einen Platz in Aue läuft, auf seiner Brust prangt ein Hakenkreuz. Ein Jahr später wirft Jens H. Glasflaschen auf einen älteren Mann, der ihn aufgrund seiner Tattoos und „Sieg-Heil“-Rufen zurechtgewiesen hatte. Auch Jens H. hat ein Hakenkreuz und SS-Runen tätowiert. 2017 wird die Polizei erneut auf die beiden Männer aufmerksam, weil sie antisemitische Parolen gegrölt haben sollen. Außerdem sind sie in zahlreiche andere Delikte wie Körperverletzungen, Sachbeschädigungen, Diebstahl, Betrug und Brandstiftung verwickelt.

Abgleich mit dem Gerichtsurteil führt zur Auslistung

Eine Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Juliane Nagel vom 31. März 2025 deckt nun auf, dass das Innenministerium Christopher W. nach einem Abgleich der eigenen Statistik mit den dazugehörigen Gerichtsurteilen aus der staatlichen Statistik rechts-politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK) wieder entfernt hat. Zwar „sehen die „bundeseinheitlichen Richtlinien des KPMD-PMK (…) keinen Abgleich mit der Justiz vor. Anlässlich von Anfragen hatte das Staatsministerium des Inneren (…) politische motivierte Tötungsdelikte dennoch (…) einem Abgleich bei der Justiz unterzogen.“, so das sächsische Innenministerium in der Antwort auf die Anfrage.

Das Innenministerium entscheidet sich abseits der Öffentlichkeit dazu, die eigene Expertise und Falldokumentation zu revidieren. Die „in den polizeilichen Ermittlungen identifizierten Nebenaspekte (Opfer: homosexuell, Täter: teils homophob und rechtsmotivierte Vorerkenntnisse)“ finden in der Neubewertung des Falls keine Berücksichtigung mehr. Eine Entscheidung, die das Vertrauen in die Objektivität und Verlässlichkeit der Erfassungskriterien der PMK-rechts schmälert.

„Nicht nachvollziehbar“ – Linke und Opferberatung kritisieren die Entscheidung

Juliane Nagel bezeichnet die Entscheidung in einer Pressemitteilung zur Kleinen Anfrage als „irritierend und nicht ansatzweise nachvollziehbar.“ „Vor dem Hintergrund des Falles und des Urteils erscheint mir die Entscheidung, hier weder von einer rechtsmotivierten noch von einer homofeindlichen Tat auszugehen, als komplett willkürliche Erfindung.“

Auch die Opferberatung SUPPORT des RAA Sachsen e.V. kritisiert ein  „völlig falsches Signal“. Hass, Hetze und Gewalt gehören für queere Menschen zum grausamen und feindseligen Alltag. Die wenigsten Betroffenen bringen die Vorfälle zur Anzeige. Die Dunkelziffer queerfeindlicher Gewalt ist nun wieder gewachsen. „Wir haben keine Zweifel an der bisher korrekten Einordnung der Tötung als politisch motivierte Gewalttat durch das LKA im Jahr 2019. Die Ausstufung ist angesichts der bekannten Fakten nicht nachvollziehbar“, meint auch Andrea Hübler, Co-Geschäftsführerin des RAA Sachsen e.V.

Die Ausstufung durch das sächsische Innenministerium ist ein politischer Akt und Ausdruck rechtsextremer Landnahme. Wo Rechtsextreme an Raum gewinnen, wird ihre Gewalt normal und kann entpolitisiert werden. Ein Schlag ins Gesicht für Betroffene und Angehörige.

Petition

Über 60.000 Stimmen für Demokratie – wir bleiben dran!

Über 60.000 Menschen haben unsere Petition „Regierung in der Pflicht: Demokratie verteidigen!“ unterzeichnet. Dieses starke Signal aus der Zivilgesellschaft war für uns als Amadeu Antonio Stiftung ein klares Mandat, zusammen mit vielen Partnern, aktiv in die politischen Verhandlungen einzugreifen. Wir haben Gespräche mit Abgeordneten und Parteivorständen geführt und unsere Forderungen gezielt in die Koalitionsgespräche eingebracht. Die hohe Zahl an Unterschriften war dabei ein starkes Argument – sie hat sichtbar gemacht, wie groß der Rückhalt für eine entschlossene Demokratiepolitik ist. Dafür möchten wir euch herzlich danken.

Einige unserer Kernforderungen haben Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden: Die Koalitionsparteien schließen jede Zusammenarbeit mit rechtsextremen und verfassungsfeindlichen Kräften aus – ein wichtiges Signal in einer Zeit, in der Kommunalpolitiker*innen über Bündnisse mit der AfD nachdenken. Dass hier eine rote Linie gezogen wurde, ist auch euer Verdienst.

Auch der Schutz von Bürgermeister*innen, kommunalen Verantwortungsträger*innen und zivilgesellschaftlich Engagierten wird aufgegriffen: Die Ansprechstelle für bedrohte Mandatsträger*innen soll fortgeführt, Schutz verbessert und Strafverfolgung beschleunigt werden. Beim digitalen Hass plant die Koalition ein Gewaltschutzgesetz, das Plattformbetreiber stärker verpflichtet. Desinformation soll bekämpft und Medienkompetenz gestärkt werden – gemeinsam mit den Ländern.

Positiv ist zudem das klare Bekenntnis zur demokratischen Zivilgesellschaft: Programme wie „Demokratie leben!“ werden ausdrücklich benannt. Umso irritierender ist es, dass ausgerechnet dieses Programm erneut auf den Prüfstand gestellt werden soll – trotz nachgewiesener Wirksamkeit und zahlreicher Evaluationen. Solche Ankündigungen erinnern an vergangene politische Angriffe auf zivilgesellschaftliche Träger. Wer Demokratieförderung nicht konsequent stärkt, sondern sie unter Generalverdacht stellt, schwächt diejenigen, die unsere Demokratie täglich gegen rechtsextreme Angriffe verteidigen. Wir müssen deswegen weiter zusammen daran arbeiten, dass sich die neue zuständige Person im Familienministerium hinter die Träger und das Programm stellt.

Besonders kritisch sehen wir auch die migrationspolitische Rhetorik der Koalition. Mit Formulierungen, die auf Rückführung und Kontrolle setzen, wird eine Stimmung erzeugt, die letztlich nur der AfD nutzt. Wer versucht, mit rechtsextremen Kräften um die härteste Migrationspolitik zu konkurrieren, wird diesen Wettstreit nicht gewinnen – sondern verstärkt deren Deutungsmacht. Demokratische Parteien sollten sich nicht treiben lassen, sondern klare rechtsstaatliche Positionen beziehen.

Deshalb bleibt unsere Arbeit – und euer Engagement – weiterhin notwendig. Wir konnten gemeinsam erste Erfolge erzielen. Doch ohne anhaltenden Druck, kritische Begleitung, eure Stimme und Unterstützung wird sich wenig bewegen. Demokratie braucht uns alle.

Bitte bleibt dran: Informiert euch regelmäßig auf unserer Plattform Belltower.News über aktuelle Entwicklungen zu rechter Gewalt – und abonniert unseren Newsletter, um auf dem Laufenden zu bleiben.

Vielen Dank für eure Unterstützung – sie macht uns und vielen anderen Mut!

Kommentar

Strategie: Warum die Demokratie ein Projekt2029 braucht

(Quelle: picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow)

Die Erfolge von Donald Trump und der AfD erfordern eine strategische, resiliente und breite Antwort der demokratischen Zivilgesellschaft. Ein „Projekt 2029“ kann Vision, Plattform und Koordination dafür liefern – als Gegenentwurf zum „Project 2025“ der Heritage Foundation – ein Plädoyer, für mehr Wehrhaftigkeit und neue Allianzen unseres Vorstands Timo Reinfrank, Vorstand der Amadeu Antonio Stiftung.

Die jüngsten politischen Erfolge rechtsextremer Bewegungen in Deutschland und den USA machen deutlich: Demokratie ist kein Selbstläufer. Mit dem Wahlsieg von Donald Trump im Jahr 2024 und der anschließenden Umsetzung des autoritär-nationalistischen „Project 2025“ der Heritage Foundation geraten demokratische Institutionen weltweit unter Druck. Das sogenannte Presidential Transition Project wurde von über 350 Autor*innen aus dem Umfeld libertärer und rechtsradikaler Thinktanks verfasst und zielt auf die vollständige Umgestaltung des US-Staatsapparats im Sinne des MAGA-Lagers.

Der Plan sieht vor, die Exekutive massiv zu stärken, als „illoyal“ geltende Regierungsangestellte durch Trump-treue Kader zu ersetzen und vermeintlich „kritische Institutionen“ wie Umweltbehörde, Justiz und Bildungsministerium gezielt zu schwächen. Seit Trumps Amtsantritt wurden viele Maßnahmen – nicht zuletzt dank Elon Musk – schneller als erwartet umgesetzt: Führungspositionen gingen an zentrale Figuren des Projekts – Klimawandel-Leugner*innen und christliche Nationalist*innen. Auch wenn rechtlich vieles noch angefochten wird, sind zahlreiche Behörden faktisch bereits arbeitsunfähig gemacht worden. Die Machtstrategie zielt auf totale Loyalität: Wer sich nicht unterwirft, wird öffentlich bloßgestellt, wirtschaftlich unter Druck gesetzt und aus dem politischen Raum gedrängt.

Die AfD und ihre völkischen Bestrebungen

Auch in Deutschland gewinnen völkisch-autoritäre Kräfte an Einfluss. Bei den Bundestagswahlen 2025 konnte die AfD ihren Stimmenanteil verdoppeln und zog als zweitstärkste Kraft in den Bundestag ein. Obwohl die Partei bislang keine ähnlich ausgearbeiteten Strategiepapiere wie die Heritage Foundation vorlegt, sprechen ihre Rhetorik, Framing und parlamentarische Praxis eine klare Sprache: Die Partei will das parlamentarische System delegitimieren und autoritär umbauen.

Die diffamierende Ausgrenzung politischer Gegner*innen als „Volksverräter“, die Verharmlosung der NS-Zeit sowie die Nähe zu verschwörungsideologischen Netzwerken sind keine Ausrutscher, sondern strategische Werkzeuge. Ziel der AfD ist nicht die Mitgestaltung, sondern die Ersetzung der Demokratie durch ein autoritäres Regime. Für die Rechtsextremen dient Russland dabei als ideologisches Vorbild eines autoritär geführten Nationalstaats, der „traditionelle Werte“ verteidigt, liberale Institutionen schwächt und als Gegengewicht zu westlicher Demokratie und transatlantischer Ordnung inszeniert wird. Rechtsextreme Akteur*innen aus Europa wie die Fratelli d’Italia oder der Rassemblement National, die auf bürgerliche Normalisierung und NATO-Treue setzen, verlieren im AfD-Milieu zunehmend an Attraktivität.

Projekt 2029: Eine zivilgesellschaftliche Antwort

Ein „Projekt 2029“ aus Perspektive der deutschen Zivilgesellschaft kann mehr sein als eine Reaktion – es ist ein notwendiger Schritt hin zu einer proaktiven demokratischen Erneuerung. Während autoritäre und rechtsextreme Kräfte gezielt an einem Staatsumbau arbeiten, braucht es auf Seiten der Demokratie langfristige Strategien, klare Leitbilder und gemeinsame Visionen.

Ein solches Projekt könnte die Vielfalt demokratischer Akteur*innen bündeln, eine positive Erzählung von Zusammenhalt stärken und Allianzen gegen autoritäre Entwicklungen fördern. Entscheidend ist, dass ein „Projekt 2029“ nicht nur als Abwehrstrategie gedacht wird, sondern als konstruktiver Entwurf für ein pragmatisches und widerstandsfähiges Gemeinwesen – getragen von einer breiten zivilgesellschaftlichen und parteipolitischen Allianz, um gemeinsam demokratische Antworten auf die drängendsten Probleme vor Ort zu finden.

Demokratische Resilienz gegen autoritäre Verschiebungen

Deutschland erlebt seit Jahren eine rechtsautoritäre Verschiebung des politischen Diskurses: Begriffe wie „Remigration“, die einst klar rechtsextrem konnotiert waren, werden heute öffentlich als migrationspolitische Position diskutiert, Schutzmaßnahmen für Minderheiten gelten in rechtsextremen Narrativen als „Umerziehung“, Medien und Justiz werden systematisch delegitimiert.

Diese Entwicklung untergräbt das Vertrauen in demokratische Institutionen und treibt die gesellschaftliche Polarisierung voran. Die Antwort darauf muss eine systematische Stärkung demokratischer Resilienz sein – durch politische Bildung, durch tragfähige demokratische Infrastruktur, durch Schutzräume für Engagierte und durch eine klare Rückendeckung aus Politik und Gesellschaft.

Resilienz bedeutet aber auch: die Verwaltung zu stärken, ihre Unabhängigkeit zu sichern und sie konsequent an Recht und Grundgesetz zu binden. Es braucht Reformen, die zentrale demokratische Institutionen – etwa Verfassungsgerichte, Wahlaufsicht oder Polizei- und Verwaltungsspitzen – aus dem parteipolitischen Tageskampf heraushalten und sie stattdessen an überparteiliche Normen und rechtsstaatliche Mindeststandards binden. Denn nur, wenn das Fundament stabil bleibt, kann die Demokratie auch in Krisen bestehen.

Demokratie modernisieren – neue Bündnisse schaffen

Ein Projekt 2029 darf sich nicht mit Verteidigung zufriedengeben – es muss Räume für demokratische Erneuerung eröffnen. Demokratie muss nahbarer, beteiligungsorientierter und zukunftsfähiger werden. Wie können neue Mitwirkungsformate, digitale Werkzeuge und kreative politische Bildung demokratische Räume öffnen? Wie lassen sich strukturell vernachlässigte Gruppen und Räume – junge Menschen, migrantische Communitys, ländliche Regionen – langfristig einbinden und stärken?

Zentral ist dabei die Frage, wer strategisch vermittelt: Zwischen NGOs, Wissenschaft, Kommunalpolitik, Medien und Parteien braucht es neue Knotenpunkte, mutige Brückenbauer*innen und koordinierte Allianzen. Demokratie ist nicht nur ein Regelwerk – sie muss ein gesellschaftliches Versprechen sein: auf Zugehörigkeit, Sicherheit und Mitgestaltung. Das erfordert klare Sprache – und verbindendes Handeln.

Demokratische Erneuerung braucht die gesellschaftliche Mitte

Ein Projekt 2029 wird nur dann erfolgreich sein, wenn es über die klassischen zivilgesellschaftlichen Milieus hinausreicht. Auch konservative, bürgerliche und liberale Stimmen müssen aktiv einbezogen werden. Viele Menschen aus diesen Spektren teilen Grundwerte wie Rechtsstaatlichkeit, Verantwortung, Gemeinsinn und Anstand – und lehnen die Radikalisierung durch rechtsextreme Akteur*innen entschieden ab.

Damit diese Gruppen sich beteiligen, braucht es Formate, die nicht moralisieren, sondern zuhören. Es braucht Räume der Verständigung, Institutionen des Vertrauens und Strategien, die Polarisierung vermeiden, ohne an Klarheit zu verlieren. Demokratie verteidigt man nicht nur gegen ihre Feind*innen – sondern gemeinsam mit denen, die sie manchmal still, aber entschlossen tragen.

Strategisch. Realistisch. Widerständig.

Autoritäre Projekte gewinnen nicht allein durch Stärke – sondern durch strategische Leerstelle auf Seiten der Demokrat*innen. Ein „Projekt 2029“ kann genau diese Lücke füllen: als Plattform für gemeinsame Ziele, als Ort für neue Allianzen, als Motor für gesellschaftliche Resilienz.

Es ist Zeit, die Verteidigung der Demokratie nicht nur als Pflicht, sondern als gemeinsame Zukunftsaufgabe der Demokrat*innen zu begreifen.

Stellenausschreibung

Gesucht: Community Manager*in

Werde Teil einer lokal, regional und bundesweit agierenden Stiftung, die sich erfolgreich für die demokratische Zivilgesellschaft, eine menschenrechtsbasierte demokratische Kultur und für Betroffene rechter Gewalt einsetzt! Die Amadeu Antonio Stiftung sucht für ihren Standort in Berlin zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine*n Community Manager*in mit Mitarbeit im Projekt Civic.net – Aktiv gegen Hass im Netz (30 Stunden / Woche).

Über uns

Die Amadeu Antonio Stiftung engagiert sich seit 1998 für eine starke demokratische Zivilgesellschaft. Benannt nach Amadeu Antonio, einem der ersten Todesopfer rechter Gewalt nach der Wiedervereinigung, setzen wir uns konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und alle Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ein.

Dafür unterstützen wir schnell und unbürokratisch lokale Initiativen und Projekte vor Ort, sensibilisieren die Öffentlichkeit, analysieren aktuelle Entwicklungen und entwickeln effektive Strategien, um demokratische Werte zu stärken und Menschenrechte zu schützen. Dabei stehen wir solidarisch an der Seite der Betroffenen und tragen ihre Anliegen in Gesellschaft und Politik.

Deine Aufgaben

Als Community Manager*in trägst du maßgeblich dazu bei, die Stiftungskommunikation in den sozialen Netzwerken zu gestalten und weiterzuentwickeln. Gleichzeitig arbeitest du auch im Projekt Civic.net – Aktiv gegen Hass im Netz mit, das zivilgesellschaftliche Organisationen in Berlin bei der Abwehr digitaler Anfeindungen unterstützt und ihre Resilienz gegen Shitstorms stärkt. Für Civic.net erstellst du innovative Social Media-Beiträge, die sich aus deinen Erfahrungen im Community Management speisen und Multiplikator*innen im Umgang mit Hate Speech den Rücken stärken.

  • Moderation und Community Management: Du moderierst in enger Abstimmung mit der Stiftungskommunikation, unseren Leitzielen und unserer Kommunikationsstrategie Kommentarspalten (Facebook, Linkedin, Instagram, Bluesky, TikTok etc.), beantwortest Anfragen und gehst mit koordinierten Anfeindungen souverän um (Shitstorm-Management).
  • Qualitätssicherung Community Management: Du entwickelst und erprobst innovative Maßnahmen und Strategien für die Interaktion mit den plattform-spezifischen Communities, darunter Community-Bindung/Aktivierung, Empowerment-Moderation und Gegenrede und dokumentierst die Learnings und Erfahrungen entsprechend.
  • Content-Erstellung: Du planst und gestaltest auf Basis der Learnings aus dem Community Management kreative Inhalte (Text- und Videocontent) für unsere Social-Media-Kanäle (z. B. Instagram, Bluesky, LinkedIn) und sorgst für einen wirkungsvollen Auftritt.
  • Monitoring & Analyse: Du behältst relevante Debatten, Trends sowie Diskursentwicklungen in Social Media im Blick und leitest daraus Handlungsempfehlungen ab.
  • Krisenkommunikation: Du arbeitest im Team proaktiv an zielführenden kommunikativen Strategien und Reaktionen.
  • Öffentlichkeitsarbeit und Sichtbarkeit für Civic.net: Du gestaltest die Projektkommunikation aktiv mit, indem du u. a. klassische PR-Maßnahmen umsetzt und passgenaue Beiträge erstellst, damit die Ziele und Angebote von Civic.net mehr Sichtbarkeit erhalten.

Dein Profil

Wir wissen, dass niemand alle Anforderungen zu 100 % erfüllt. Wenn du dich in den meisten Punkten wiederfindest und motiviert bist, dich in neue Bereiche einzuarbeiten, freuen wir uns auf deine Bewerbung.

  • Abgeschlossenes Hochschulstudium: Du hast einen Bachelor in Kommunikations-, Medien- oder Gesellschaftswissenschaften oder ähnlichen, vergleichbaren Disziplinen.
  • Mehrjährige Erfahrung in Social Media- und Community Management: Du hast bereits souverän Content-Strategien entwickelt, Kampagnen umgesetzt oder aktiv Community Management betrieben.
  • Kenntnisse im Themenfeld Rechtsextremismus, Hass im Netz und digitaler Zivilgesellschaft: Du bringst bereits Kenntnisse und Erfahrungen zu den Schwerpunktthemen der Amadeu Antonio Stiftung mit.
  • Starke Kommunikationsfähigkeit: Du formulierst sicher und zielgruppengerecht – ob für Social Media oder interne Abstimmungen.
  • Digital-Affinität: Du bewegst dich souverän auf den relevanten Plattformen der Stiftungskommunikation (z. B. Facebook, Instagram, Bluesky, LinkedIn, Tiktok).
  • Strukturierte und strategische Arbeitsweise: Du kannst Vorhaben eigenverantwortlich planen, koordinieren und termingerecht abschließen.
  • Hands-on-Mentalität & Flexibilität: Du unterstützt bei Bedarf auch andere Bereiche der Kommunikation (z. B. Social Media Content, Media Relations) und übernimmst neue Aufgaben proaktiv.
  • Krisenfest: Du bleibst auch unter Druck, resilient, handlungsfähig und findest Lösungen bei unerwarteten Ereignissen oder Online-Anfeindungen.
  • Teamplayer*in: Du legst Wert auf eine wertschätzende Zusammenarbeit, offene Kommunikation und fühlst dich in interdisziplinären Teams wohl.
  • Identifikation mit den Zielen der Stiftung: Du möchtest zur Stärkung einer demokratischen und menschenrechtsbasierten Zivilgesellschaft (auch online) beitragen und hast Lust, dich in unsere Programminhalte einzuarbeiten.

Wir bieten dir

  • Inspirierendes Team: Ein hochmotiviertes, kompetentes und herzliches Team, das gemeinsam Großes bewegt.
  • Flexibilität, die zu dir passt: Flexible Arbeitszeitmodelle zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, inklusive Möglichkeiten zur mobilen Arbeit.
  • Attraktiver Arbeitsplatz: Ein zentral gelegener Standort in Berlin-Mitte mit hervorragender ÖPNV-Anbindung.
  • Persönliche Weiterentwicklung: Raum für deine berufliche und persönliche Entfaltung mit Fortbildungs- und Supervisionsangeboten.
  • Work-Life-Balance: Freizeitausgleich für jede Überstunde und 30 Tage Urlaub im Jahr (bei einer 5-Tage-Woche) sowie zusätzliche freie Tage am 24. und 31. Dezember.
  • Faire NGO-Vergütung: Eine Bezahlung angelehnt an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD Bund, Entgeltgruppe 11)

Die Stelle ist bis 31.12.2025 befristet. Eine anschließende Verlängerung wird angestrebt.

Das aktive Einbringen und Abbilden vielfältiger Expertisen, Perspektiven und Lebensrealitäten sind für unsere Arbeit essenziell. Um diese im Team abbilden zu können, bestärken wir insbesondere Juden*Jüdinnen, BIPoC, Menschen mit eigener oder familiärer Migrationsgeschichte, LGBTQIA+, Sinti*zze und Rom*nja und Menschen mit Behinderung sich zu bewerben. Der Arbeitsplatz ist jedoch leider nicht barrierefrei.

Haben wir dein Interesse geweckt?

Dann bewirb dich bis zum 11. Mai 2025 per E-Mail. Schicke deine Bewerbung (Anschreiben, Lebenslauf mit Kontaktangaben von zwei persönlichen Referenzen, Arbeitszeugnisse) zusammengefügt in einem PDF-Dokument (max. 4 MB) mit dem Betreff „Bewerbung – Community Manager*in“ an bewerbung@amadeu-antonio-stiftung.de.

Wir bitten, in der schriftlichen Bewerbung von Bewerbungsfotos und Angaben zu Alter, Familienstand sowie Kindern abzusehen. Bitte teile uns aber deine gewünschten Pronomen mit.

Wende dich bei Fragen gerne an Lorenz Blumenthaler (lorenz.blumenthaler@amadeu-antonio-stiftung.de).


Datenschutzhinweis

Die Datenverarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen des Bewerbungsverfahrens geschieht ausschließlich zweckgebunden und im Einklang mit der Datenschutzgrundverordnung. Alle Informationen zur Datenverarbeitung gemäß Art. 12 ff. DS-GVO findest du unter https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/datenschutz/

Stellenausschreibung

Gesucht: Studentische*r Mitarbeiter*in im Spendenservice

Werde Teil einer lokal, regional und bundesweit agierenden Stiftung, die sich erfolgreich für die demokratische Zivilgesellschaft, eine menschenrechtsbasierte demokratische Kultur und für Betroffene rechter Gewalt einsetzt! Die Amadeu Antonio Stiftung sucht für ihren Standort in Berlin zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine*n studentische*r Mitarbeiter*in im Spendenservice (20 Stunden / Woche).

Über uns

Die Amadeu Antonio Stiftung engagiert sich seit 1998 für eine starke demokratische Zivilgesellschaft. Benannt nach Amadeu Antonio, einem der ersten Todesopfer rechter Gewalt nach der Wiedervereinigung, setzen wir uns konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und alle Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ein.

Dafür unterstützen wir schnell und unbürokratisch lokale Initiativen und Projekte vor Ort, sensibilisieren die Öffentlichkeit, analysieren aktuelle Entwicklungen und entwickeln effektive Strategien, um demokratische Werte zu stärken und Menschenrechte zu schützen. Dabei stehen wir solidarisch an der Seite der Betroffenen und tragen ihre Anliegen in Gesellschaft und Politik.

Deine Aufgaben

Fundraising spielt eine zentrale Rolle für die Arbeit der Amadeu Antonio Stiftung. Das Team verantwortet unter anderem die analoge und digitale Kommunikation mit Spender*innen, die Neugewinnung von Unterstützer*innen, die Bindung und Betreuung von Bestandsspender*innen, sowie die Verwaltung der Spenden und Kontakte in einer CRM-Datenbank. Das Fundraising-Team arbeitet im engen Austausch mit den Teams der Stiftungskommunikation, den Programmbereichen sowie der Finanzabteilung.

Als studentische*r Mitarbeiter*in im Spendenservice bist du vor allem für die Spendenadministration (u.a. Prüfung von Spender*innen-Daten auf Vollständigkeit und Integrität, Mithilfe bei der Verbuchung von Spenden) und Datenpflege (CRM-Datenbank) sowie die Kommunikation mit Spender*innen zuständig. Ein weiterer Arbeitsbereich umfasst die Mitarbeit an der Aufbereitung von Daten für das Berichtswesen. Wir freuen uns auf deine Bewerbung!

Deine Tätigkeiten

  • Spendenadministration, Datenpflege und Bearbeitung von Spender*innenanliegen in unserer Datenbank CiviCRM
  • Beantwortung von Spender*innenanliegen per E-Mail und Telefon, insbesondere Beantwortung von bekannten Sachverhalten und Erarbeitung von Vorschlägen zur Beantwortung neuer Sachverhalte
  • Versand von Einladungen und Materialien per Post
  • Mitarbeit an der Vorbereitung und Durchführung von Veranstaltungen
  • Bei Bedarf Unterstützung bei der vorbereitenden Buchhaltung oder weiteren organisatorischen Aufgaben

Dein Profil

  • Immatrikulation als Student*in
  • Sorgfältige, verantwortungsbewusste und eigenständige Arbeitsweise
  • Zuverlässigkeit und Teamfähigkeit
  • Sehr gute Deutschkenntnisse in Wort und Schrift
  • Strukturierte und verlässliche Arbeitsweise
  • Hohe Sensibilität für Datenschutz und vertrauliche Informationen
  • Sicherer Umgang und Spaß an der Arbeit mit Microsoft Excel und Word, Erfahrung in Datenpflege, CiviCRM oder anderen CRMs oder im Kundenservice sind von Vorteil

Wir bieten dir

  • Inspirierendes Team: Ein hochmotiviertes, kompetentes und herzliches Team, das gemeinsam Großes bewegt.
  • Flexibilität, die zu dir passt: Flexible Arbeitszeitmodelle zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, inklusive Möglichkeiten zur mobilen Arbeit.
  • Attraktiver Arbeitsplatz: Ein zentral gelegener Standort in Berlin-Mitte mit hervorragender ÖPNV-Anbindung.
  • Persönliche Weiterentwicklung: Raum für deine berufliche und persönliche Entfaltung mit Fortbildungs- und Supervisionsangeboten.
  • Work-Life-Balance: Freizeitausgleich für jede Überstunde und 30 Tage Urlaub im Jahr (bei einer 5-Tage-Woche) sowie zusätzliche freie Tage am 24. und 31. Dezember.
  • Faire NGO-Vergütung: Eine Bezahlung angelehnt an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD 2)

Die Stelle ist bis zum 31.05.2027 befristet. Eine anschließende Verlängerung wird angestrebt.

Das aktive Einbringen und Abbilden vielfältiger Expertisen, Perspektiven und Lebensrealitäten sind für unsere Arbeit essenziell. Um diese im Team abbilden zu können, bestärken wir insbesondere Juden*Jüdinnen, BIPoC, Menschen mit eigener oder familiärer Migrationsgeschichte, LGBTQIA+, Sinti*zze und Rom*nja und Menschen mit Behinderung sich zu bewerben. Der Arbeitsplatz ist leider nicht barrierefrei.

Haben wir dein Interesse geweckt?

Dann bewirb dich bis 30.04.25 per E-Mail. Schicke deine Bewerbung (Anschreiben, Lebenslauf mit Kontaktangaben von zwei persönlichen Referenzen, Arbeitszeugnisse) zusammengefügt in einem PDF-Dokument (max. 4 MB) mit dem Betreff „Spendenservice“ an bewerbung@amadeu-antonio-stiftung.de.

Wir bitten, in der schriftlichen Bewerbung von Bewerbungsfotos und Angaben zu Alter, Familienstand sowie Kindern abzusehen. Bitte teile uns aber deine gewünschten Pronomen mit.

Wende dich bei Fragen gerne an Berit Lusebrink, berit.lusebrink@amadeu-antonio-stiftung.de.


Datenschutzhinweis

Die Datenverarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen des Bewerbungsverfahrens geschieht ausschließlich zweckgebunden und im Einklang mit der Datenschutzgrundverordnung. Alle Informationen zur Datenverarbeitung gemäß Art. 12 ff. DS-GVO findest du unter https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/datenschutz/

Offener Brief

Keine Demokratie ohne Informationen: SPD muss Informationsfreiheitsgesetz schützen

Anlässlich der Ankündigung der Unionsparteien in den Koalitionsverhandlungen, das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) abschaffen zu wollen, fordert ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis von den SPD-Vorsitzenden, die Informationsfreiheit zu schützen. 41 Organisationen, Vereine und Projekte aus Bereichen wie Menschenrechte, Transparenz und Journalismus wenden sich in einem öffentlichen Brief an Saskia Esken und Lars Klingbeil. Sie appellieren an die SPD-Vorsitzenden, Informationsfreiheit nicht zur Verhandlungsmasse zu machen.

Stattdessen sollte die nächste Bundesregierung die Auskunftsrechte der Öffentlichkeit mit einem Transparenzgesetz stärken. Angesichts einer erstarkenden autoritären Rechten und der wachsenden Präsenz der AfD im Bundestag brauche es eine resiliente Demokratie, einen transparenten Staat und eine Bundesregierung, die das Vertrauen seiner Bürger*innen nicht nur einfordert, sondern auch die notwendigen Bedingungen dafür schafft.


Sehr geehrte Saskia Esken, sehr geehrter Lars Klingbeil,
sehr geehrte Mitglieder des SPD-Parteivorstandes,

am vergangenen Mittwoch wurde öffentlich, dass die Unionsparteien fordern, das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) in der bisherigen Form abzuschaffen. Dies geht aus dem Verhandlungspapier der Arbeitsgruppe 9 „Bürokratierückbau, Staatsmodernisierung, moderne Justiz” unter dem Punkt der „Stärkung der repräsentativen Demokratie” hervor. Auch das Umweltinformationsgesetz möchte die Union laut der Arbeitsgruppe 11 „Ländliche Räume, Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt” verschlanken.

Diese Forderungen der CDU und CSU haben wir mit Entsetzen aufgenommen. Wir als breites zivilgesellschaftliches Bündnis aus 41 Organisationen, Vereinen und Projekten fordern Sie auf, Informationsfreiheit nicht zur Verhandlungsmasse zu machen und der Forderung der Union auf keinen Fall nachzugeben. Diesem Anliegen haben sich in den vergangenen Tagen auch mehr als 220.000 Menschen in einer Petition angeschlossen.

Seit Jahren setzen auch Sie sich für Informationsfreiheit und Transparenz ein und wissen um die Bedeutung des Informationsfreiheitsgesetzes. Das IFG sichert uns allen seit fast zwanzig Jahren das Recht auf Zugang zu amtlichen Informationen und ist zu einem wichtigen Grundpfeiler unserer Demokratie geworden. Der freie Informationsfluss durch den Staat stärkt und belebt die Demokratie, weil er informierte und selbstbestimmte Partizipation ermöglicht. Nur wer Einblick in das Zustandekommen verbindlicher Entscheidungen hat, kann diese auch beeinflussen, vorausgesetzt, dass dazu passende demokratische Mittel – wie das Informationsfreiheitsgesetz – bereitstehen.

Das Informationsfreiheitsgesetz ermöglicht uns allen, staatliche Entscheidungen nachzuvollziehen und zu überprüfen, wodurch das Vertrauen in die Demokratie gestärkt wird. Wichtige politische Skandale wie die Plagiatsaffären um Karl-Theodor zu Guttenberg und um Franziska Giffey, Interessenkonflikte um die Klimastiftung MV und Nord Stream 2 und die Fördermittelaffäre im Bildungsministerium konnten aufgedeckt werden, sogar weitere Transparenzregelungen wie etwa der Beschluss des Bundeskabinetts, sämtliche Gesetzentwürfe und Lobby-Stellungnahmen zu veröffentlichen, folgten auf den Druck durch Informationsfreiheitsanfragen.

Ein Staat, der seine eigene Transparenz und Überprüfbarkeit durch die Öffentlichkeit abschafft, suggeriert, dass er etwas vor seinen Bürger*innen zu verbergen hat. Parlamentarische Kontrolle und Öffentlichkeitskontrolle sind kein Gegensatz – sie tragen gemeinschaftlich zum Vertrauen in die Demokratie bei. Eine Abschaffung des derzeitigen Informationsfreiheitsgesetzes, wie die Union sie fordert, ist darum auch eine Gefahr für die Demokratie und ein fatales Signal an alle Bürger*innen.

Als Teil der Ampel-Koalition haben Sie als SPD den Wähler*innen versprochen, sich für einen Ausbau der Auskunftspflicht von Behörden und ein Transparenzgesetz einzusetzen – also für eine stärkende Reform der gesetzlichen Informationsfreiheit. Eine Kehrtwende der SPD zur faktischen Abschaffung der Informationsfreiheit ist nicht hinnehmbar. Stattdessen brauchen wir mehr Transparenz. Einen entsprechenden Vorschlag für ein Transparenzgesetz hat die Zivilgesellschaft bereits 2022 vorgelegt.

Sie als SPD fordern im selben Papier der Arbeitsgruppe 9 die Fortsetzung von Dialogformaten wie Bürgerräten, eine Maßnahme, die Partizipation und Vertrauen in den Staat stärken soll. Eine starke Informationsfreiheit zahlt auf das gleiche Ziel ein. Mehr noch: Der Zugang zu verlässlichen faktenbasierten Informationen ist überhaupt erst die Voraussetzung, um sich beteiligen zu können.

Auch angesichts einer erstarkenden autoritären Rechten und der wachsenden Präsenz der AfD im Bundestag brauchen wir eine resiliente Demokratie, einen transparenten Staat und einen Bundestag, der das Vertrauen seiner Bürger*innen nicht nur einfordert, sondern auch die notwendigen Bedingungen dafür schafft. Transparenz und Informationsfreiheit sind Pfeiler der Resilienz gegen die autoritäre Rechte und müssen deshalb gestärkt statt weiter beschränkt werden. Offene Kommunikation verhindert Desinformation und Misstrauen.

Im weltweiten Vergleich steht das deutsche Informationsfreiheitsgesetz schlecht da. Von der GRECO, der Staatengruppe gegen Korruption des Europarates, wird es als mangelhaft beurteilt, im Right to Information Ranking der UNESCO liegt Deutschland auf Platz 127 von 140. Das IFG ist somit keineswegs – wie von den Unionsparteien behauptet – eine Zumutung für die deutsche Bürokratie, sondern müsste eher in Hinsicht eines Transparenzgesetzes gestärkt werden. Tiefgreifende Informationsrechte schaffen Transparenz – gerade auch unter Behörden – und Raum für Innovation.

Laut Medienberichten spricht Philipp Amthor nun davon, dass es nicht um eine Abschaffung, sondern eine „Neujustierung” des Gesetzes gehe. Dies „böte […] eine Chance auf Harmonisierung und auf ein neues Austarieren in Form von spezifischen Anwendungsbereichen”. Die hier genannte Harmonisierung bedeutet eine Harmonisierung nach unten, mit schwächeren Auskunftsrechten, die vor allem verhindern würde, dass – wie es das IFG garantiert – weiterhin Zugang zu Originaldokumenten besteht. Auch Philipp Amthors angekündigte Reform des IFG käme somit einer faktischen Abschaffung des Informationsfreiheitsgesetzes gleich.

Wir fordern Sie darum auf:
Verteidigen Sie die Informationsfreiheit und akzeptieren Sie nicht, dass das IFG von der Union zur Verhandlungsmasse gemacht wird. Eine starke Demokratie zeichnet sich nicht durch Abschottung, sondern durch Vertrauen gegenüber den Menschen aus. Nur mit einem starken Informationsfreiheitsgesetz können Sie das notwendige Vertrauen in die Demokratie stärken.

Unterzeichnende Organisationen:

  • abgeordnetenwatch.de
  • AlgorithmWatch
  • Amadeu Antonio Stiftung
  • Amnesty International in Deutschland e.V.
  • Bayerischer Flüchtlingsrat e.V.
  • Blueprint for Free Speech e.V.
  • Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)
  • Bürgerbewegung Finanzwende
  • Campact e.V.
  • chaos computer club
  • D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt
  • Dachverband Kritische Aktionärinnen und Aktionäre
  • Deutsche Gesellschaft für Informationsfreiheit e.V.
  • European Center for Constitutional and Human Rights e. V.
  • foodwatch e.V
  • FragDenStaat
  • Freischreiber e.V.
  • Goliathwatch e.V
  • Green Legal Impact Germany e.V.
  • Greenpeace
  • GRÜNE LIGA e.V.
  • Leavenoonebehind
  • LobbyControl e.V.
  • Mehr Demokratie e.V.
  • Netzwerk Klimajournalismus Deutschland e.V.
  • Netzwerk Recherche e.V.
  • Neue deutsche Medienmacher*innen e. V.
  • Open Knowledge Foundation Deutschland e.V.
  • openPetition
  • Oxfam Deutschland e.V.
  • PowerShift e.V.
  • PRO ASYL Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge e.V.
  • Reporter ohne Grenzen e.V.
  • Sanktionsfrei
  • Sea-Watch e.V.
  • Selbstlaut Kollektiv
  • Sozialheld*innen (Sozialhelden e.V.)
  • Transparency International Deutschland e.V.
  • Umweltinstitut München e.V.
  • urgewald e.V.
  • Wikimedia Deutschland e.V.
Neuerscheinung

Antisemitismus und Verschwörungserzählungen erkennen und entkräften

Antisemitismus und Verschwörungserzählungen haben besonders in Zeiten gesellschaftlicher Unsicherheit Konjunktur. Krisen und politische Umbrüche begünstigen die Suche nach einfachen Erklärungen, die komplexe Zusammenhänge auf Schuldzuweisungen reduzieren. Doch diese Erzählungen sind nicht nur irreführend, sondern hochgefährlich: Sie schüren Ressentiments, untergraben den gesellschaftlichen Zusammenhalt und bedrohen die Grundlagen einer offenen und demokratischen Gesellschaft.

Häufig verknüpfen sich dabei Verschwörungsnarrative mit antisemitischen Motiven. Immer wieder werden vermeintlich mächtige, im Verborgenen agierende Gruppen als Drahtzieher verantwortlich gemacht – eine Vorstellung, die tief in antisemitischen Stereotypen verwurzelt ist. Besonders problematisch ist dabei, dass antisemitische Narrative oft verschlüsselt oder scheinbar harmlos auftreten – etwa in der Rede von „geheimen Eliten“, die im Hintergrund die Fäden ziehen, oder in aktuellen Israel-bezogenen Verschwörungsmythen. Ihre Anpassungsfähigkeit über historische Kontexte hinweg macht sie besonders wirkmächtig und erschwert es, sie zu entlarven.

Verschwörungserzählungen in Vereinen und Verbänden

Verschwörungserzählungen sind kein Randphänomen, sondern tief in der Gesellschaft verwurzelt. Seit der Corona-Pandemie hat die Verbreitung von Verschwörungserzählungen auch durch Social Media eine neue Dimension erreicht. Diese Dynamik setzte sich in verschiedenen Kontexten fort, von Narrativen rund um den Ukraine-Krieg bis hin zu Verschwörungen im Zuge des Nahostkonflikts. Insbesondere nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 wurden zahlreiche Falschbehauptungen und Verschwörungsnarrative verbreitet, die den Konflikt begleiteten und die öffentliche Meinung beeinflussten.

Verschwörungsideologien können den sozialen Zusammenhalt schwächen, demokratische Werte untergraben und das Vertrauen innerhalb von Gemeinschaften erschüttern. Besonders in Vereinen und Verbänden, die als Orte des Austauschs, der Teilhabe und des Zusammenhalts eine zentrale Rolle im gesellschaftlichen Miteinander spielen, kann ihre Verbreitung problematische Konsequenzen nach sich ziehen. Umso gefährlicher ist es, wenn Verschwörungserzählungen dort unreflektiert Raum bekommen. Daher ist es entscheidend, dass engagierte Menschen in diesen Strukturen Verschwörungsnarrative erkennen und ihnen mit fundiertem Wissen entgegentreten.

Das Entschwörungsquartett – Ein pädagogischer Zugang

Das Entschwörungsquartett bietet einen niedrigschwelligen und zugleich tiefgehenden Zugang zu den Themen Antisemitismus und Verschwörungsideologie. Es kombiniert historische Perspektiven mit aktuellen Beispielen und zeigt, wie sich alte Mythen und Stereotype über Jahrhunderte hinweg immer wieder neu aktualisieren. Die Karten ermöglichen eine interaktive Auseinandersetzung mit Verschwörungsnarrativen – sowohl für Menschen mit Vorkenntnissen als auch für jene, die sich erstmals mit Antisemitismus und Verschwörungsdenken befassen. Das Quartett eröffnet zudem Möglichkeiten für Perspektivwechsel, denn nur wenn Unsicherheiten, Fragen und Vorbehalte ohne Angst vor Stigmatisierung oder Ausschluss angesprochen werden können, entsteht ein konstruktiver Austausch. Das Format sensibilisiert für wiederkehrende Muster und Mechanismen von Verschwörungsnarrativen und fördert einen kritischen Blick auf deren Präsenz im Alltag. Es bietet eine praxisnahe Möglichkeit, demokratische Resilienz zu stärken.

Das Entschwörungsquartett, bestehend aus acht Kartensets und einem detaillierten Workshop-Konzept, bietet praxisnahe Anregungen für die pädagogische Auseinandersetzung mit Antisemitismus und Verschwörungsideologien. Die 32 Karten sind auf robustem Karton gedruckt und speziell für den langfristigen Einsatz in pädagogisch begleiteten Settings konzipiert. Die Begleitbroschüre enthält Anregungen zur Nutzung der Karten, Hintergrundinformationen zu den Narrativen sowie einen detailliert ausgearbeiteten Vorschlag für einen zweistündigen Workshop mit Jugendlichen und Erwachsenen.

Das Quartett entstand im Rahmen des Projekt “Entschwörung vor Ort” und wurde durch das Bundesprogramm „Zusammenhalt durch Teilhabe“ des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) sowie die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) gefördert.

Was können wir von hier aus tun? Hamburger*innen bauen solidarische Brücken zwischen (Nord-)West und Ost

Aus Café Nova wird das Ost-Café: In einer entweihten Kirche in Hamburg-Veddel kommen Menschen zusammen, die ostdeutsche Initiativen unterstützen und gegen rechtsextreme Verhältnisse ankämpfen. Foto: Amadeu Antonio Stiftung

In vielen ostdeutschen Regionen ist eine rechtsextreme Normalisierung in den Parlamenten, Institutionen und im Alltag Realität. Mit dem Ost-Café haben Hamburger*innen eine Veranstaltungsreihe gestartet, die auf Solidarität und Vernetzung gegen diese Verhältnisse setzt.

Von Vera Ohlendorf

Über 40 Menschen sind an einem Sonntagnachmittag im März im Café Nova in Hamburg-Veddel zusammengekommen. Bei Kaffee, Kaltem Hund und Kuchen lauschen sie einem Vortrag von DaMOst e.V., dem Dachverband der über 400 ostdeutschen Migrant*innenorganisationen. Anhand einer Studie geht die Referentin zunächst auf die Komplexität ostdeutscher Identitäten ein und überrascht dann mit der Tatsache, dass 94,3% der Menschen mit Migrationsgeschichte in den westdeutschen Bundesländern und in Berlin leben. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung lag 2023 in den ostdeutschen Bundesländern bei ca. 11,4%, in den westdeutschen Bundesländern bei ca. 32,9%. In Ostdeutschland sind viele migrantisierte Menschen akuten Bedrohungen durch Rassismus im Alltag und bei Behörden ausgesetzt. Seit dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt im Dezember 2024 haben Diskriminierungen und Übergriffe nicht nur dort, sondern auch insgesamt, zugenommen und erhöhen den Bedarf nach Schutzkonzepten und Sicherheitsmaßnahmen. Deshalb seien Kooperationen zwischen Communities und Organisationen in Ostdeutschland besonders wichtig. Die Anwesenden hören konzentriert zu und setzen sich anschließend anhand von Texten mit unterschiedlichen Lebensrealitäten ostdeutscher Migrant*innen verschiedener Generationen und Herkunftsländer auseinander.

Austausch, Vernetzung und praktische Unterstützung

Die Veranstaltung ist Teil der Reihe Ost-Café, zu der die Hamburger „Initiative Solidaritätszuschlag“ eingeladen hat und die von der Amadeu Antonio Stiftung unterstützt wird. „Viele von uns sind in Ostdeutschland aufgewachsen oder haben einen biografischen Bezug dazu“, sagt Henri als Teil des Organisationsteams. „Uns haben ganz verschiedene Bedürfnisse als Gruppe zusammengebracht. Zum einen gibt es den Wunsch nach Austausch hier vor Ort mit Menschen, denen es ähnlich geht. Zum anderen geht es um Vernetzung nach Ostdeutschland und darum, sich über zivilgesellschaftliche Strukturen dort zu informieren. Gleichzeitig wollen wir mit Ressourcen unterstützen“, fasst Henri die Ziele der Arbeit zusammen, die seit sechs Monaten ehrenamtlich geleistet wird. Das Ost-Café öffnet an wechselnden Orten in Hamburg Räume, um Lobbyarbeit für zivilgesellschaftliche Projekte und Initiativen zu machen, die sich gegen Rechtsextremismus und Rassismus in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen engagieren. Dabei ist es den Organisator*innen wichtig, verschiedenen Themen und Ansätzen eine Bühne zu bieten. Schon die ersten Veranstaltungen mit Queerpride Dresden und dem Netzwerk Polylux sind auf großes Interesse gestoßen.

„Wenn man aus dem Osten kommt oder länger dort gewohnt hat, beschäftigt es einen natürlich, was dort gerade abgeht und wie Menschen und Initiativen dort von rechtsextremer Gewalt betroffen sind. Viele Hamburger*innen aus unserem Umfeld fragen sich, wie sie von hier aus aktiv werden können“, sagt Thea, die ebenfalls zum Team gehört. Um Antworten auf diese Frage zu finden, sei es hilfreich, in den persönlichen Kontakt zu gehen und Bedarfe aus erster Hand zu hören. Häufig würden dann Vernetzung und finanzielle Unterstützung genannt.

Ganz praktischen Support organisiert die Initiative gemeinsam mit dem Bündnis „Demminer Bürger e.V.“ in Mecklenburg-Vorpommern. In der Kleinstadt rufen Rechtsextreme jedes Jahr am Tag der Befreiung am 8. Mai zu einem „Trauermarsch“ auf, der geschichtliche Tatsachen leugnet. Die Hamburger Aktiven unterstützen das Bürgerbündnis bei der Organisation von Gegenveranstaltungen vor Ort und vermitteln Kontakte.

Rechtsextremismus ist kein allein ostdeutsches Problem

„In den nächsten Jahren wird die politische Situation auch in Hamburg schwieriger werden“, ist sich Thea sicher. „Noch leben wir hier in einer Wohlfühlbubble, aber der wachsende Rechtsextremismus wird früher oder später auch uns härter treffen. Es ist wichtig, dass wir schauen, was andere Menschen an Strategien entwickeln und überlegen, wie man vorbeugen kann. Wir wollen jetzt Verbündete und Netzwerke suchen. Das Ost-Café ist keine One-Way-Geschichte“. Und Henri ergänzt: „Uns beschäftigt auch, was aus Menschen wird, die jetzt nicht mehr in Ostdeutschland wohnen können. Im Freundeskreis höre ich häufiger, dass engagierte Menschen, die sich seit Jahren gegen die Verhältnisse engagieren und immer mehr angefeindet werden, einfach ausgebrannt sind, nicht mehr können und nach Hamburg ziehen. Unsere Arbeit kann auch einen Raum bieten, die Leute ein bisschen aufzufangen.“

Nach dem Vortrag von DaMOst stellen die Teilnehmenden viele Nachfragen, diskutieren und formulieren Ideen, um auch in Hamburg Menschen mit Migrationsgeschichte besser in Demokratieprojekte einzubinden.

Henri und Thea freuen sich über die positive Resonanz. Das Ost-Café ist nach drei Veranstaltungen zum Selbstläufer geworden: „Wir müssen kaum jemanden anfragen, viele Menschen kommen mit Ideen auf uns zu, um ostdeutsche Initiativen hier bekannter zu machen“, sagt Henri zum Abschluss.


Die Amadeu Antonio Stiftung fördert u.a. Projekte, die solidarische Allianzen bilden oder Kooperationen zwischen ostdeutschen und westdeutschen oder zwischen großstädtischen und ländlichen Initiativen zum Ziel haben. Wir freuen uns über Anträge! Alle Infos dazu sind hier zu finden.

551 Fragen zu NGOs: Eine Antwort wie ein Faktencheck

Foto von Markus Spiske auf Unsplash

Mit ihrer Bundestagsanfrage „Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen“ hat die Unionsfraktion eine massive Misstrauenskampagne gegen die demokratische Zivilgesellschaft lanciert. 551 Fragen zu 14 NGOs zielten darauf ab, deren Gemeinnützigkeit infrage zu stellen. Nun hat die Bundesregierung geantwortet – und klargestellt: Zivilgesellschaftliches Engagement ist rechtlich abgesichert und demokratiepolitisch erwünscht!

Von Luisa Gehring

Was war geschehen?

Am 21. Februar 2025, nur zwei Tage vor der Bundestagswahl, hat die Fraktion der CDU/CSU im Bundestag eine Anfrage mit dem Titel „Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen“ in den Bundestag eingebracht. In 551 Fragen wird die Gemeinnützigkeit von NGOs wie Omas Gegen Rechts, Campact, Greenpeace, CORRECTIV, Foodwatch und der Amadeu Antonio Stiftung infrage gestellt. Auffällig ist, dass der Rundumschlag gegen die demokratische Zivilgesellschaft Organisationen trifft, die sich für Umweltschutz sowie Freiheitsrechte einsetzen und über Rechtsextremismus aufklären.

Die Anfrage wurde breit kritisiert: Neben Parteien wie SPD, Gründe und Linke kritisierten vor allem die betroffenen Organisationen die Kampagne: „Das Ziel dieser parlamentarischen Anfrage ist es, die Förderwürdigkeit der betroffenen Organisationen infrage zu stellen. Damit sollen NGOs in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt und sie mundtot gemacht werden“, sagte Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung. Chris Methmann, Geschäftsführer von Foodwatch erklärte: “Es geht der Union darum, unbequeme Stimmen einzuschüchtern.”

Union unterstellt einseitig Einflussnahme auf politische Willensbildung

Fraktionsvize Mathias Middelberg (CDU) verteidigte die Anfrage gegen Kritik: Die Prüfung der rechtmäßigen Verwendung von Steuermitteln der Allgemeinheit sei eine Kernaufgabe des Parlaments. Dabei macht die Union in ihrer Anfrage keinen Hehl daraus, dass sie sich nur gegen einen bestimmten Teil staatlich geförderter Projekte richtet und der damit verbundene Vorwurf politisch motiviert ist: “Proteste gegen die CDU, die teils von gemeinnützigen Vereinen oder staatlich finanzierten Organisationen organisiert oder unterstützt wurden”, würden gegen eine politische Neutralität verstoßen, heißt es dort. Gemeint sind mutmaßlich die Demonstrationen hunderttausender Menschen gegen Rechtsextremismus nach einem politischen Dammbruch: der gemeinsamen Abstimmung von Union, FDP und AfD für einen verschärften Kurs in der Migrationspolitik Ende Januar.

Dementsprechend sind Fragen zur staatlichen Finanzierung konservativen oder wirtschaftsliberalen Organisationen in der Anfrage nicht zu finden. Der deutsche Bauernverband beispielsweise – eine der mächtigsten Lobbyorganisationen Deutschlands – erhielt 2023 laut Lobbyregister des Bundestages mindestens 1,7 Millionen Euro aus öffentlicher Hand. Die vom deutschen Bauernverband initiierten Bauernproteste bleiben alles andere als demokratisch in Erinnerung: “Vorrangig scheint es bei den Bauernprotesten seit 2023 nicht mehr um fachliche Kritik an der staatlichen Politik zu gehen, sondern darum, eine starke regierungsfeindliche Protestlobby aufzubauen, die sich radikalisiert, auch gewaltbereit auftritt und sich mit rechten Protestströmungen vereint, analysiert Rechtsextremismus-Expertin Andrea Röpke in einem Interview mit belltower.news.

Mit Fragen wie “Wie definiert die CORRECTIV gGmbH ihre gemeinnützigen Tätigkeiten, und wie grenzt sie sich von parteipolitischer Einflussnahme ab?”, “Gibt es Fälle, in denen der Verein Campact e. V. explizit für oder gegen eine Partei geworben hat?” oder “Haben die Kampagnen der Amadeu Antonio Stiftung nach Einschätzung der Bundesregierung direkte Auswirkungen auf Wahlergebnisse oder politische Entscheidungen?” soll, verkleidet im Gewand einer parlamentarischen Anfrage, die kritische Zivilgesellschaft in ihre Schranken gewiesen werden.

Rückendeckung aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft

In Reaktion auf die kleine Anfrage hat sich die Zivilgesellschaft geschlossen hinter die betroffenen NGOs gestellt und deutlich gemacht: Gemeint sind wir alle! Mehr als eine halbe Million Menschen haben die Petition “Angriff auf die Zivilgesellschaft verteidigen” unterzeichnet, die vor dem Hintergrund der Koalitionsverhandlungen an die SPD übergeben wurde.

Namhafte Akteure wie der Bundesausschuss politische Bildung (bap), der Deutsche Gewerkschaftsbund, der Bundesverband Deutscher Stiftungen, Maecenata Stiftung, Robert Bosch Stiftung, Rudolf Augstein Stiftung, Schöpflin Stiftung oder der Deutsche Journalisten Verband (DJV) haben sich mit Stellungnahmen hinter die betroffenen Organisationen gestellt.

Auch aus der Wissenschaft gab es Rückenwind: Über 2300 Wissenschaftler*innen schlossen sich einer Stellungnahme an, in der betont wird, dass Gemeinnützigkeit nicht mit politischer Enthaltsamkeit einhergeht: Zivilgesellschaftliche Organisationen unterliegen weder einem Neutralitäts- noch einem Mäßigungsgebot!

Eine mediale Diffamierungskampagne gab den Ton vor

Die Unionsfraktion beruft sich in ihrer Anfrage auf einen Bericht der Zeitung “Welt”, welcher wiederum auf sogenannten “Recherchen” der rechtsalternativen Medienplattform “Nius” beruht und beruft sich auf “Stimmen”, die “in den Nichtregierungsorganisationen (NGOs) eine Schattenstruktur (sehen), die mit staatlichen Geldern indirekt Politik betreibt”, unterstellt ihnen Wahlkampfunterstützung und wittert parteipolitische Stimmungsmache.

Die Unterstellung, dass zivilgesellschaftliche Organisationen als verlängerter Arm einer politischen Agenda wirken oder gar eine Parallelstruktur zur Regierung bilden, ist nicht nur falsch, sondern hochproblematisch. Narrative wie Verschwörungserzählung des “Tiefen Staates“ stammen aus dem verschwörungsideologischen und rechtsextremen Spektrum und wurden in der Vergangenheit gezielt genutzt, um demokratische Akteure zu diskreditieren. Ein Blick über die deutschen Staatsgrenzen hinweg zeigt: Die Schwächung der Zivilgesellschaft gehört zum kleinen 1×1 von Autokraten. Ob Donald Trump in den USA, Wladimir Putin in Russland, Viktor Orban in Ungarn oder Javier Miliei in Argentinien, sie alle haben schon vor langer Zeit mit der Verunglimpfung zivilgesellschaftlicher Organisationen begonnen.

Bundesregierung weist Vorwürfe unmissverständlich zurück

Am 12. März 2025 veröffentlichte die Bundesregierung ihre Antwort auf den Fragenkatalog der Unionsfraktion. Schon in ihrer Vorbemerkung bezieht sie bemerkenswert eindeutig Stellung: Zivilgesellschaftliches Engagement ist nicht nur rechtlich abgesichert, es ist auch demokratiepolitisch ausdrücklich erwünscht.

“Der freiheitliche demokratische Verfassungsstaat lebt von zivilgesellschaftlichem Engagement für ein friedliches und respektvolles Zusammenleben und dem Einsatz gegen menschen- und demokratiefeindliche Phänomene. Es ist die Verantwortung des Staates, im Rahmen einer wehrhaften Demokratie für den Erhalt der freiheitlichen demokratischen Grundordnung einzutreten. Hierzu zählt auch die aktive und passive Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements”.

Die Bundesregierung betont, mit Blick auf die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus, dass das Recht auf Versammlungsfreiheit ein Grundrecht ist – das auch vor Wahlen nicht eingeschränkt ist. Im Gegenteil:

Die “Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe” ist “für eine freiheitliche demokratische Staatsordnung konstituierend”.

Zivilgesellschaftliche Organisationen, auch staatlich geförderte, dürfen sich entsprechend positionieren:

“Verlautbarungen jenseits der konkreten staatlich geförderten Projektumsetzung sind Ausdruck einer Grundrechtsausübung, die die vollziehende Gewalt zu gewährleisten, nicht zu beschneiden, hat.”

Ist das noch gemeinnützig?

In ihrer Antwort betont die Bundesregierung, dass der Bundesfinanzhof schon in der Vergangenheit bestätigt hat, dass gemeinnützige Organisation politisch sein dürfen. Und das dürfen sie auch, wenn politische Themen nicht der Kern ihres Handelns sind.
In diesem Zusammenhang verweist die Bundesregierung auf geltende Rechtsprechung und betont, dass es

“nicht zu beanstanden ist, wenn eine steuerbegünstigte Körperschaft außerhalb ihrer Satzungszwecke vereinzelt zu tagespolitischen Themen Stellung nimmt”.

Ein Sportverein beispielsweise darf sich durchaus für Klimaschutz oder gegen Rassismus aussprechen, ohne die eigene Gemeinnützigkeit zu gefährden.

Keine “Schattenstruktur” von NGOs

Auch dem von der Unionsfraktion verbreiteten Narrativ eines „Deep State“ widerspricht die Bundesregierung: Sie sieht “keine Anhaltspunkte für die in der Kleinen Anfrage enthaltene Behauptung”.

Viele der von der Union abgefragten Informationen zur staatlichen Finanzierung zivilgesellschaftlicher Organisationen sind durch das 2022 eingeführte Lobbyregister beim Bundestag öffentlich einsehbar. Allein schon wegen dieser umfangreichen Transparenzverpflichtungen, denen der Staat gegenüber seinen Bürger*innen bereits nachkommt, ist der Vorwurf einer “Schattenstruktur” unhaltbar. Die entsprechenden Fragen lassen sich daher weniger als Gegenstand einer parlamentarischen Kontrolle, sondern vielmehr als parteipolitisches Manöver entlarven. Fragen zu Förderhöhen und den zugehörigen staatlichen Fördertöpfen wären durch die Unionsfraktion mit wenig Aufwand selbst zu beantworten.

“Es ist nicht Bestandteil der parlamentarischen Kontrollfunktion des Bundestages […] frei verfügbare Informationen durch die Bundesregierung zusammentragen und anschaulich aufbereiten zu lassen.”, erklärt die Bundesregierung dazu.

Demokratieförderung auf sichere Beine stellen!

Die Misstrauenskampagne der Union im Bundestag macht bereits Schule: Auch auf Landes- und Kommunalebene wird versucht, Organisationen ihren Gemeinnützigkeit abzuerkennen und ihnen damit Fördermittel zu entziehen. In Lübeck (Schleswig-Holstein) fragt die CDU in einer Kleinen Anfrage im Kreistag nun auch die politische Neutralität von Buchläden, dem AStA, einer Schüler*innenvertretung und politischen Parteien ab. In Sachsen-Anhalt stellte die FDP-Landtagsfraktion erst Mitte März eine Kleine Anfrage, in der sie ebenfalls abfragt, wie viel staatliche Förderung NGOs im Land erhalten.

Zuletzt hatte in Salzwedel eine Mehrheit aus CDU, AfD und der Freien Faktion eine bereits zugesagte Förderung von 700.000 Euro aus dem Bundesprogramm “Demokratie leben!” abgelehnt. Das Geld wäre in den Ausbau der Jugendbeteiligung sowie in eine Koordinierungsstelle für Demokratieförderung geflossen.

Die neue Bundesregierung wird sich an ihrem Umgang mit der Zivilgesellschaft messen lassen müssen. Was es jetzt braucht, ist eine langfristige und zuverlässige Absicherung zivilgesellschaftlicher Organisationen, damit NGOs auch in Zukunft vor Angriffen geschützt sind. Noch besteht die Chance, durch eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts zivilgesellschaftliches Engagement rechtssicher und nachhaltig zu schützen.

Zivilgesellschaftliche Organisationen bilden das Bindeglied zwischen Staat und Gesellschaft. Sie tragen zur demokratischen Aufklärung, Willensbildung sowie Konfliktaustragung bei. In Zeiten rechtsextremer Landnahme ist Zivilgesellschaft kein Luxus, sondern Notwendigkeit.

Sondierungspapier: Ihr seid keine echten Deutschen

Die Parteien verständigen sich darauf, verfassungsrechtlich prüfen zu lassen, ob „Terrorunterstützern, Antisemiten und Extremisten, die zur Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung aufrufen, die deutsche Staatsbürgerschaft“ entzogen werden kann, sofern sie eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen (Quelle: pixabay)

Laut dem Sondierungspapier zwischen Union und SPD soll bei „Terrorunterstützern, Antisemiten und Extremisten“, mit doppelter Staatsbürgerschaft geprüft werden, die deutsche Staatsbürgerschaft abzuerkennen. Ein brandgefährlicher Weg.

CDU, CSU und SPD haben die Sondierungsphase zu einer möglichen Koalition abgeschlossen. In einem elfseitigen Dokument halten die Parteien erste Entscheidungen fest. Besonders ein Punkt sorgt dabei für viel Entsetzen unter Menschen mit Migrationsbiografien. Die Parteien verständigen sich darauf, verfassungsrechtlich prüfen zu lassen, ob „Terrorunterstützern, Antisemiten und Extremisten, die zur Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung aufrufen, die deutsche Staatsbürgerschaft“ entzogen werden kann, sofern sie eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen.

Deutschen bei Straffälligkeit den deutschen Pass zu entziehen, schlug Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz bereits im Januar vor, noch zu Wahlkampfzeiten. Im Interview mit der Welt am Sonntag fordert Merz: „Es müsste (…) eine Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft möglich sein, wenn wir erkennen, dass wir bei straffällig werdenden Personen einen Fehler gemacht haben.“ Wer sich nicht an die Regeln hält, könne nicht bleiben: „Und um Anschläge oder weitere Straftaten zu vermeiden, müssen ausländische Straftäter spätestens nach der zweiten Straftat ausgewiesen werden.“ Dieser gefährliche Vorschlag findet nun also Einzug in das Sondierungspapier der möglichen neuen Koalition aus Union und SPD.

Was bedeutet dieser Vorschlag? Eine doppelte deutsche Staatsbürgerschaft wäre damit faktisch weniger wert als die eines „deutsch-deutschen“ Staatsbürgers. Dieser Vorschlag betrifft Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Laut dem Mediendienst Integration liegt die Zahl der Personen, die neben der deutschen noch mindestens eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen, zwischen 2,9 und 4,3 Millionen. Der Mikrozensus 2023 ergab, dass es rund 2,9 Millionen deutsche Doppelstaatler*innen gibt, von denen über 70 Prozent eine weitere europäische Staatsbürgerschaft haben. Sie alle betrifft der Vorstoß der Sondierung.

De facto geht es hier um eine Unterscheidung in Geburts-Deutsche und Pass-Deutsche. Die einen sind sicher in Deutschland, die anderen können bei einem Vergehen ihre Heimat verlieren, sie könnten in ein Land geschickt werden, dass sie nicht kennen und dessen Sprache sie eventuell nicht sprechen. Menschen, deren Familien seit Generationen in Deutschland leben, deren Großeltern jedoch beispielsweise aus der Türkei oder Vietnam stammen, werden in dieser Vorstellung trotz ihres deutschen Passes nicht als echte Deutsche angesehen. Dabei wurde die Staatsbürgerschaft aus gutem Grund nach den Verbrechen der NS-Zeit nicht mehr ausschließlich an die Abstammung geknüpft. Das Grundgesetz schützt diesen Grundsatz ausdrücklich: „Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden“  heißt es in Artikel 16. Eine zusätzliche Staatsangehörigkeit schmälert nicht das Deutschsein. Ein straffällig gewordener Deutscher bleibt ein straffällig gewordener Deutscher – unabhängig von weiteren Pässen. Doch genau an diese Grundannahme rüttelt die mögliche nächste Koalition.

Was bewirkt diese Forderung?

Auch wenn dieser Punkt des Sondierungs-Papiers in der Öffentlichkeit nicht sonderlich viel Aufmerksamkeit erfährt, so verstehen Betroffene, also Menschen mit Migrationsbiografien diese Aussage: Egal wie lange du und deine Vorfahren bereits in Deutschland leben, ihr werdet nie echte Deutsche sein.

Besonders perfide ist dieser Punkt Staatsangehörigkeitsrecht auch, weil er mit dem vorgeschobenen Schutz jüdischen Lebens daherkommt. Denn das ist offenbar nur durch vermeintlich importierten Antisemitismus gefährdet. Ein Hubert Aiwanger, dem vorgeworfen wurde, als Schüler ein antisemitisches und NS-verharmlosendes Pamphlet verfasst zu haben, muss keine Konsequenzen fürchten, er ist stellvertretender bayerischer Ministerpräsident. Wie wichtig den potentiellen Koalitionären der Kampf gegen Antisemitismus tatsächlich ist, lässt sich aber auch daran ablesen, wie oft das Thema abseits der rassistischen Abschiebefantasien im Sondierungspapier vorkommt: gar nicht.

Antisemit*innen auszubürgern sei eine „Nebelkerze“, warnt daher auch Nikolas Lelle, Leiter der Aktionswochen gegen Antisemitismus der Amadeu Antonio Stiftung. „Antisemitismus bekämpft man nachhaltig, wenn man begreift, wie sehr Judenhass in alle politische Milieus ragt und damit auch ins Eigene.“

Der Vorstoß im Papier ist ein autoritäres Instrument, das Menschen mit Migrationsgeschichten abermals vorhält, keine echten Deutschen zu sein. „Terrorunterstützern, Antisemiten und Extremisten“: Es sind schwammige Begriffe, die je nach politischer Wetterlage unterschiedlich ausgelegt werden können. Unter einer AfD-Regierungsbeteiligung, die in den kommenden Jahren durchaus wahrscheinlich ist, wäre dieses Instrument fatal. Viele Menschen kategorisiert die AfD unter Extremismus kategorisiert, „Linksextremismus“.

Der Weg, den die Koalition mit diesem Vorhaben einschlägt, ist brandgefährlich und bedroht zahlreiche Menschen. Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit verstehen das. „Ich werde nie eine richtige Deutsche sein – das ist mir jetzt klargeworden“, so eine in Deutschland geborene Ärztin, deren Eltern ehemals aus der Türkei als sogenannte „Gastarbeiter*innen“ nach Deutschland kamen. Statt wie ursprünglich geplant, eine Immobilie in Brandenburg zu suchen, sucht sie jetzt nach einem Land zum Auswandern.

„Die AfD ist eine organisierte Gefahr für die Demokratie“

Vertreter*innen der CDU, CSU und SPD nach dem Abschluss der Sondierungsgespräche. (Quelle: picture alliance/dpa | Michael Kappeler)

Die Koalitionsverhandlungen 2025 sind der Moment, um Weichen zu stellen – nicht für Symbolpolitik, sondern für den tatsächlichen Schutz der Demokratie. Der Koalitionsvertrag muss eine Erzählung für gesellschaftlichen Zusammenhalt sein – eine klare Botschaft: Diese Regierung wird Freiheit, Demokratie und den Rechtsstaat gegen ihre Feinde verteidigen, nach außen, aber eben auch nach innen, fordert Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung.

Hunderttausende gingen in den Monaten vor dieser Bundestagswahl auf die Straße – nicht gegen eine Partei, nicht gegen Friedrich Merz, sondern gegen eine politische Strategie, die den Schulterschluss mit einer rechtsextremen AfD nicht mehr ausschließt. Sie demonstrierten, weil sie sich Sorgen um die Demokratie in Deutschland machen – nicht, weil sie dafür Staatsgelder erhalten oder ein angeblicher „Schattenstaat“ aus Nichtregierungsorganisationen ihnen vorschreibt, was zu tun ist. Ihr Signal ist klar: keine Kooperation mit Rechtsextremen oder die Übernahme ihrer Inhalte. Ist diese Botschaft bei der Union und der SPD angekommen?

Die aktuellen Koalitionsverhandlungen sind der Zeitpunkt, um entscheidende Weichen zu stellen – nicht für Symbolpolitik, sondern für echten Schutz der Demokratie. Der Koalitionsvertrag sollte eine Vision für gesellschaftlichen Zusammenhalt vermitteln und eine unmissverständliche Botschaft senden: Diese Regierung wird Freiheit, Demokratie und den Rechtsstaat verteidigen – nicht nur nach außen, sondern ebenso gegen Bedrohungen im Inneren.

Sicherheit heißt, demokratische Institutionen zu schützen

Die AfD und ihr Umfeld sind längst mehr als nur eine Partei – sie stellen eine organisierte Bedrohung für die Demokratie dar. Sie nutzt gezielt die Instrumente der parlamentarischen Demokratie, um Einfluss zu gewinnen und letztlich deren Abschaffung herbeizuführen. Die neue Bundesregierung muss deshalb entschlossen handeln: rechtsextreme Netzwerke offenlegen, Finanzierungsquellen kappen, Parteiverbotsoptionen prüfen. Die Demokratie darf nicht weiter tatenlos zusehen.

Engagierte Kommunalpolitik, Lehrkräfte, Ehrenamtliche in Sportvereinen – sie sind die wichtigste Verteidigungslinie gegen Demokratiefeinde und zugleich die ersten, die von der AfD und ihren Helfershelfern bedroht werden. Doch sie werden oft allein gelassen. Schutzmaßnahmen für diese Menschen müssen oberste Priorität haben: konsequente Strafverfolgung von Bedrohungen, klare Regelungen in Gemeindeverordnungen gegen Einschüchterungen und stärkere Unterstützung für gefährdete Akteure. Auch Justiz und Sicherheitsbehörden müssen auf die wachsende Bedrohungslage vorbereitet sein – nicht durch bloße Gesetzesverschärfungen, sondern durch eine konsequente Anwendung bestehender Gesetze.

Gemeindezentren, Stadtteiltreffs, Jugendclubs – sie sind Orte des Zusammenhalts und zugleich Angriffsziele rechtsextremer Strukturen. Die neue Regierung muss sie schützen und ausbauen, besonders in ländlichen Regionen, wo rechtsextreme Netzwerke soziale Lücken bewusst ausnutzen.

Wiederkehrende Anschläge zeigen: Die Extremismus-Kategorien greifen zu kurz

Immer wieder erschüttern schreckliche Anschläge das Land – Angriffe, die nicht immer eindeutig dem Rechtsextremismus oder Islamismus zugeordnet werden können, sondern aus einer Mischung von Hass, digitalen Radikalisierungsprozessen und Verschwörungserzählungen entstehen. Dabei spielen antisemitische Narrative eine zentrale Rolle, in denen angebliche „Strippenzieher“ die Gesellschaft kontrollieren sollen. Das Resultat ist ein gefährliches Feindbild, in dem neben Jüd*innen auch Frauen, Muslim*innen, queere Menschen, Geflüchtete, politische Gegner*innen und Medienschaffende als Feinde konstruiert werden.

Daher muss die nationale Strategie gegen Antisemitismus gestärkt und konsequent umgesetzt werden. Zugleich sind die bestehenden Demokratieprogramme zur Prävention von religiös motivierter Radikalisierung finanziell auszubauen. Hochschulen, Kunst und Kultur müssen sich intensiver mit Antisemitismus und Israelhass auseinandersetzen, ohne dabei die Freiheit der Kunst einzuschränken. Die Bundesregierung darf nicht länger Anschläge isoliert betrachten, sondern muss ideologische Netzwerke und digitale Radikalisierungsräume konsequent in den Blick nehmen.

Gesellschaftlicher Zusammenhalt entsteht durch klare Kante – und soziale Sicherheit

Hetze wird systematisch produziert: auf TikTok, in Telegram-Gruppen, in Kommentarspalten. Plattformen müssen in die Verantwortung genommen werden. Der „Digital Services Act“ gibt den rechtlichen Rahmen vor – jetzt muss er konsequent angewendet werden. Wer Hass und Desinformation duldet, muss Konsequenzen spüren.

Doch gesellschaftlicher Zusammenhalt bedeutet mehr als nur die Bekämpfung von Hetze. Er entsteht, wenn Menschen sich in ihrem Land sicher fühlen – nicht nur vor Bedrohungen, sondern auch wirtschaftlich und sozial. Wer Sicherheit will, muss Zugehörigkeit schaffen. Integration ist keine Bedrohung, sondern die beste Strategie gegen gesellschaftliche Spannungen. Sprachkurse, schnellere Anerkennung von Abschlüssen, bessere Zugänge zum Arbeitsmarkt – wer hier investiert, investiert in die Stabilität dieses Landes und verringert das Risiko gesellschaftlicher Radikalisierung.

Doch auch für viele, die schon lange hier leben, wächst die Unsicherheit. Menschen verlieren das Vertrauen in die Politik, weil sie den Eindruck haben, dass ihre Lebensrealität keine Rolle spielt. Eine demokratische Regierung muss sich dieser Kritik stellen und Antworten liefern – nicht durch autoritäre Versprechen, sondern durch greifbare Verbesserungen im Alltag.

Jetzt entscheiden die Koalitionsparteien, wem dieses Land gehört

Ein Koalitionsvertrag ist mehr als eine Liste von Maßnahmen. Er ist eine Erzählung über dieses Land – und darüber, was es sein soll. Deshalb darf er nicht auf die im Wahlkampf geschürten rassistischen Narrative hereinfallen, sondern muss sie bewusst brechen. Wer weiter von „Belastung durch Migration“ spricht oder suggeriert, dass Einbürgerung ein Sicherheitsrisiko sei, übernimmt genau die Erzählungen, die Rechtsextreme seit Jahren verbreiten. Dabei geht es längst nicht mehr um konkrete Maßnahmen, sondern um eine politische Strategie: Migration als Bedrohung darzustellen, um gesellschaftliche Spaltung voranzutreiben.

Der Koalitionsvertrag muss stattdessen klarmachen, dass Einwanderung und Vielfalt nicht nur Teil der Lösung sind – sondern dass sich diese Regierung aktiv gegen Rassismus stellt. Das aktuelle Lagebild Rassismus der Bundes-Antirassismusbeauftragten zeigt, wie tief rassistische Diskriminierung in Deutschland verankert ist – in Behörden, auf dem Wohnungsmarkt, im Gesundheitswesen und in der Arbeitswelt. Es reicht nicht, nur über Integration zu sprechen, ohne gleichzeitig die strukturellen Hürden zu benennen, die Menschen mit Migrationsgeschichte erleben.

Wenn die Koalitionsparteien Vertrauen zurückgewinnen wollen, braucht es Klarheit, Selbstkritik und den Mut, Rassismus in allen gesellschaftlichen Bereichen offensiv zu bekämpfen. Arbeit gegen Rassismus darf keine Randnotiz sein – er muss sich als Querschnittsaufgabe durch die gesamte Regierungsstrategie ziehen.

Diese Koalitionsverhandlungen sind eine Richtungsentscheidung: Will diese Regierung für Demokratie kämpfen? Viele Menschen haben gezeigt, dass sie bereit sind, für ihre Demokratie, gegen alte und neue Nazis auf die Straße zu gehen. Die Frage ist nur, wann die Politik endlich mitzieht.

Perspektive Ost: Utopien mit Leben füllen

"Die Zivilgesellschaft ist ausgelaugt. Das ist auch kein Wunder, schließlich erleben wir seit knapp zehn Jahren eine stetige Zunahme von Rechtsextremismus" (Foto: Kira Ayyadi)

Perspektive Ost zeigt solidarische Perspektiven für Ostdeutschland. „Es spielt keine Rolle, ob Engagement im Kleinen oder im Großen stattfindet. Was zählt, ist die Haltung: der Mut, Verantwortung zu übernehmen und aktiv mitzugestalten.“

Rassistisches, rechtsextremes und autoritäres Denken wird zunehmend gesellschaftsfähig, nicht nur in Ostdeutschland. Trotz offensichtlicher Missstände und akuten Bedrohungen für den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt bleibt der große gesellschaftliche Aufbruch aus. Doch überall gibt es Menschen, die für Veränderung kämpfen – zivilgesellschaftliche Akteur*innen, die als Moderator*innen gesellschaftlicher Prozesse wirken, Räume für Dialog schaffen und neue Formen des Zusammenlebens erproben. Das Projekt Perspektive Ost macht dieses breite, oft ehrenamtliche Engagement sichtbar. Unterstützt von der Amadeu Antonio Stiftung traf sich Perspektive Ost mit 28 Projekten in Sachsen, Thüringen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern und sprach mit ihnen über Utopien und Visionen für ein demokratisches Miteinander.

Zwei Aspekte sind für wirkungsvolle Transformationen und lebendige demokratische Utopien entscheidend: Selbstermächtigung als demokratische Praxis und eine Erzählung, die das bessere Morgen nicht nur als Notwendigkeit, sondern als etwas Erstrebenswertes zeigt. Damit aus Ideen gemeinsames Handeln entsteht, müssen positive Visionen des Zusammenlebens greifbar, lebensnah und einladend sein. Utopien dürfen nicht abstrakt bleiben, sondern müssen im Alltag erfahrbar werden – als gelebte Alternativen, die Hoffnung und Möglichkeiten eröffnen.

Selbstermächtigung als demokratische Praxis

Zivilgesellschaftliches Engagement ist für viele Menschen keine Selbstverständlichkeit. Einige fühlen sich ohnmächtig und glauben nicht daran, dass ihr Handeln einen Unterschied macht. Die Vereinzelung in der Gesellschaft nimmt zu und der Rückzug ins Private schwächt das kollektive Moment. Dies stellt eine große Herausforderung für Projekte und Initiativen dar, da sie durch den hohen Aufwand an Eigenorganisation oft nicht weit genug aus der eigenen Blase herauskommen. Es bleibt eine Herausforderung, Menschen zu erreichen, die nicht ohnehin schon Teil der eigenen Netzwerke sind. Dabei zeigt sich immer wieder: Wenn Menschen erleben, dass sie gestalten können, wächst die Bereitschaft, sich einzubringen.

„Ich glaube, wenn man Leuten Raum gibt, egal ob jetzt Raum im Sinne eines physischen Raums oder einfach auch Platz zum Denken, […] dass dann ganz viel entsteht.“ – Fritzi, Komplex, Schwerin

Aus zivilgesellschaftlichen Räumen entsteht echte Veränderung. Stadtteilarbeit, politische Bildung, Kulturkneipen, Jugendarbeit oder Wohnprojekte schaffen niedrigschwellige Zugänge zur Demokratie und sind nur einige Beispiele, in denen Mitbestimmung mehr ist als ein abstraktes Ideal – sie wird beim Sport, im Kulturzentrum oder der feministischen Bibliothek, in der solidarischen Landwirtschaft, in selbstverwaltete Wohnprojekten oder bei der zivilgesellschaftlichen Arbeit in Kollektiven und Bündnissen greifbar. Es sind die Praktiken und Initiativen, die den Menschen nicht nur eine Stimme geben, sondern auch zeigen, wie sie die Welt unmittelbar beeinflussen können.

Was es zusätzlich braucht, sind Narrative, die Alternativen zu bestehenden Machtverhältnissen und menschenfeindlichen Ideologien sichtbar machen. Diese Narrative müssen niedrigschwellige Zugänge schaffen, damit Menschen sich mit ihrer eigenen Situation und den sie umgebenden Strukturen auseinandersetzen können. Doch Selbstermächtigung entsteht nicht in einem Vakuum, sie wird durch Erfahrungen von Teilhabe und Selbstwirksamkeit gelernt. Momente, in denen Menschen spüren, dass ihr Handeln zählt und Veränderung möglich ist, sind wichtig. Dazu braucht es die richtigen Zugänge und Vorbilder, die zeigen, dass Veränderungen nicht nur denkbar, sondern realisierbar sind. Orte, die Begegnungen und Teilhabe ermöglichen, transportieren im besten Fall gesellschaftliche Gegenentwürfe – sei es im Kleinen, durch gegenseitige Unterstützung, oder im Großen, indem sie Raum für gesellschaftliche Veränderung schaffen.

Das bessere Morgen ist jetzt? – Warum Utopien Freude machen müssen

Welche Ideen sind groß genug, um die Vielfalt der Gesellschaft einzuschließen, und gleichzeitig konkret genug, um realistisch und umsetzbar zu wirken?

Solche Visionen erfordern den Blick auf die gegenwärtigen Verhältnisse: Welche Voraussetzungen müssen wir heute schaffen, um alternative zivilgesellschaftliche Räume und Strukturen zu bewahren, die das Fundament für diese Utopien bilden? Wie beenden wir den fortschreitenden Verlust sozialer und kultureller Initiativen und Freiräume, die diese Zukunft tragen könnten?

„Wir benennen schwierige Probleme und sehen was alles scheiße läuft. Was man nicht hinkriegt ist ein positives Grundgefühl zu erzeugen, wo es auch Spaß macht, dabei zu sein.“ – Marcel, Siebenhitze, Greiz

Auf den Gebrauchswert kommt es an!

Veränderung wird dann unwiderstehlich, wenn sie nicht nur als Kampf, sondern auch als Gewinn empfunden wird. Deshalb braucht es nicht nur Kritik am Bestehenden, sondern auch das Bild einer Zukunft, die begeistert – eine Zukunft, die wir gemeinsam gestalten können. Viele der Menschen, die sich engagieren, arbeiten in einem Umfeld, das von strukturellen Unsicherheiten, fehlenden Ressourcen, teils feindseligen Haltungen und Bedrohungen durch die extreme Rechte geprägt ist. Die drängenden globalen Herausforderungen verstärken den Druck und erzeugen ein Gefühl der Überforderung. Doch gerade in solchen Momenten zeigt sich, wie wichtig greifbare Visionen sind.

„Einen Gebrauchswert, echten Gebrauchswert haben, der dann auch den Funken überspringen lässt.“ – Robert, Zora, Halberstadt

Es spielt keine Rolle, ob Engagement im Kleinen oder im Großen stattfindet. Was zählt, ist die Haltung: der Mut, Verantwortung zu übernehmen und aktiv mitzugestalten, selbst wenn die Herausforderungen überwältigend erscheinen. Utopien für die Gesellschaft sind dabei unverzichtbar, denn sie stiften Hoffnung und zeigen Wege in eine bessere Zukunft – Perspektive Ost macht dies bereits vor und schenkt den positiven Visionen des Zusammenlebens in Ostdeutschland mehr Aufmerksamkeit. Die Blickrichtung muss klar sein:  Denkt groß, träumt mutig und handelt entschlossen. Die Zukunft braucht Menschen, die nicht nur zuschauen, sondern ihre Umgebung aktiv gestalten – mit Raum für Ideen und dem Willen, neue Wege zu gehen.

Mehr Informationen zu den Projekten und ihren gesellschaftlichen Visionen findet ihr auf dem Instagramkanal @perspektiveost und in ihrem Magazin.

Salzwedel: Nächste Kommune lehnt Fördermittel für Demokratiearbeit ab

In Salzwedel kommt es zu einem gefährlichen Präzedenzfall bei der Demokratieförderung. (Quelle: Rainer Kubulek | Pixabay)

Die nächste Kommune lehnt Fördermittel für Demokratiearbeit ab. Wie lässt sich Demokratieförderung in Salzwedel und anderswo sichern? Ein Kommentar von Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung. 

Die Stadt Salzwedel in Sachsen-Anhalt hat eine bereits zugesagte Förderung von 700.000 Euro aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“ abgelehnt, wie die Volksstimme aus der Stadtratssitzung berichtet. Über acht Jahre hinweg hätten mit den Mitteln Jugendprojekte, lokale Initiativen und Vereine unterstützt werden können – ohne zusätzliche Belastung für den kommunalen Haushalt. Doch eine Mehrheit aus CDU, AfD und der Freien Fraktion verhinderte die Umsetzung. Mit der Begründung, dass die Stadt einen Eigenanteil von 4.500 Euro pro Jahr hätte tragen müssen – eine Summe, die der Bürgermeister Olaf Meining (parteilos) nach eigenen Angaben bereits durch Einsparungen kompensiert hatte. Statt sich klar von der rechtsextremen AfD abzugrenzen, wurde von der Salzwedeler CDU ein Kurs eingeschlagen, der deren Einfluss normalisiert.

Die Ablehnung traf nicht nur die Finanzierung von Jugendbeteiligung, sondern auch die geplante Koordinationsstelle für Demokratieförderung. Hinter der Entscheidung steht offenbar auch eine politische Ablehnung des bundesweit bekanntesten Vereins aus Sachsen-Anhalt „Miteinander e.V.“, der die Projekte begleiten sollte und vor allem der AfD seit Jahren ein Dorn im Auge ist.

Ein gefährlicher Präzedenzfall für weitere Kommunen

Salzwedel ist kein Einzelfall. Bereits im sächsischen Landkreis Bautzen wurden bewilligte Fördermittel in gleicher Höhe zurückgegeben. Generell geraten bundesweit Demokratieförderprogramme unter Druck. Auch in der Stadt Bautzen gab es eine kontroverse Diskussion darüber, ob die „Partnerschaft für Demokratie“ weitergeführt werden sollte. Städte, Gemeinden und Landkreise können im Rahmen von lokalen Partnerschaften für Demokratie Handlungskonzepte zur Förderung von Demokratie und Vielfalt entwickeln und umsetzen. Zur Durchführung konkreter Vorhaben stellt das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ den geförderten Kommunen Gelder für einen Aktions- und Initiativfonds zur Verfügung. Vor allem die AfD und das Bürgerbündnis Bautzen setzten sich für den Ausstieg aus dem Programm ein. Doch anders als im Landkreis entschied sich der Stadtrat von Bautzen im September 2024 mit knapper Mehrheit dafür, das Programm fortzuführen.

Parallel dazu mehren sich politische Signale, die demokratiefördernde Strukturen hinterfragen. Ein Beispiel dafür ist eine umfangreiche Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die der Bundesregierung 551 Fragen zu den Themen politische Neutralität staatlich geförderter Projekte, Gemeinnützigkeitsrecht und Transparenz bei der Mittelvergabe gestellt hat. Dabei geht es auch um Trägerorganisationen von „Demokratie leben!“ und deren politische Haltung. Die Fraktion fordert eine detaillierte Übersicht darüber, welche zivilgesellschaftlichen Akteure gefördert werden, wie deren politische Unabhängigkeit sichergestellt wird und inwieweit sie sich auf Grundlage des Gemeinnützigkeitsrechts ausschließlich mit demokratischen Grundwerten vereinbaren lassen.

Während eine kritische Auseinandersetzung mit Förderstrukturen legitim ist, zeigt sich, dass die öffentliche Diskussion über diese Fragen Auswirkungen auf die Praxis in den Kommunen hat. Die Ablehnung von Fördermitteln durch Städte wie Salzwedel oder Landkreise wie Bautzen kann auch als Folge dieser Debatte betrachtet werden. Kommunalpolitiker*innen stehen zunehmend unter Druck der rechtsextremen AfD, wenn es um die Entscheidung geht, ob sie Fördermittel für Demokratieförderung abrufen oder nicht.

Positives Beispiel: CSU-Landrat übernimmt Vorsitz der Partnerschaft für Demokratie

Dass es auch anders geht, zeigt der Landkreis Dachau. Dort wurde der CSU-Landrat Stefan Löwl vor einem Monat zum Vorsitzenden der Partnerschaft für Demokratie gewählt. Trotz der anhaltenden Diskussionen um die Förderstrukturen betont Löwl, dass die Partnerschaft für Demokratie politisch neutral arbeite und ein wichtiger Bestandteil für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sei.

Auch wenn er Verständnis für Transparenzfragen hat, sieht Löwl die Diskussion um die CDU-Anfrage kritisch. Die umfangreiche Befragung zur Neutralität geförderter Organisationen habe zu Verunsicherung in der Zivilgesellschaft geführt. Dennoch bleibt er bei der Unterstützung der Demokratiearbeit und lässt sich bei der Süddeutschen Zeitung zitieren: „Man nehme es mit der parteipolitischen Neutralität schließlich sehr genau.“

Demokratieförderung ist langfristige Prävention

Es braucht verlässliche Lösungen auf Bundes- und Länderebene, um Kommunen in der Demokratieförderung zu unterstützen. Viele dieser Programme wurden eingeführt, weil vorher in Jugendförderung und Kulturarbeit gekürzt wurde. Wer diese Mittel jetzt streicht, riskiert langfristig höhere gesellschaftliche Kosten.

Das Bundesfamilienministerium sollte es Kommunen mit einer sehr prekären Haushaltssituation ermöglichen, an dem Programm teilzunehmen und die Umsetzung von Partnerschaften für Demokratie ohne staatliche Beteiligung ermöglichen.

Denn wo Präventionsarbeit fehlt, steigt das Risiko von Radikalisierung, Polarisierung und Gewalt – insbesondere in Regionen mit starken rechtsextremen Strukturen. Statt Demokratieförderung auszubremsen, braucht es klare politische Unterstützung und Planungssicherheit. Positivbeispiele wie Dachau zeigen, dass sich Kommunen und Landkreise bewusst für die Demokratiearbeit entscheiden können – auch gegen politischen Druck. Dieses Engagement gilt es zu stärken!

Demokratie lebt von Debatten, Verantwortung und Vertrauen: Offener Brief an die Unionsfraktion

In einem Offenen Brief an die Unionsfraktion weisen mehr als 200 unterzeichnende Organisationen und Einzelpersonen die mit der parlamentarischen Anfrage der Unionsfraktion zur „politischen Neutralität staatlich geförderter Organisationen“ erhobenen Vorwürfe zurück und mahnen: „Kritik und Debatte zu politischen Plänen gehören zur Demokratie dazu, sie machen sie stabil und lebendig“. Eine kritische und engagierte Bürgerschaft sei „dabei kein Störfaktor, sondern stärkt unser Land und ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Demokratie.“

Die unterzeichnenden Organisationen und Einzelpersonen wünschen sich Unterstützung statt Misstrauen: sie arbeiten – bundesweit und vor Ort – in Wohlfahrtsverbänden, Wissenschaft und im Kulturbereich, engagieren sich ehrenamtlich in parteiübergreifenden Bündnissen, Initiativen wie den „Omas gegen Rechts“ oder hauptamtlich in kirchlichen Institutionen, leiten Mahn- und Gedenkstätten, vertreten als Dachverbände mehrere Dutzend Frauenorganisationen oder die Rechte von behinderten Menschen, helfen als Fachorganisationen, als Beratungsstellen oder in der Jugendhilfe. Alle eint die Erfahrung, dass bürgerschaftliches, zivilgesellschaftliches Engagement seit Jahren angegriffen und diskreditiert wird.

„Der Wahlkampf ist vorbei, die Gesellschaft ist unter Druck und viele Engagierte erleben Anfeindungen von Rechtsaußen. Wir wollen wieder ins Gespräch kommen und gemeinsam mit der Union darüber diskutieren, was unsere Gesellschaft zusammenhält: konstruktive Debatte, Grundrechte und Solidarität“, heißt es in dem Offenen Brief.

Die Unterzeichnenden teilen die Sorge und Irritationen mit vielen gesellschaftlichen Akteuren, die in den letzten Tagen eigene Stellungnahmen herausgegeben haben, beispielsweise:


Offener Brief an die CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Ihre Kleine Anfrage „Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen“ – eine demokratische Verantwortung?

Sehr geehrte Abgeordnete der CDU/CSU-Bundestagsfraktion,
Sehr geehrter Herr Merz, sehr geehrter Herr Dobrindt,

die Union in Deutschland steht für eine wehrhafte Demokratie. Mit „Eigenverantwortung, Leistung und Solidarität“ sollen die aktuellen tiefgreifenden Umbrüche bewältigt werden – so steht es in Ihrem Wahlprogramm. Aber: „Populisten und Extremisten vertiefen die Spaltung immer weiter“.

Wir teilen diese Einschätzung und glauben, dass in einer Demokratie Streit und Debatte über den gemeinsamen Weg wichtig und zentral sind. Die Bürgergesellschaft, die wir Zivilgesellschaft nennen, ist in Deutschland geprägt durch die aktive Partizipation vieler, die das öffentliche Leben gestalten und auf der Basis des Grundgesetzes um die besten Lösungen ringen. Das eint uns und unterscheidet uns von Demokratiefeinden.

Wir alle verteidigen – oftmals mit dem Rücken zur Wand – eine lebendige demokratische Kultur vor Ort und setzen uns seit Jahrzehnten für eine pluralistische und liberale Demokratie, gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus ein. Umso stärker sind wir schockiert über die Sichtweise auf bürgerschaftliche Organisationen, die in Ihrer direkt nach der Bundestagswahl eingebrachten Kleinen Anfrage „Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen“ (Drucksache 20/15035) vertreten wird. Die mit der Anfrage eingefordertepolitische Neutralität zivilgesellschaftlicher Organisationen ist nicht nur Teil einer kritischen Nachfrage. Die Vorwürfe betreffen den Kern einer freiheitlichen Gesellschaft: Kritik und Debatte zu politischen Plänen gehören zur Demokratie dazu, sie machen sie stabil und lebendig. Statt demokratisches Engagement zu würdigen, zu schützen und zu stärken, stellen Sie ehrenamtliche Initiativen ebenso wie gemeinnützige Vereine, Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen unter Generalverdacht.

Werden Sie Ihrer demokratischen Verantwortung gerecht

Als größte Fraktion im Deutschen Bundestag und voraussichtliche Regierungspartei tragen Sie eine besondere Verantwortung, unser demokratisches Fundament zu bewahren und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern. Eine kritische und engagierte Bürgerschaft ist dabei kein Störfaktor, sondern stärkt unser Land und ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Demokratie.

Zivilgesellschaft ist nicht neutral

Neutralität bedeutet nicht Gleichgültigkeit: Organisationen müssen sich weiterhin klar gegen Angriffe auf die Menschenwürde positionieren können. Sie beziehen sich auf das Grundgesetz und verteidigen die darin verankerten Werte. Demokratie lebt von Verantwortungsbewusstsein – auch in der Zivilgesellschaft. Nichtregierungsorganisationen sind zudem Grundrechtsträger: ihre Äußerungen sind Teil des pluralistischen Meinungsspektrums.

Demokratie braucht konstruktive Diskussionen, keine Einschüchterung

Gerade in Zeiten wachsender gesellschaftlicher Spannungen sollten demokratische Parteien sich nicht an Versuchen beteiligen, zivilgesellschaftliches Engagement durch öffentliche Zweifel und potenzielle rechtliche Konsequenzen zu delegitimieren. Lassen Sie uns stattdessen über eine Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts sprechen, die demokratisches Engagement schützt.

Innere Sicherheit ist Sicherheit für alle

Als Partei, die sich der Inneren Sicherheit verpflichtet fühlt, sollte sich gerade die Union noch stärker dem Erstarken rechtsextremer Deutungsangebote entgegenstellen – denn diese führen zu tagtäglicher realer Gewalt. Das zeigen sowohl die vom Bundesinnenministerium im Januar veröffentlichten Zahlen zu rechtsextremen Straf- und Gewalttaten als auch die jährliche Bilanz der unabhängigen Opferberatungsstellen. Gerade diejenigen, die sich für die Demokratie und Betroffene einsetzen, brauchen hier Ihre Unterstützung.

Demokratie lebt von Debatten – und von Verantwortung

Eine wehrhafte Demokratie lebt vom Engagement der Menschen, die sich für sie einsetzen. Diese Menschen und Organisationen brauchen mehr denn je Schutz und Rückendeckung, auch wenn die Positionen auseinander liegen. Werden Sie dieser demokratischen Verantwortung gerecht und lassen Sie uns gemeinsam Verantwortung übernehmen.

Mit freundlichen Grüßen

  • Agendagruppe Fairtrade Stadt Vaihingen an der Enz
  • Aktion 3% Föhren e.V.
  • Aktion Kinder- und Jugendschutz SH e.V., Iris Janßen, Vorstandsvorsitzende AKJS SH e.V. und Murat Baydaş, stellv. Vorstandsvorsitzender AKJS SH e.V.
  • Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V.
  • Aktionsbündnis gegen AIDS, Peter Wiessner
  • Aktionsbündnis Odenwald gegen Rechts
  • Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF)
  • Aktive Frauen Biebesheim
  • AKTIVOLI-Landesnetzwerk Hamburg e.V.
  • Allgemeiner Studierendenausschuss, Universtität Trier
  • Amadeu Antonio Stiftung
  • Amnesty International Deutschland e.V.
  • Amt für Jugendarbeit der Ev. Kirche von Westfalen
  • Andreas Froese, Gedenkstättenleiter KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora
  • Antidiskriminierungsforum Saar e. V.
  • Antonia Rösner, Geschäftsstelle des Ökumenischen Vorbereitungsausschusses zur Interkulturellen Woche
  • Arbeit und Leben im Kreis Herford DGB/VHS e.V.
  • ARBEIT UND LEBEN Sachsen e.V., Miro Jennerjahn, Geschäftsführer
  • Arbeitsgemeinschaft Grenzenlos gedenken (Trier/LUX)
  • Arbeitsgemeinschaft Offene Kinder- und JugendfreizeitstättenBaden-Württemberg e.V. (AGJF BW), Elena Ganz und Clemens Kullmann, Vorsitzende
  • Arbeitskreis ehemalige Synagoge Pfungstadt e.V., Renate Dreesen, Vorsitzende
  • Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge
  • Auf die Plätze Bündnis Erfurt
  • Augen auf e.V. Oberlausitz
  • AVP – Akzeptanz-Vertrauen-Perspektive e.V. Düsseldorf, Matthias Focks, Geschäftsführung
  • AWO Schleswig-Holstein
  • Backup-Comeback – Couragiert Demokratie stärken! e.V.
  • BEFORE e.V., Beratung und Unterstützung bei Diskriminierung, Rassismus und Gewalt
  • Berliner Entwicklungspolitischer Ratschlag (BER)
  • Bezirksvorstand des ver.di Bezirkes Thüringen
  • Birgit Kipfer, Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V. / BW
  • Bund der Jugendfarmen und Aktivspielplätze e.V.
  • Bundesarbeitsgemeinschaft Ausstieg zum Einstieg e.V.
  • Bundesarbeitsgemeinschaft der mobilen spielkulturellen Projekte e.V.
  • Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus
  • Bundesarbeitsgemeinschaft Offene Kinder- und Jugendarbeit e. V.
  • Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus e.V. (BAG RelEx), Vorstand und Geschäftsführung
  • Bundesarbeitskreis Arbeit und Leben e.V.
  • Bundesverband anthroposophisches Sozialwesen e.V
  • Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V. (bvkm)
  • Bundesverband Mobile Beratung e.V., Grit Hanneforth, Geschäftsführerin
  • Bündnis „Wage Mut!“ für Demokratie Mecklenburg, Dieter Gnann, Gross Krams, Sprecher
  • Bündnis gegen Rechts Darmstadt
  • Bündnis Weltoffener Unstrut-Hainich-Kreis
  • Bunt ohne Braun im Landkreis Darmstadt-Dieburg
  • Changing Cities e.V.
  • colorido e. V. Plauen
  • cultures interactive e.V., Silke Baer, Geschäftsführerin
  • D64 – Zentrum für Digitalen Fortschritt
  • Deutsche Gesellschaft für Demokratiepädagogik e.V.
  • Deutsche Kinder- und Jugendstiftung
  • Deutsche KlimaStiftung, Arne Dunker, Geschäftsführender Vorstand
  • Deutscher Frauenrat, Dr. Beate von Miquel, Vorsitzende
  • Deutsches Kinderhilfswerk e.V., Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer
  • Distanz – Distanzierungsarbeit, jugendkulturelle Bildung und Beratung e.V., Peer Wiechmann, Geschäftsführer
  • Dr. Tessa Debus, Wochenschau Verlag, Verlegerin
  • Dr. Tobias Linnemann, Bildungswerkstatt Migration & Gesellschaft
  • Dr.in Lisa Tölle, EXIT-EnterLife e.V.
  • Eine Welt Verein Kirchheim unter Teck e.V.
  • Eine-Welt-Landesnetzwerk M-V e. V.
  • Einsetzen STatt Aussetzen – ESTAruppin e.V.
  • EIRENE Internationaler Christlicher Friedensdienst e.V.
  • EmpowerMensch – Beratungszentrum gegen Diskriminierung
  • Entwicklungspolitisches Netzwerk Sachsen e.V.
  • Eric Wrasse, Stiftung Europäische Jugendbildungs- und Jugendbegegnungsstätte Weimar (EJBW)
  • Erlebniswerkstatt Saar e.V.
  • Europe Calling e.V.
  • Evangelische Akademie der Nordkirche
  • Evangelische Studierendengemeinde (ESG) Magdeburg
  • Evangelischer Regionalverband Frankfurt und Offenbach
  • Evangelisches Dekanat Groß-Gerau – Rüsselsheim
  • Ezra – Beratung für Betroffene von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen
  • Fabian Salars Erbe e.V. – Für Toleranz und Zivilcourage, Kai-Uwe Fülle-Netzer und Salome Saremi-Strogusch
  • Faire Welt e.V. / Weltladen Herrenberg
  • finep – forum für internationale entwicklung + planung
  • fint e.V. – Gemeinsam Wandel gestalten
  • FiSH Filmfestival Rostock
  • Florian Wenzel, Netzwerk Politische Bildung Bayern
  • Flüchtlingskinder im Libanon e.V.
  • Förderverein für Frauenzimmer e.V. Notruf und Beratung für Frauen und Mädchen Kappeln, Christiane Schwerdhöfer
  • Förderverein Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz e.V., Dr. Martin Schlüter, Vorsitzender
  • Förderverein Utopiastadt e.V.
  • Forum der Kulturen Stuttgart e.V.
  • Forum für kritische Rechtsextemismusforschung (FKR), Leipzig
  • Frauenkreise & Space2groW Berlin
  • FriedensNetz Saar
  • Gedenkstätte Ahrensbök
  • Gedenkstätte Stalag 326 (VI K) Senne
  • Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland, Sophia Oppermann und Rebecca Weis
  • Grenzenlos Digital e.V., Dr. Juliane Stiller und Dr. Violeta Trkulja
  • HateAid
  • Heinz-Joachim Lohmann, Beauftragter der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz zum Umgang mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit
  • Hildegard Lagrenne Stiftung, Alexander Diepold, Geschäftsführer
  • House of Ressources Greifswald
  • Human Rights Watch
  • IFAK e.V., Verein für multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe – Migrationsarbeit, Friederike Müller, Geschäftsführerin
  • Initiativausschuss für Migrationspolitik in Rheinland-Pfalz
  • Initiative EINE WELT Köngen e. V.
  • Initiative Lorsch bleibt stabil, Anika Obal und Patrick Metz
  • Initiative: Vielfalt. Jetzt!, Manfred Forell, Sprecher
  • Institut für angewandte Demokratie- und Sozialforschung – anDemos e.V.
  • Jetzt – Verein für Beratung, Coaching und Bildung e.V.
  • KAB Diözesanverband Freiburg e.V.
  • KAB Diözesanverband Trier
  • Kabutze e.V. Greifswald
  • Karsten Wolff, Ökumenische Arbeitsstelle des Kirchenkreises Nordfriesland
  • KAST e.V. Neumünster
  • Katholische Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands, Bundesvorstand: Bundespräses Stefan-B. Eirich und Bundesvorsitzender Andreas Luttmer-Bensmann
  • Kirsten Hopster, Vorstandsvorsitzende, Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Bielefeld e.V.
  • Kooperationsverbund Offene Kinder- und Jugendarbeit
  • Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.
  • Kulturbüro Dresden – Büro für freie Kultur- und Jugendarbeit e.V.
  • Kulturbüro Sachsen, Michael Nattke, Geschäftsführer
  • Kulturland MV gGmbH
  • LAG Songkultur Thüringen, Cornelius Kirfel
  • Ländernetzwerk Music Women* Thüringen
  • Landesarbeitsgemeinschaft Offene Kinder- und Jugendbildung Baden-Württemberg e.V. (LAGO BW)
  • LidiceHaus gGmbH Bildungsstätte Bremen
  • LIFE Bildung Umwelt Chancengleichheit e.V.
  • LSVD+ – Verband Queere Vielfalt e. V.
  • MBT Hessen – Mobiles Beratungsteam gegen Rechtsextremismus und Rassismus für demokratische Kultur in Hessen e.V.
  • Miteinander – Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt e.V., Pascal Begrich, Geschäftsführer
  • Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Düsseldorf
  • Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus NRW
  • Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus OWL/Regierungsbezirk Detmold
  • MOBIT e.V.
  • modus|zad – Zentrum für angewandte Deradikalisierungsforschung gGmbH
  • Murisa Adilovic, Vorsitzende des Integrationsrats Bielefeld
  • Music S Women* e.V.
  • Netzwerk Demokratiebildung in Thüringen
  • Netzwerk für Demokratie und Courage (NDC)
  • Neue Deutsche Medienmacher
  • Netzwerk Tolerantes Sachsen
  • NinA NRW – Zivilgesellschaftliche Ausstiegs- und Distanzierungsberatungsstelle im Kontext Rechtsextremismus
  • Offene Arbeit des Evangelischen Kirchenkreises Erfurt
  • Offene Jugendarbeit der ev. Altstadtgemeinden St. Jacobi, St. Marien und St. Nikolai Greifswald
  • Ökumenische Arbeitsstelle Mecklenburg
  • Omas gegen Rechts aus Neustadt in Holstein
  • Omas gegen Rechts Bergstraße
  • Omas gegen Rechts Erfurt e.V.
  • Omas gegen Rechts Eutin, Plön und Umgebung
  • Omas gegen Rechts Flensburg
  • Omas gegen Rechts Georgsmarienhütte
  • Omas gegen Rechts Groß-Gerau
  • Omas gegen Rechts Hannover
  • Omas gegen Rechts Lauenburg/Büchen
  • Omas gegen Rechts Lübeck
  • Omas gegen Rechts Magdeburg
  • Omas gegen Rechts Mörfelden-Walldorf
  • Omas gegen Rechts Regionalgruppe Dissen am Teutoburger Wald
  • Omas gegen Rechts Rüsselsheim
  • Omas gegen Rechts Saar
  • Omas gegen Rechts, Regionalgruppe Walsrode
  • Omse e.V., Geschäftsführenden Vorstände Andreas Schaefer und Andreas Warschau
  • Opferperspektive – Solidarisch gegen Rassismus, Diskriminierung und rechte Gewalt e.V.
  • Palais e.V. Trier
  • Paritätische Regionalgruppe Trier
  • Pastor Heiner Wedemeyer, Ökumenische Arbeitsstelle des Kirchenkreises Dithmarschen
  • pax christi – deutsche Sektion, Gerold König, Bundesvorsitzender
  • Pinkstinks Germany e.V., Ariane Lettow, Geschäftsführerin
  • Prof. Dr. Astrid Messerschmidt, Bergische Universität Wuppertal
  • Prof. Dr. Carsten Bünger, Erziehungswissenschaftler, PH Schwäbisch Gmünd
  • Prof. Dr. Hans-Jürgen Bieling, Universität Tübingen
  • Prof. Dr. Jens-Christian Wagner, Stiftungsdirektor Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora
  • Prof. Dr. Johannes Varwick, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
  • Prof. Dr. Kerstin Jergus, Universität Hamburg
  • Prof. Dr. Petra Dobner, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
  • Prof. Dr. Stephan Bundschuh, Hochschule Koblenz
  • Prof. Dr. Stephan Lessenich, Goethe-Universität Frankfurt a.M., Institut für Sozialforschung
  • Pulse of Europe Dieburg
  • RAA | Demokratie und Bildung Mecklenburg-Vorpommern e. V.
  • RAA Berlin, Katja Kinder und Irène Servant
  • RAA Sachsen e.V.
  • Re:solut e.V.
  • RE/init – Bildungswerk Demokratie und Vielfalt, Gerd Specht
  • RE/init e.V, Rita Beckman und Jovana Kartal
  • Regionalstelle Süd des Beratungsnetzwerks Hessen
  • Runder Tisch Ahrensburg für Zivilcourage und Menschenrechte, Bernadette Kölker und Elke Petter
  • SOS Humanity e.V.
  • Spielmobile e.V.
  • Spotlight – Antifeminismus erkennen und begegnen
  • SSC Hagen Ahrensburg
  • Stadt-Land.move – Werkstatt für sozial-ökologischen Wandel e.V.
  • Stiftung für die Internationalen Wochen gegen Rassismus
  • Stiftung Nord-Süd-Brücken, Andreas Rosen, Geschäftsführung
  • Stolpersteine Heppenheim e.V. – Erinnern für die Zukunft
  • Terre des Hommes Deutschland e.V., Joshua Hofert, Vorstand
  • Thomas Schmidt, Fachstelle Stärkung der entwicklungspolitischen Zivilgesellschaft Greifswald
  • Tobias Till Keye, RCE Stettiner Haff – Verein Bildung für nachhaltige Entwicklung
  • Trägerverein der Gedenkstätte Ahrensbök/ Gruppe 33 e.V.
  • Türkische Gemeinde in Baden-Württemberg e.V.
  • VBRG – Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e.V.
  • Vera Lüdeck, Geschäftsführerin LAG Rock in Niedersachsen e.V.
  • Verband saarländischer Jugendzentren in Selbstverwaltung e.V. – juz-united
  • Verbund Entwicklungspolitischer Nichtregierungsorganisationen Brandenburgs e.V. (VENROB)
  • Verein für demokratische Kultur in Berlin e.V. (VDK), Bianca Klose, Geschäftsführerin
  • verquer. Bildungsarbeit zu Themen globaler GerechtigkeitVorpommern
  • Violence Prevention Network gGmbH
  • WABE e.V. – Weser-Aller-Bündnis für Demokratie und Zivilcourage, Gunda Schmidtke, Vorsitzende
  • Weimarer für Menschenfreundlichkeit – Das Weimarer Bürgerbündnis gegen Rechtsextremismus
  • Weltladenverein HochdorfWerkstatt Ökonomie e.V. | im WeltHaus Heidelberg
  • Willi-Eichler-Akademie e.V.
  • WirSindNichtStill aus der Stecknitz-Region – für Demokratie und Menschenrechte – gegen Rechtsextremismus
  • Wuppertaler Initiative für Demokratie und Toleranz e.V.
  • Yeşil Çember – ökologisch interkulturell gGmbH

Bundestagswahl 2025: Das Problem ist nicht Einwanderung – das Problem ist gewaltvolle Männlichkeit

von Ans Hartmann und Sabine Herberth

Eine wirkungsvolle Sicherheitspolitik darf sich nicht an rassistischen Feindbildern abarbeiten, sondern muss patriarchale Strukturen und gewaltvolle Männlichkeit klar als das benennen, was sie sind: eine Gefahr für Frauen, queere Menschen – und letztlich für die gesamte Demokratie.

Seit Monaten drehen sich politische Debatten über die innere Sicherheit Deutschlands fast ausschließlich um die Rolle von Migration. Die bereits seit Jahren wachsende rassistische Diskursverschiebung und die Infragestellung des Rechts auf Asyl haben sich im Zuge des Wahlkampfs sowie nach den schrecklichen Anschlägen in Magdeburg, Aschaffenburg und München weiter zugespitzt.

Dabei wäre ein weniger populistischer Blick auf Belange der inneren Sicherheit dringend notwendig: So stellt sich die Frage, warum angesichts der Statistiken von täglichen Tötungsversuchen durch Männern an ihren (Ex-)Partnerinnen und von vollendeten Tötungen an jedem zweiten Tag, Gewalt gegen Frauen im Wahlkampf kaum auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Seit Beginn des Jahres wurden bereits 17 Frauen ermordet. Trotzdem spielen Femizide, also Tötungen von Frauen, weil sie Frauen sind, in der sicherheitspolitischen Debatte kaum eine Rolle.

Die Gründe hierfür sind vielfältig. Femizide und die meisten Formen geschlechtsspezifischer Gewalt finden vor allem im sozialen Nahraum statt und lassen sich, sofern die Täter als weiß bzw. nichtmigrantisch gelten, nicht so leicht für rassistische Wahlkampfzwecke instrumentalisieren. Es hat fast schon Tradition, dass in vielen politischen Debatten die Notwendigkeit, gegen geschlechtsspezifische Gewalt vorzugehen, vor allem dann relevant erscheint, wenn damit andere Botschaften oder politische Interessen verbunden sind und bestimmte gesellschaftliche Gruppen als verantwortlich ausgemacht werden können. Dabei sind (cis) männliche Täter in der Regel nicht nur für häusliche Gewalt verantwortlich, sondern auch für die meisten Anschläge und Attentate. Die breiten gesellschaftlichen Debatten über gewaltvolle Männlichkeit und ihre Ursachen bleiben jedoch aus.

Diese Tendenz zur Instrumentalisierung sowie die generelle Marginalisierung frauenpolitischer Anliegen und tatsächlichem Gewaltschutz zeigt sich auch in einigen Wahlprogrammen. In Erhebungen zu Wahlverhalten und Wahlmotivation werden soziale Gerechtigkeit und Gleichstellung kaum abgefragt und somit in ihrer potenziellen Relevanz nicht mal abgebildet. Geschlechterunterschiede im Wahlverhalten weisen aber durchaus darauf hin, dass diese Themen für einen beträchtlichen Anteil der Wählerinnen eine Rolle spielen.

Screenshot Katapult Magazin auf Instagram

1. Wahlverhalten und Geschlechterunterschiede: Wie beeinflusst der Wunsch nach Gleichstellung die Wahlentscheidung? 

Aktuelle Wahlergebnisse verdeutlichen, dass Union und AfD – die beiden Parteien mit dem niedrigsten Frauenanteil im neuen Bundestag (23 % bei der CDU/CSU und 12 % bei der AfD) – insbesondere die Anliegen junger Frauen kaum priorisieren. Wichtige Themen wie Geschlechtergerechtigkeit, Antidiskriminierung oder ein effektiver Schutz vor Gewalt spielen in ihren Programmen nur eine untergeordnete Rolle. Tatsächlich spiegelt sich dies auch in den Wahlergebnissen: Junge Frauen wählen mehrheitlich Die Linke, während junge Männer häufiger ihre Stimme der AfD geben.

Dieser Trend ist Teil eines weltweiten Phänomens: Junge Frauen stärken zunehmend linke, progressive Kräfte, während sich Teile der jungen Männer politisch stärker in Richtung Autoritarismus entwickeln. In der Forschung wird unter anderem diskutiert, dass antifeministische Haltungen und ein traditionelles, hierarchisches Männlichkeitsverständnis in Zeiten gesellschaftlicher Veränderungen vermeintliche Sicherheit vermitteln. Frauen hingegen entscheiden sich häufiger für Parteien, die sich klar für Gleichberechtigung und Teilhabe einsetzen.

Wahlverhalten der 18-24-Jährigen bei der Bundestagswahl 2025. Junge Frauen wählen mehrheitlich die Die Linke, junge Männer die AfD

Auch die neue Zusammensetzung des Bundestages weist in Bezug auf Gleichstellung und Repräsentanz eher auf Rückschritte hin: Mit nur noch 32,5 % weiblichen Abgeordneten – gegenüber 35 % zuvor – wird deutlich, dass Frauenrechte und die gezielte Förderung von Frauen in der Politik bei einigen Parteien an Bedeutung verlieren.

2. „Anti-Gender“-Mobilisierung als politisches Instrument und sicherheitspolitisches Problem im Zusammenhang mit geschlechtsspezifischer Gewalt

Wenn wir uns fragen, warum den erschreckend hohen Zahlen geschlechtsspezifischer Gewalt und den täglichen Tötungsversuchen nicht ausreichend politische Relevanz eingeräumt wird, müssen wir auch die Rolle antifeministischer Ideologien und Akteur*innen beleuchten. Wer spricht über die sicherheitspolitische Relevanz von geschlechtsspezifischer Gewalt im Kontext einer weltweit zunehmenden Verbreitung von frauen- und LGBTIQA+ -feindlichen Ideologien im Netz, die sexualisierte Gewalt legitimieren und mit purem Frauenhass und zahlreichen Verschwörungserzählungen einhergehen? Männer wie JD Vance, Elon Musk, Javier Milei oder Andrew Tate erlangen mit diesen Positionen nicht nur Reichweite, sondern gelangen auch in gefährliche politische Verantwortung und Handlungspositionen.

Rechte Politik befördert sexistische und antifeministische Positionen und ist zentraler Bestandteil autoritärer Bestrebungen. Damit schaffen ihre Akteur*innen weiteren Nährboden für Frauenhass und Gewalt. Antifeminist*innen in Regierungen weltweit schaffen dementsprechend Gewaltschutzmaßnahmen ab, bedrohen mit allen Mitteln die Sicherheit von trans Personen und der queeren Community, attackieren Frauenrechte, Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsprogramme und Bildungsarbeit für Kinder und Jugendliche, entziehen Gleichstellungs- und Beratungsstellen die Finanzierung.

Antifeminismus ist allgegenwärtig, antifeministisch motivierte Gewalt alltäglich und damit eine massive Bedrohung für demokratische Grundwerte und die Mehrheit der Bevölkerung. 

In Deutschland steigen die erfassten Fälle von häuslicher Gewalt und queerfeindlicher Hasskriminalität seit Jahren. Gleichzeitig stehen auch hier Gleichberechtigungs-Grundsätze und gesellschaftliche Errungenschaften immer mehr unter Beschuss. Schon in den vergangenen Jahren war zu beobachten, wie extrem rechte und rechtskonservative Akteur*innen große Anstrengungen unternahmen, Gleichstellungspolitik als „Kulturkampf“ zu markieren – ein Kampf gegen vermeintlich „unwichtige Minderheiten“ und ihre „übertriebenen Forderungen“. Dieser Angriff auf Frauenrechte, geschlechtliche und sexuelle Vielfalt ist längst keine Randerscheinung mehr. Er dient autoritären Bewegungen weltweit dazu, Ängste zu schüren und Rechte einzuschränken. Frauenrechte werden nur dann hochgehalten, wenn sie in ein rassistisches oder transfeindliches Narrativ passen – beispielsweise um „fremde“ Täter zu stigmatisieren.

Screenshot von X vom 24.2.25 – der rechte Influencer Maximilian Pütz bedient rassistische und frauenfeindliche Narrative

Ein kürzlich veröffentlichter Bericht der ILGA (International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association) zur Situation queerer Menschen in Europa fasst es treffend zusammen:

„Was als Angriff auf LGBTI-Rechte beginnt, entwickelt sich schnell zu einem umfassenderen Angriff auf die Rechte und Freiheiten aller Menschen in der Gesellschaft. Dies ist nicht nur ein LGBTI-Problem, es ist eine Krise für die Menschenrechte und die Demokratie insgesamt.“

Auch in Deutschland zeigte sich während der Gesetzgebungsverfahren zum Selbstbestimmungs- und Gewalthilfegesetz, wie weit verbreitet transfeindliche, antifeministische Feindbilder und Desinformationen tatsächlich sind. Transfeindliche politische Mobilisierung und Hetze fanden direkten Eingang in Gesetzestexte und Begründungen. Laut Wahlprogramm von CDU und CSU soll das Selbstbestimmungsgesetz direkt wieder abgeschafft werden.

Ein wesentlicher Mechanismus der Mobilisierung war auch hier die Gegenüberstellung sich vermeintlich ausschließender Interessen und Rechte von Frauen und trans* Personen. Derartige Instrumentalisierung von Gewaltschutz und Frauenrechten dient letztlich dazu, trans- und queerfeindliche Positionen zu rechtfertigen und voranzutreiben. So äußerten sich einige Akteur*innen, die sich so vehement für cis Frauenrechte und Gewaltschutz einsetzen, dahingehend, dass das Gewalthilfegesetz verhindert werden müsse, sollte es – wie in der Istanbul-Konvention vorgesehen – auch weitere marginalisierte Geschlechter einschließen. Dabei handelt es sich um ein Gesetz, für das Expert*innen, Verbände und die feministische Zivilgesellschaft seit Jahrzehnten kämpfen und das in der Praxis tatsächlich das Leben gewaltbetroffener Frauen retten kann.

3. Geschlechtsspezifische Gewalt und Antifeminismus: eine massive Bedrohung für die innere Sicherheit und demokratische Grundwerte 

Wer ernsthaft etwas gegen Gewalt in Deutschland und für das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung unternehmen will, muss auch Gewalt gegen Frauen und Antifeminismus als sicherheitspolitische Herausforderungen anerkennen. Antifeminismus fungiert als Türöffner in extrem rechte oder verschwörungsideologische Weltbilder und spielt nachweislich eine zentrale Rolle in der Radikalisierung rechtsextremer Attentäter.

Die Ablehnung von Gleichberechtigung, brutale Frauenfeindlichkeit sowie queer- und insbesondere transfeindliche/transmisogyne Ideologien bildeten in den vergangenen Jahren, oft in Verbindung mit Rassismus und Antisemitismus, zentrale Motive extrem rechter und rechtsterroristischer Gewalttaten und Attentate. In der internationalen Forschung zu geschlechtsspezifischer Gewalt werden zudem konkrete Zusammenhänge zwischen Partnerschaftsgewalt und Attentaten aufgezeigt. So gibt es Erkenntnisse, dass der Großteil der Verantwortlichen von „mass shootings“ in den USA bereits eine Vorgeschichte und/oder rechtskräftige Verurteilung wegen häuslicher Gewalt/Gewalt gegen Frauen hatten. In Ländern wie Großbritannien wird sogar der statistische Anstieg von Fällen geschlechtsspezifischer Gewalt konkret in Verbindung mit der massiven Reichweite frauenfeindlicher Inhalte und Influencer wie Andrew Tate gebracht und darüber diskutiert, Gewalt gegen Frauen offiziell als „Bedrohung der nationalen Sicherheit“ einzustufen.

Aus der Perspektive von Sicherheitspolitik und Opferschutz besteht somit dringender Handlungsbedarf. Wichtige Schritte und Grundsätze sind unter anderem:

  • Organisierten Frauenhass und Antifeminismus als Phänomen politisch motivierter Kriminalität (PMK) besser erfassen
  • Antifeministische Ideologie und (Online-) Radikalisierung ernst nehmen – z.B. im Kontext von Gefährdungsanalysen und Präventionsansätzen
  • feministische Zivilgesellschaft stärken – flächendeckende Anlauf- und Monitoringstellen für diejenigen, die von antifeministischen Angriffen betroffen sind
  • Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsstrukturen sichern und ausbauen – Forderungen, wie sie etwa von der AfD kommen, Gleichstellungs- und Integrationsbeauftragte abzuschaffen, sind klar als antidemokratische Strategie zu benennen; außerdem muss der Schutz von sexueller und geschlechtlicher Identität im Grundgesetz verankert werden
  • CSDs und queere Zivilgesellschaft sowie Bildungsarbeit stärken und vor rechtsextremen Angriffen und Mobilisierungen schützen
  • Grundrechte und das Recht auf Schutz vor Gewalt gelten für alle – auch für Geflüchtete. Der Schutz von gewaltbetroffenen, geflüchteten Frauen und queeren Menschen muss gemäß Istanbul-Konvention garantiert werden.
  • Die Richtigen in Verantwortung nehmen: verantwortlich für Gewalttaten sind zunächst die Täter*innen, verantwortlich für die Auseinandersetzung zum Umgang mit solchen Taten und dazu, wie (rechts)staatliches Handeln, gesellschaftliches Miteinander und vor allem gute Prävention aussehen kann, sind die Politik und wir alle. Rassistische und transfeindliche Instrumentalisierungen suchen Sündenböcke, lenken von diesen Verantwortungen ab und verhindern gleichzeitig keine Gewalt. Vielmehr führen sie zu mehr Gewalt und legitimieren den Abbau von Rechten und demokratischen Werten.

4. Gemeinsam patriarchale Strukturen überwinden: für echte Sicherheit und Demokratie

Das Erstarken rechter und rechtskonservativer Parteien geht regelmäßig mit einer Zunahme antifeministischer, frauen- und queerfeindlicher Gewalt einher. Zwar sind Frauen und queere Menschen davon besonders betroffen, doch langfristig richtet sich dieser Hass gegen die gesamte demokratische Gesellschaft. Wenn Parteien den Schutz von Frauen oder anderen marginalisierten Gruppen nur dann betonen, wenn er in ihr politisches Kalkül passt, ist das nicht nur scheinheilig, sondern gefährlich.

Gleichzeitig beweisen Wahlerfolge linker und grüner Kräfte, dass viele Menschen soziale Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und Vielfalt als zentrale Anliegen sehen. Um diese Werte nachhaltig zu stärken, braucht es jedoch entschlossene und verbindliche Maßnahmen. Eine wirkungsvolle Sicherheitspolitik darf sich nicht an rassistischen Feindbildern abarbeiten, sondern muss patriarchale Strukturen und gewaltvolle Männlichkeit klar als das benennen, was sie sind: eine Gefahr für Frauen, queere Menschen – und letztlich für die gesamte Demokratie.

Wer wirklich für Sicherheit sorgen will, muss patriarchale Gewalt und Antifeminismus ins Visier nehmen – und zwar konsequent, parteiübergreifend und ohne rassistische oder transfeindliche Untertöne. Nur so lässt sich das Vertrauen in eine demokratische Gesellschaft stärken, die alle Menschen schützt und ihnen gleiche Rechte gewährt.


Anlässlich der Bundestagswahlen haben wir von Take A Stand Against Antifeminism mit

  • Annika Brockschmidt (Autorin, Journalistin, Podcasterin, Expertin für US-Politik)
  • Tara-Louise Wittwer (Kolumnistin, Autorin, Content Creatorin @wastarasagt, Format „TikToxic“)
  • Fikri Anıl Altıntaş (Autor und Publizist zu Männlichkeiten und Antifeminismus)
  • Sabine Herberth (Antifeminismus-Expertin der Amadeu Antonio Stiftung)

gesprochen. Zum ansehen hier: https://www.youtube.com/live/JxZx7MdLFpc


Empfehlung

Demokratiearbeit in Gefahr: Der Schutz der Zivilgesellschaft muss jetzt politische Priorität haben

Nach den AfD-Wahlerfolgen im Osten muss die neue Bundesregierung jetzt dringend handeln, um die demokratische Zivilgesellschaft vor Ort zu erhalten und engagierte Demokrat*innen zu schützen. In Ostdeutschland ist die AfD bei der Bundestagswahl in allen fünf Bundesländern und in 43 von 48 Wahlkreisen zur stärksten Kraft geworden. Bundesweit hat die gesichert rechtsextreme Partei ihr Wahlergebnis verdoppelt. Dies stellt eine ernsthafte Bedrohung für die demokratische Kultur dar.

Von Vera Ohlendorf

Wer sich engagiert, lebt gefährlich: Angriffe auf Demokratiearbeit

Wer sich öffentlich gegen Rechtsextremismus und Rassismus positioniert, ist zunehmend Anfeindungen und Bedrohungen ausgesetzt. In Bautzen wurde eine Kindereinrichtung attackiert, nachdem sie eine Spende von Rechtsextremen abgelehnt hatte. In Halberstadt griffen Neonazis ein soziokulturelles Zentrum mehrfach an und beschmierten es mit Hakenkreuzen. In Wolfratshausen und Umgebung gab es eine Serie rechtsextremer, queerfeindlicher und antisemitischer Drohungen. Im brandenburgischen Strausberg wurden Teilnehmer*innen einer Gedenkveranstaltung an die Opfer des Nationalsozialismus mit einem Messer bedroht. Diese und viele weitere Übergriffe sind keine Einzelfälle. Die Zahl rechtsextremer Angriffe steigt laut Kriminalstatistiken und dezentralen Meldestellen stetig an, besonders in Regionen mit hohen Zustimmungswerten für rechtsextreme Parteien.

Zivilgesellschaft unter Druck: Strategien der Rechtsextremen zur Schwächung demokratischen Engagements

Zivilgesellschaftliche Akteur*innen sind entscheidend für die Aufklärungs-, Bildungs- und Kampagnenarbeit gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus. Sie schützen Minderheiten vor Gewalt und setzen sich für eine demokratische Gesellschaft ein. Doch rechtsextreme Gruppen haben Strategien entwickelt, um diese Arbeit zu erschweren: Diffamierung, juristische Schikane, das Verhindern von Raumvermietungen, digitale Hetzkampagnen, Doxxing und sogar physische Angriffe auf Vereinsräume oder engagierte Einzelpersonen. Zudem führt die politische Polarisierung dazu, dass Kommunen oder öffentliche Einrichtungen aus Angst vor Kontroversen Veranstaltungen absagen oder Fördermittel streichen. Diese Strategien sind nicht auf Ostdeutschland beschränkt, sondern finden zunehmend auch in Westdeutschland Anwendung.

Staatliche Unterstützung für Demokratieförderung notwendig

Das von der Ampel-Regierung geplante Demokratiefördergesetz ist am Widerstand der FDP gescheitert. Es wäre eine Chance gewesen, Demokratiearbeit seitens des Bundes unabhängig von Ländern und Kommunen vor Ort nachhaltiger und verlässlicher zu unterstützen. Die jüngsten Wahlergebnisse zeigen jedoch, dass Bund und Länder dringend handeln müssen, um die Arbeit der demokratischen Zivilgesellschaft besonders in strukturschwachen Regionen zu sichern. Es geht nicht darum, einen gesamtgesellschaftlichen Wandel allein durch ehrenamtliche Initiativen zu bewirken, sondern um den Schutz demokratischer Räume, den Erhalt demokratischer Strukturen und den Schutz von Betroffenen rechtsextremer Gewalt. Wo Demokratie in Gefahr ist, braucht es handlungsfähige Netzwerke, die zeigen, dass eine vielfältige und solidarische Gesellschaft möglich ist.

Politik in der Verantwortung: Notwendige Maßnahmen

Um Rechtsextremismus und Demokratiefeindlichkeit wirksam zu bekämpfen, müssen folgende Maßnahmen ergriffen werden:

  •       Die öffentliche Demokratieförderung auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene muss langfristig gesichert und eng an den Bedarfen der Zivilgesellschaft ausgerichtet werden. Lokale Partnerschaften für Demokratie müssen unabhängig von rechtsextremen Hegemonien in der Kommune arbeiten können und benötigen dafür dringend ausreichende finanzielle Mittel.
  •       Investitionen in Prävention, soziale Absicherung, innere und auswärtige Sicherheit dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Eine menschenrechtsorientierte Demokratie braucht sowohl den Schutz nach außen als auch den Schutz nach innen. Es müssen ausreichende Mittel bereitgestellt werden, um langfristige Programme gegen Rechtsextremismus und für gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern, ohne dabei soziale Sicherungssysteme oder sicherheitspolitische Maßnahmen zu vernachlässigen.
  •       Es braucht tragfähige juristische und politische Konzepte zum Schutz demokratischer Institutionen vor rechtsextremen Zerstörungsstrategien, wie sie aktuell in autoritären Staaten erprobt werden.
  •       Sicherheitsmaßnahmen für zivilgesellschaftliches Engagement müssen ausgebaut werden. Dazu gehören digitale Schutzmaßnahmen, juristische Beratung und überregionale Netzwerke zur Unterstützung von bedrohten Initiativen.
  •       Gesellschaftliche und politische Akteur*innen müssen sich deutlicher gegen rechtsextreme Gewalt positionieren und den Wert der Zivilgesellschaft als Bollwerk gegen Demokratiefeindlichkeit anerkennen.
  •   Der Osten darf nicht sich selbst überlassen werden. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, den weiteren Wegzug von als migrantisch gelesenen Menschen, queeren Personen und Demokrat*innen aus Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zu verhindern. „National befreite“, überalterte und wirtschaftlich schwache Regionen dürfen keine Hochburgen des Rechtsextremismus bleiben.

Demokratie braucht Schutz: Jetzt ist Handeln gefragt

Die aktuelle Situation zeigt, dass Demokratiearbeit gefährlich und staatliche Unterstützung eine notwendige Verpflichtung ist. Zivilgesellschaftliche Organisationen und engagierte Demokrat*innen brauchen politische Rückendeckung, langfristige Finanzierung und strukturellen Schutz vor rechtsextremen Angriffen. Sie brauchen Ressourcen, um ihre Strategien und Methoden gegen Rechtsextremismus und Rassismus an die Erfordernisse der Verhältnisse anzupassen und neue Wege zu beschreiten. Die kommenden vier Jahre sind für den Erhalt der Demokratie entscheidend. Ihre Verteidigung darf nicht aufgeschoben werden – es ist Zeit zu handeln!

Die Amadeu Antonio Stiftung hat eine Petition unter dem Titel „Regierung in der Pflicht: Demokratie verteidigen!“ gestartet, die sich an eine mögliche neue Koalition richtet und mitgezeichnet werden kann.

Kommentar

Die Bundestagswahl 2025 – Gewonnen hat am Ende der Rassismus

Die Wahl gewonnen hat eine Partei, die einen offen rassistischen Wahlkampf geführt hat und in geflüchteten Personen den Hauptgrund aller gesellschaftlichen Probleme markierte. Anstatt sich mit Islamismus auseinanderzusetzen und Lösungen jenseits von Abschottungsphantasien zu erarbeiten, übernahm die CDU, wie auch alle anderen demokratischen Parteien, den 2017 von der AfD salonfähig gemachten Begriff der „irregulären Migration“ und hat bereits bewiesen, dass sie keine Hemmung hat, potenziell verfassungsfeindliche Vorschläge zur Entrechtung von Menschen in den Bundestag einzubringen.

Dicht gefolgt wird die CDU dann auch von der AfD, die nach bisherigem Stand der Auszählung von jedem fünften gewählt wurde. In Thüringen und Sachsen wählten sogar vier von zehn Menschen AfD, in Bayern liegt die Partei im ländlichen Raum bisher überall direkt hinter der CSU, mit oftmals 30 Prozent und auch im ländlichen Raum in Rheinland-Pfalz sieht es nicht anders aus. Über 11 Millionen Menschen haben ihre Stimme einer rechtsextremen Partei gegeben.

Eine Katastrophe für Betroffene von Rassismus

Dieses Wahlergebnis ist eine Katastrophe für Betroffene von Rassismus, deren Lebensrealität, schon jetzt geprägt von Hass und Hetze, nun noch gefährlicher werden wird. Die entmenschlichende Sprache der letzten zwölf Monate, derer sich alle Parteien bedienen, hat bereits zu einer noch stärkeren Bedrohung für Leib und Leben von Menschen geführt. Wir müssen davon ausgehen, dass dies nun noch weiter zunehmen wird.

Der Versuch der Union, durch Übernahme von AfD-Positionen, den Rechtsextremen Stimmen abzujagen, ist gescheitert. Die CDU/CSU hat Wähler*innen an die AfD verloren. Das Wichtigste ist nun, dass wenigstens der demokratische Minimalkonsens, nicht mit Rechtsextremen zusammenzuarbeiten, gehalten wird.


Unterzeichnen Sie hier die Petition der Amadeu Antonio Stiftung für die KoalitionsverhandlungenRegierung in der Pflicht: Demokratie verteidigen!


Für Betroffene von Rassismus gibt es jedoch auch so schon keinerlei Verlässlichkeit mehr im Parlament, weil sich zukünftige Kanzlerpartei und stärkste Oppositionskraft darin einig sind, dass BIPoC Bürger*innen zweiter Klasse sind. Das Recht auf Unverletzlichkeit der Würde und auf Gleichbehandlung, wie es im Grundgesetz festgeschrieben ist, steht zur Disposition. Die Parteien der Ampel-Koalition haben dieser Politik gegenüber Geflüchteten und Migrant*innen kaum etwas entgegenzusetzen, denn SPD und Grüne haben die bisher restriktivsten Asylgesetze eingeführt und rassistische Narrative bedient, um vermeintliche Lösungen für den Umgang mit islamistischen Attentaten zu präsentieren.

Wofür wollen wir als Gesellschaft stehen?

Hier geht es nicht um politische Haltungen. Hier geht es um die grundlegende Frage, was wir für eine Gesellschaft sein und wofür wir in Europa stehen wollen: Dass das Recht auf Asyl im Grundgesetz verankert wurde, war eine direkte Reaktion auf die historischen Erfahrungen der Vertreibungen und Verfolgungen, der Millionen von Menschen durch die Verbrechen der Deutschen ausgesetzt waren. Es sollte einen symbolischen Bruch mit der nationalsozialistischen Vergangenheit darstellen: Der Schutz von politisch Verfolgten war nicht nur ein grundlegendes Menschenrecht, sondern auch ein zivilisatorischer Fortschritt – ein Versprechen, nicht nur als moralische Verpflichtung, sondern als nationales Gesetz. Der sogenannten „Asylkompromiss“ von 1993 war eine unverzeihliche Zäsur und ein Verrat an dem ursprünglichen Gedanken. Die verschärfenden Gesetzgebungen, die in den 2010 Jahren folgten, eine schon fast natürlich anmutende menschenrechtsfeindliche Folge.

Die Situation, die wir heute haben, ist dennoch schlimmer denn je: Dass Geflüchtete Menschen sind, die Schutz suchen, um ihr Leben retten zu können, ist ein Gedanke ohne politische Konjunktur…

Schon die gesundheitliche Grundversorgung von Geflüchteten ist akut gefährdet: In der ARD-Wahlarena sagte der zukünftige Kanzler dieses Landes, Friedrich Merz: „Wir können doch nicht für Hunderttausende von Menschen, die hier kein Aufenthaltsrecht haben, psychiatrische Hilfe bereitstellen, diese Menschen müssen das Land verlassen.“ Kürzungen sind für dieses Jahr bereits angekündigt. Theresa Schmidt arbeitet als Sozialarbeiterin mit Überlebenden von Folter und Kriegsgewalt und befürchtet, dass über die Hälfte der Förderung wegfallen könnte: „Eine Entscheidung, die schwertraumatisierten Geflüchteten ihre Chance auf lebenswichtige Versorgung verweigert, einfach nur, weil sie aus einem anderen Land fliehen mussten. Die psychische Gesundheit von traumatisierten geflüchteten Menschen ist spendenabhängig – und das darf so nicht sein!“

Die Imitation der AfD hat der CDU mehr geschadet als genutzt

Klar ist: Die Imitation der AfD in Rhetorik, Verschärfung und Vermischung von Asyl- und Migrationspolitik durch demokratische Parteien hat der AfD als „Original“ eher genutzt als geschadet. „Der immer stärkere Abbau von grundlegenden Rechten und gleichberechtigten Zugängen für Geflüchtete wird den rechten Mob nicht befrieden. Aber sie höhlen unsere Demokratie mit Schutz für vulnerable Minderheiten weiter aus“, erklärt Stephan Jäkel, Abteilungsleitung Flucht bei der Schwulenberatung Berlin.

Einer kritischen Zivilgesellschaft den Rücken zu stärken, das ist jetzt wichtiger als jemals zuvor. Niemand muss von dieser rassistischen Politik direkt betroffen sein, um betroffen zu sein. In den kommenden Monaten werden viele Menschen Angst um ihre Zukunft haben. Viele haben sie jetzt schon. Doch in einer Demokratie ist niemand auf sich allein gestellt – sie lebt von uns allen. Wenn wir nicht möchten, dass Ausgrenzung, Hass und Hetze unser Land bestimmen, dann müssen wir nun gemeinsam dagegenhalten: Schutzräume schaffen, Aufklärung stärken, Solidarität sichtbar machen.

Analyse

Analyse: Der Westen hinkt dem Osten bei der AfD-Zustimmung nur knapp 4 Jahre hinterher

Der Versuch einer Analyse des AfD-Wahlerfolgs: Obwohl die AfD im Osten stärkste Kraft ist, bekommt sie am meisten Zugewinne im Westen. Die stärksten Sprünge macht die AfD in den Bundesländern, in denen sie bislang am schwächsten war. 20 Prozent der Wähler*innen gaben am Sonntag ihre Stimme einer rechtsextremen Partei. Wie konnte es so weit kommen?

Von Lisa Geffken, Lea Lochau, Una Titz und Jan Riebe

Wo die AfD besonders triumphiert hat

Nach wie vor ist die AfD in Ostdeutschland am stärksten und das mit Abstand. Doch nun lediglich auf den Osten zu schauen, wäre fatal. Denn auch im Westen holt die AfD auf. Teilweise sind die Zustimmungswerte in westdeutschen Bundesländern so hoch, wie in ostdeutschen bei der Bundestagswahl 2021. Die AfD holt hier also auf. So hatte die AfD in Mecklenburg-Vorpommern bei der Bundestagswahl 2021 ein Ergebnis von 18 Prozent erzielt. In Bayern, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Baden-Württemberg liegt die AfD bei dieser Bundestagswahl bereits über 18 Prozent, in Niedersachsen und Hessen liegt die AfD mit 17,8 Prozent fast genau auf dem Niveau von Mecklenburg-Vorpommern von 2021. Der Westen hinkt dem Osten bei der Zustimmung zur rechtsextremen AfD also nur knapp 4 Jahre hinterher und holt immer schneller auf.

Die verhältnismäßig größten Gewinne macht die AfD in den Bundesländern, in denen sie bislang am schwächsten war: In Nord-Westdeutschland, insbesondere in Niedersachsen (2025: 17,8 %; 2021: 6,1 %) und Schleswig-Holstein (2025: 16,3 %; 2021: 6,5 %). Im Vergleich zu 2021 hat die AfD in Niedersachsen und Schleswig-Holstein (+ jeweils knapp 140 %) ihre Ergebnisse mehr als verdoppelt. Der geringste Zuwachs ist in Berlin (+5,8 %) zu verzeichnen (2025: 15,2 %; 2021: 9 %). Beim konkreten Wahlergebnis hat die AfD im Westen am stärksten im Saarland (11,5 % mehr Prozentpunkte als bei der letzten Wahl; 2025: 20,8 %; 2021: 9,8 %), gefolgt von Rheinland-Pfalz (+10,9 %; 2025: 19,2 %; 2021: 8,8 %) und Niedersachsen (+10,4 %) zugelegt.

Die absoluten prozentualen Gewinne sind aber im Osten am stärksten: In Sachsen-Anhalt (+ 17,5 %; 2025: 37 %; 2021: 20,2 %), gefolgt von Thüringen (+14,6 %; 2025: 38,6 %; 2021: 23,7 %) und Brandenburg (+14,4 %; 2025: 32,5 %; 2021: 18,3 %). In Sachsen-Anhalt hat die AfD mit 37,1 % fast doppelt so viel Stimmen wie die zweitplatzierte CDU mit 19,2 % erzielt. Im Sommer 2026 wird in Sachsen-Anhalt ein neuer Landtag gewählt. Es wird sich zeigen, ob dann noch eine Landesregierung ohne die AfD möglich sein wird.


Unterzeichnen Sie hier die Petition der Amadeu Antonio Stiftung für die KoalitionsverhandlungenRegierung in der Pflicht: Demokratie verteidigen!


Rechtsextreme Hegemonie im Osten: Kontinuitäten, fehlende Aufarbeitung und Glorifizierung der DDR

Rechtsextreme Wahlerfolge entstehen nicht über Nacht. Der österreichische Rechtsextreme Martin Sellner beschreibt in seinem Buch „Regime change von rechts“ die Strategie der extremen Rechten: Wahlerfolge sind nicht der Anfang der Machtübernahme, sondern deren Ergebnis. In Teilen Ostdeutschlands hat sich eine rechtsextreme Hegemonie verfestigt, die nun in Wahlergebnissen sichtbar wird.

Diese Entwicklung hat eine lange Vorgeschichte. In der DDR gab es keine ernsthafte Aufarbeitung des Nationalsozialismus. Stattdessen wurde behauptet, mit der Abschaffung des Kapitalismus sei auch der Faschismus überwunden. Antisemitismus, Rassismus und autoritäres Denken blieben jedoch tief in der Gesellschaft verwurzelt. Juden wurden oft als „westliche Agenten“ diffamiert, die Shoah spielte in der offiziellen Erinnerungskultur kaum eine Rolle. Auch Vertragsarbeiter*innen aus sozialistischen Ländern wurden systematisch diskriminiert und isoliert.

Nach der Wende konnten sich rechtsextreme Netzwerke ungehindert ausbreiten. Die rassistischen Pogrome der 1990er Jahre, von Hoyerswerda bis Rostock-Lichtenhagen, waren direkte Folgen dieser Entwicklungen – und wurden vielerorts von Teilen der Bevölkerung toleriert oder gar bejubelt. Staatliche Stellen reagierten oft zögerlich, während Neonazi-Strukturen weiter wuchsen. Die AfD knüpft heute an diese lange gewachsenen ideologischen Muster an, die in manchen Regionen nie vollständig gebrochen wurden.

Besonders brisant ist, dass die AfD sich immer wieder positiv auf die DDR bezieht, vor allem auf ihre autoritären Strukturen und ihre nationalistische Abschottungspolitik. Führende AfD-Politiker*innen glorifizieren das Regime als „richtige Alternative“ zum heutigen demokratischen System und idealisieren die DDR-Grenzpolitik, die mit Schießbefehl und Mauer Opfer forderte. Gleichzeitig bedient die Partei DDR-Nostalgie, indem sie wirtschaftlichen Niedergang und soziale Unsicherheit nach der Wiedervereinigung allein dem „Westen“ zuschreibt – ein Narrativ, das in einigen Teilen Ostdeutschlands auf fruchtbaren Boden fällt.

Diese Strategie zeigt Wirkung: In Regionen, in denen in den 1990er Jahren Rechtsextreme dominierten, ist heute die AfD die stärkste Kraft. Die Partei nutzt gezielt das Gefühl vieler Menschen, nie wirklich im wiedervereinten Deutschland angekommen zu sein. Sie bietet eine einfache Erzählung: Der Westen habe die Ostdeutschen betrogen, die Demokratie sei eine „Lügenveranstaltung“ und nur eine starke nationale Führung könne Gerechtigkeit bringen. Damit knüpft die AfD nicht nur an rechtsextreme Kontinuitäten, sondern auch an autoritäre Prägungen der DDR an – ein gefährliches Zusammenspiel, das die Demokratie langfristig untergräbt.

Was den AfD-Erfolg antreibt: Die Ursachen im Blick

Die tiefen gesellschaftlichen Transformationsprozesse und die multiplen Krisendynamiken spielen der AfD in die Karten. Seit einiger Zeit sinken die Konjunkturprognosen für Deutschland, gleichzeitig steigt die Inflation. Laut Infratest dimap beurteilen 96 Prozent der AfD-Wähler*innen die wirtschaftliche Lage als schlecht, gefolgt von 90 % der Unions-Wähler*innen. Die AfD punktet offenbar bei Menschen, die ihre wirtschaftliche Situation als schlecht einschätzen.

Strukturschwache Gegenden, mit wenig Perspektive und viel Wegzug von jungen Leuten, gelten schon länger als Hochburgen der AfD im Osten und zuvor als Hochburgen von Neonazi-Parteien. Auch im Westen ist gut abzulesen, wo sie ihre Hochburgen hat – neben ländlichen Regionen auch in Großstädten wie Gelsenkirchen, Kaiserslautern und Pforzheim. Was die Gründe sind, dass es gerade diese und nicht (auch) andere Großstädte sind, liegt aber nicht immer direkt auf der Hand. Pforzheim war schon oft eine rechte Hochburg: In den 1960/70er Jahren für die NPD, in den 1990er Jahre für die Republikaner. Dieser „Vererbungseffekt“ reicht zurück bis in die Zeit des Nationalsozialismus. Im Osten sind aus den NPD-Hochburgen die der AfD geworden. Auch Pforzheim hat seit jeher eine aktive Neonazi-Szene, deren Präsenz zu einer Normalisierung rechtsextremer Ideologie in der Stadt geführt haben könnte.

Die AfD im digitalen Raum

Rund um die Bundestagswahl zeigt sich eine tiefgreifende Verzerrung der digitalen Meinungsbildung. Antidemokratische Kräfte setzten vorab kreativste digitale Strategien ein, um Einfluss auf das Wahlergebnis zu nehmen. Es wurden Wahlbetrugs-Desinformationen über Schattenaccounts und Unterstützernetzwerke verbreitet, virale Wahlsongs von Rechtsextremen als emotionale Hymnen eingesetzt sowie eher kitschige, KI-generierte Inhalte, die AfD-Nähe suggerieren. Unmittelbar nach der Wahl versuchen antidemokratische Kräfte, das Wahlergebnis bereits für sich umzudeuten und knüpfen damit nahtlos an einen rechtsextremen Digital-Wahlkampf an, der die entsprechenden Narrative, wie das vom Wahlbetrug, bereits sorgfältig vorbereitete. In der digitalen Wahlkampfarena zeigte sich vor allem TikTok als Meinungsdominanzplattform der AfD. Diese digitalen Angriffe vor und nach der Wahl sind kein Zufall, sondern organisierte Strategie. Sie dienen als Brandbeschleuniger für gesellschaftliche Enthemmung bei gleichzeitiger Vereinzelung und Einsamkeit. Sie bereiten den Boden für einen rechtsextremen Rollback, nicht nur im digitalen Raum und sind eine unverkennbare Gefahr für die Sicherheit unseres öffentlichen digitalen Diskurses.

Die AfD als die neue Arbeiterpartei?

Gelsenkirchen ist stark vom Strukturwandel betroffen. Viele Gemeinden in Südwestdeutschland, in denen die AfD teils ihren Stimmenanteil mehr als verdoppeln konnte, ebenso. So sind im Saarland viele von der Krise der Stahlindustrie betroffen. Besonders auffällig ist auch, dass die AfD unter den Arbeiter*innen und Erwerbslosen mit Abstand die meistgewählte Partei ist. Aber auch das ist nur eine Teilerklärung. Analysen und Nachwahlbefragungen zeigen, dass ein Hauptgrund die AfD zu wählen die Zustimmung zu deren nationalistischen, rassistischen und rechtsextremen Agenda ist. Es spielen also viele Aspekte eine Rolle, um den Wahlerfolg zu erklären, regionale Unterschiede müssen dabei stets berücksichtigt werden.

Alarmierende Normalisierung rechtsextremer Ideologien

Mit dem Erfolg der AfD geht eine immer schneller werdende Normalisierung ihrer rechtsextremen Inhalte einher. Das zeigt sich auch in der Sprache. Und auch die Hemmschwelle, rechtsextrem zu wählen, sinkt rapide. Bis zu 33 % der Wählenden haben schon darüber nachgedacht, die AfD zu wählen. Dass sie trotz der schrecklichen Terroranschläge in Magdeburg, Aschaffenburg und München in den letzten zwei Monaten kaum noch zulegen konnte, zeigt aber auch, dass kein Automatismus in einer immer stärker zulegenden AfD besteht.

Zivilgesellschaft unter Druck: Ihre Rolle in dieser entscheidenden Zeit

Noch nie war die extreme Rechte seit Gründung der Bundesrepublik so stark gesellschaftlich verankert und akzeptiert wie aktuell. Dennoch ist die Demokratie gefestigt. Das ist auch ein Verdienst der vielen Menschen, die sich täglich in Vereinen und Verbänden für Demokratie und gegen Rechtsextremismus einsetzen. Doch die Zivilgesellschaft gerät zunehmend unter Druck. Ohne sie gibt es keine funktionierende Demokratie. Die extreme Rechte weiß das und greift sie daher mit aller Macht an.

Rund 48,5 Millionen Wahlberechtigte (82,5 %) haben ihre Stimme abgegeben. Es war die höchste Wahlbeteiligung seit 1990. Davon wählten etwa 10 Millionen die rechtsextreme AfD. Gleichzeitig hat die Mehrheit Parteien gewählt, die sich für demokratische Werte einsetzen. Auffällig ist auch, dass der sogenannte radical right gender gap – die These, dass Männer bevorzugt extrem rechte Parteien wählen – kleiner wird. 24 % der Männer wählen die AfD und 18 % der Frauen. Mit 12 % Zuwachs bei Männern und 10 % Zuwachs bei Frauen ist der radical right gender gap relativ gering. Auch die Einstellungsforschung (Autoritarismus- und Mitte-Studie) bestätigt, dass Geschlecht bei ideologischer Einstellung keine besondere Relevanz hat. Dennoch wählen junge Frauen progressiver, wie die Wahlergebnisse der Linken zeigen. Der größte Unterschied besteht wohl zwischen älteren Männern auf dem Land und jungen Frauen in Städten.

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